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Bunte Männersocken - Wer nicht Schwarzgrau trägt, gilt als verdächtig

Eigentlich gibt es sie bislang eher im angelsächsischen Raum: Socken in rot, gelb oder grün, gestreift oder gepunktet. In Deutschland blitzt die Farbe nur selten am Hosenbein hindurch. Zeit für eine Trendwende

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Klar, weiße Socken gehen überhaupt nicht. Weiß ja jeder, das taugt nicht einmal mehr als Witz. Selbst der hartnäckigste Träger von Kargohosen und eifrigste Anhänger von praktischen Outdoorjacken hat verinnerlicht, dass weiße Socken ganz, ganz schlimm sind.

Da Männer – insbesondere deutsche Männer – Pragmatiker sind, zogen sie aus dem Modeverdikt „niemals weiße Socken“ den messerscharfen Umkehrschluss „Anthrazit geht immer“. Und es stimmt ja auch irgendwie. Solange weder Schuhe noch Hose zu hell sind, macht man mit einem dunkelgrau bestrumpften Knöchel zumeist nichts falsch. Das Problem ist allerdings: genau so sieht es auch aus.

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Graue Socken sind wie graue Anzüge. Blamieren tut man sich darin nicht, Akzente setzen ist damit aber auch schwierig. Anzüge immerhin können noch durch ihre Qualität und ihren Schnitt signalisieren, dass ihr Träger einen individuellen Stil pflegt und in der Lage ist, sich geschmackvoll anzuziehen – bei Socken ist das schon schwieriger.

Kein Wunder also, dass seit einigen Jahren immer häufiger bunte Socken auch unter deutschen Anzughosen, Jeans und Chinos hervorblitzen: in uni rot, lila, gelb oder grün oder aber, bei den ganz Wagemutigen, gestreift oder gepunktet.

Farben gelten hier als eitel, frivol und unernst


Ihre Wurzeln hat die bunte Bedeckung des Knöchels – oder genauer und um wütenden Protesten von Freunden des guten Stils gleich entgegenzuwirken: der bunte Strumpf – in der angelsächsischen Welt. Das liegt unter anderem daran, dass das englische und amerikanische Gesellschaftsleben entscheidend von Farben geprägt ist: der Jagd, dem Polo-Spiel, den Farben der Privatschulen, den Colleges und Regimentern, den Jacketts der Yacht- und Ruderclubs.

Und natürlich gibt es nicht nur entsprechend gefärbte Jacketts oder Schals, sondern eben auch Strümpfe. Aufgegriffen und ironisch abgewandelt wurde diese Tradition dann Ende der 1950er Jahre, als sich bei Studenten in Harvard, Princeton, Yale und anderen Ivy-League-Universitäten der „Preppy-Look“ durchzusetzen begann. Dazu gehörten neben Button-Down-Hemden, Chinos, bunten Pullovern oder Cardigans die unvermeidlichen Penny Loafer und eben auch bunten Socken.

Nun sind Farben in einem Land wie Deutschland, das nachhaltig von der Ästhetik des lutherischen Schwarz geprägt ist, latent verdächtig. Farben gelten hier als eitel, frivol und unernst. Das kommt im Land der nachdenklichen Mahner und besorgten Bedenkenträger gar nicht gut an. Flottes Anthrazit kombiniert mit einem gewagten Taubenblau gilt hier immer noch als Ausweis höherer Geistigkeit.

Kein Wunder also, dass Farben, insbesondere in der Herrenmode, es in Deutschland nie leicht hatten. Doch in den letzten Jahren hat sich einiges getan. Chinos werden inzwischen in allen möglichen Farben getragen, und auch bunte Strümpfe haben Einzug in den deutschen Kleiderschrank gehalten. Ein Grund dafür ist auch das erfreuliche Angebot. Nicht nur der einschlägige Marktführer aus dem Sauerland, auch andere, teilweise junge Unternehmen bieten eine spaßige Auswahl an Socken in allen Farbschattierungen und Mustern.

 

Die neue Freude an der Farbe birgt aber auch Risiken. Gelbe Strümpfe zu roten Chinos sind ja okay. Problematisch wird das Ganze aber, wenn in die braunen Desert Boots zudem ganz pfiffig lila Schnürsenkel eingezogen werden, ein grüner Cardigan für Wärme sorgt und bunte Seidenknoten die Manschetten zieren.

Dass es kein Zeichen guten Geschmacks ist, wie ein Papagei herumzulaufen, sollte allerdings klar sein. Etwas verzwickter ist da schon jene Modekritik, die in farbigen Socken ein Zeichen modischer Verzagtheit zu erkennen meint und in bunten Strümpfen das scheinbar unkonventionelle Statement des angepassten Mannes – die bunte Socke als Ausdruck des Mutes der Mutlosen, als Unkonformismus für Konformisten.

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So kann man das natürlich sehen. Muss man aber nicht. Der Vorwurf, bunte Socken seien Mode für Modespießer und das große Fashionabenteuer für Feiglinge, basiert auf einer falschen Vorstellung von Herrenmode. Herrenmode nämlich ist keine Mode. Und alle Versuche der Modeindustrie, die Herrenmode den gleichen Gesetzen zu unterwerfen wie die Damenmode, waren bisher erfolglos.

Der Charme liegt in der Zeitlosigkeit


Seit dem 19. Jahrhundert trägt der Mann Anzug. Der allerdings erlaubt kaum große Variationen: einreihig, doppelreihig, großes Revers, kleines Revers, weiter Schnitt, schmaler Schnitt – das war es dann auch schon, und genau diese Varianten werden in regelmäßigen Zyklen durchgespielt. Der kleine Unterschied zwischen gut oder weniger gut angezogen liegt bei Herren im Detail: der Verarbeitung, dem Sitz, den Schuhen und eben den Accessoires, angefangen bei der Krawatte, über die Manschettenknöpfe, das Einstecktuch bis hin zu den Strümpfen – und das gilt nicht nur bei Anzügen, sondern auch für den Casual Look.

Männern vorzuwerfen, dass sie modischen Mut nur bei der Auswahl ihrer Accessoires beweisen würden, geht also an der Sache vorbei. Wer es dennoch kritisiert, möchte im Grunde eine ganz andere Herrenmode – oder besser gleich andere Männer. Aber mal ehrlich: Liegt der Charme der Herrenmode nicht eigentlich in ihrer Zeitlosigkeit? Wäre ein Mann, der sich jedes Halbjahr in die komplett neuen Klamotten der aktuellen Saison schmeißt, nicht irgendwie auch lächerlich und – alle Freunde der Gendertheorie kurz die Augen schließen – unmännlich?

Das Spiel mit den kleinen Details als Ausdruck des modischen Zeitgeistes ist an sich weder besonders spießig noch besonders unkonventionell. Es macht einfach Spaß, ist lustig, sorgt für Abwechslung und ermöglicht es dem Mann – in einem gewissen Rahmen – persönliche Akzente zu setzen: Lila Strümpfe unter einer dunkelblauen Anzughose oder meinetwegen auch rotblau geringelte Socken zu Jeans sehen einfach prima aus – wenn das Gesamtbild stimmt.

Und im Übrigen: Wer sich allen Ernstes tiefschürfende Gedanken darüber macht, ob er nun konventionell oder unkonventionell ist und was das alles mit seinen Socken zu tun, der hat ohnehin verloren.

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