Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
picture alliance

Landleben - Sodomie und Apfelschimmel

Der sexuelle Kontakt zum Tier galt im Neolithikum als heil- und kraftspendend, heute ist er geächtet und verboten. Auch auf unseren Weiden geht die Angst um. Ein Rapport vom Land

Autoreninfo

Marie Amrhein ist freie Journalistin und lebt mit Töchtern und Mann in der Lüneburger Heide.

So erreichen Sie Marie Amrhein:

Die zukünftige Kundin unseres Pferdebetriebs Frau B. eröffnete uns vor einigen Tagen, sie ziehe es vor, ihre Stute nachts in den Stall zu stellen. Auf der Weide dürften nur ihre männlichen Pferde stehen. Sie fürchtet sich. Nicht vor Füchsen, Wölfen oder Luchsen. Sie ist besorgt wegen potentieller Vergewaltiger. Da zieht man also aus der ach so gefährlichen Großstadt Berlin ins beschauliche Heideland und dann das: Sodom und Gomorrha zwischen Moorschnucke und Apfelschimmel?

Der nächste Morgenkaffee mit Blick auf nassgrüne Wiesen und sich orange färbende Eichenblätter. Die aktuelle Kreiszeitung trumpft mit einer Hammermeldung auf: „Pferdeschänder in flagranti erwischt“. Beate Jastrow aus dem niedersächsischen Ashausen habe vor einigen Tagen einen Mann mit heruntergelassener Hose am Hinterteil ihres Shettland-Ponys Nicky „in flagranti“ erwischt. Er „fummelte am Geschlechtsteil“ des Tieres herum, habe es also „geschändet“, empört sich die Frau. Vergeblich habe er darum gebeten, nicht die Polizei zu verständigen. Nun wird gegen ihn ermittelt. Der Herr ist 75 Jahre alt.

Sodomie ist eine Ordnungswidrigkeit


Vor einigen Monaten erfuhr das Treiben von sogenannten Zoophilen bis in die Städte hinein vermehrte Aufmerksamkeit. Nicht ganz unumstritten war die Gesetzesinitiative der Union, die seit Juli dieses Jahres sexuelle Handlungen zwischen Mensch und Tier als „artwidrig“ verbietet. Während Tierquälerei schon lange unter Strafe steht, waren intime Verhaltensweisen dagegen nur dann unerlaubt, wenn sie dem Tier Leid und Schmerz zufügen. Nun aber gilt Sodomie als Ordnungswidrigkeit, es drohen Strafen bis zu 25.000 Euro. Das ist immerhin deutlich milder als im 18. Jahrhundert, als ein solches Verhalten noch mit dem Tode bestraft ward.

Perversion geht als Nachricht immer gut – auf dem Land wie in der Stadt verkauft sich ungewöhnlicher Sex noch am besten. Während Zoophilie auf dem Land eher Pferde, Schafe oder Ziegen betrifft, leben in der Stadt vor allem Hunde mit ihren Liebhabern zusammen, heißt es vom Verein ZETA für Zoophiles Engagement für Toleranz und Aufklärung. Dort spricht man von mehr als 100.000 Gesinnungsgenossen – von menschlicher Seite her gesehen. Die Beziehung des Menschen zum Tier geht in Zeiten von Masttierhaltung und tabuisierten Schlacht- und Tötungsszenen ohnehin in eine immer persönlichere, ja intimere Richtung. Pferdebesitzer behandeln ihre Vierbeiner wie Familienmitglieder, sprechen gar als „Kinder“ von ihnen.

Sodomie dagegen löst in der gesellschaftlichen Beurteilung Ekel aus, der Sittenverfall von Sodom scheint gegenwärtig. Dabei wurde die Sexualität zwischen Mensch und Tier nicht immer so beurteilt. Zoophile gab es offenbar schon in der Jungsteinzeit, davon zeugen Felsgravuren. Die Handlungen versprachen damals nichts weniger als Fruchtbarkeit, Heilung und übermenschliche Kräfte. Dass die neolithischen Verhältnisse vorbei sind, macht heute geouteten Zoophilen wie David Zimmermann und Oliver Burdinski zu schaffen, die in ihren Blogs freimütig ihre Neigung er- und verklären. Im Interview mit der Taz beschreibt Burdinski, wieviel Mut es erfordere, sich von einem großen Hund begatten zu lassen. Beim ersten Mal „war ein gewisser Überraschungseffekt dabei. Ich hatte noch nie eine Hundepaarung gesehen, ich wusste also nicht, dass der Hund eine halbe Stunde braucht, bis er fertig ist und die ganze Zeit in einem steckt.“

Noch regnet es nicht Feuer und Schwefel


Leicht ist es sicher nicht, gegen den Willen eines ausgewachsenen Pferdes oder eines großen Hundes mit diesem intim zu werden. Diese zeigen sehr explizit, was sie wollen und was nicht. Das erklären auch Zoophile und kritisieren, dass es bei dem Verbot vielmehr um Moral gehe als um Tierschutz. Sie nämlich lehnen den Zwang gegenüber Tieren ab. Zoosadisten dagegen, die sich die Tiere zwanghaft zu untertan machen, zeige der Verein ZETA an.

Widersprüchlich ist es schon, dass ein Hund sich nicht am Schienbein seines Herrchen reiben sollte, wohingegen es Züchtern per Gesetz erlaubt ist, eine Stute festzubinden, damit der Hengst sie von hinten bespringen kann und Zuchtebern Elektrostäbe in den Anus einzuführen, um ihr Ejakulat für die künstliche Befruchtung zu gewinnen. Das Ganze ohne vorher zu fragen, versteht sich.

Peter Hoeg ließ 1999 in „Die Frau und der Affe“ eine Liebesgeschichte inklusive sexuellen Akts zwischen Mensch und Tier zu. Es ist der Affe, der in dieser Beziehung Oberwasser bekommt, der ernst genommen wird und der den Menschen, die sich für einzigartig und den Tieren weit überlegen halten, einen Spiegel hinhält.

Auf Sodom und Gomorra ließ der liebe Gott am Ende der sündigen Auslassungen Feuer und Schwefel fallen. Blicke ich zum Himmel über unseren Weiden, so fällt auf die noch Nieselregen. Noch.

 

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.