„In Vielfalt vereint“? Wahlsieg des Mitte-Rechts-Bündnisses in Italien bringt Berlin und Brüssel auf die Palme / dpa

Parlamentswahl in Italien - Exklusiv für Xing-Leser: In Vielfalt vereint - auch mit Rechtsaußen?

Italien wird künftig aller Voraussicht nach von einem Mitte-Rechts-Bündnis aus Fratelli d‘ Italia, Matteo Salvinis Lega und der Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi regiert. Bleibt es bei den Ankündigungen im Wahlkampf, würde Giorgia Meloni damit Italiens erste Regierungschefin werden. Doch statt respektvoll mit der demokratischen Entscheidung der Italiener umzugehen, wird eine Zusammenarbeit durch Teile Berlins und Brüssel bereits von vornherein erschwert. Mit Äußerungen in Oberlehrermanier rettet man die EU aber ganz sicher nicht.

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Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Giorgia Meloni von den Fratelli d' Italia (Brüder Italiens) scheint am nächsten Ziel ihrer politischen Reise angekommen zu sein. Alles deutet darauf hin, dass sie die nächste und damit erste Regierungschefin Italiens wird. Bei den Parlamentswahlen am Sonntag hat sich ihr Mitte-Rechts-Bündnis mit Matteo Salvinis Lega und der Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi klar durchgesetzt.

Zwar kam das Bündnis nicht auf eine absolute Mehrheit, gleichwohl dürften die drei Parteien aufgrund einer Besonderheit im italienischen Wahlrecht die meisten Sitze im Parlament erhalten. Es ist ein historischer Sieg, den die drei Parteien damit errungen haben. Denn erstmals seit Ende des Zweiten Weltkrieg wird Italien künftig wohl von einer rechtsnationalen Regierung geführt. Es ist ein politischer Erdrutsch mit Ansage

Aus Berlin und Brüssel hatte man angespannt auf diese Wahl geblickt. Denn der erwartete Rechtsrutsch in Italien wurde und wird nicht zuletzt als Gefahr für die Europäische Union gedeutet. Zwar schloss Meloni einen italienischen Exit aus der EU im Wahlkampf bereits kategorisch aus. Allerdings ist zu erwarten, dass aus Italien künftig massiver Widerstand kommen wird gegen eine allzu liberale Migrationspolitik und zu viel Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes aus Brüssel.

Zusammenarbeit auf Augenhöhe angezeigt

Angezeigt wäre nun eigentlich, auch im Ausland diese Wahl anzuerkennen, den Wahlsiegern der Höflichkeit halber zu gratulieren und sich Gedanken zu machen, wie eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit Meloni, Salvini und Berlusconi künftig gelingen könnte. Das nennt sich Realpolitik. Denn die Italiener haben entschieden, dass sie dem Mitte-Rechts-Bündnis mehr Gestaltungskraft und Führungsfähigkeit zutrauen als jeder anderen politischen Alternative im Land. Das gilt es auch in Berlin, Brüssel und anderswo in der Europäischen Union zu akzeptieren. 
 

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Doch Berlin und Brüssel wären eben nicht Berlin und Brüssel, wenn man sich mit dem Wahlausgang einfach abfinden würde. EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen etwa hatte sich bereits am Freitag aus der Deckung gewagt und bei einer Veranstaltung an der Privatuniversität in Princeton, USA, in Richtung einer möglichen rechtsnationalen Regierung in Italien gesagt: „Wenn sich die Dinge in eine schwierige Richtung entwickeln – ich habe von Ungarn und Polen gesprochen –, dann verfügen wir über Instrumente.“ Eine klare politische Drohung. Derweil twitterte Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Deutschen Bundestag: „Eine Regierung mit Faschisten an der Spitze ist kein Rechtsbündnis, sondern eine faschistische Regierung.“

Überhaupt scheinen sich in den sozialen Medien derzeit insbesondere Anhänger und Vertreter von SPD und Grünen, darunter folgerichtig auch viele Journalisten, gegenseitig in der moralischen Verurteilung der demokratischen Italienwahl überbieten zu wollen. Darunter Katarina Barley, SPD-Politikerin und Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, die vor „schweren Zeiten für Europa“ warnt. Und Michal Bloss, für die Grünen im EU-Parlament, der twitterte: „Der Abgrund tut sich auf. Die Rechtsradikalen gewinnen in Italien. Das ist Putins Erfolg in seinem Bestreben Europa zu spalten.“ Woher Bloss die Erkenntnis nimmt, Putin stecke hinter diesem Wahlergebnis, dürfte sein Geheimnis bleiben. 

Oberlehrer gewinnen keinen Blumentopf

Die Unkenrufe landauf, landab – der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass sich die Bundesregierung noch nicht offiziell zur Italienwahl geäußert hat – sind dabei von einer erschreckenden Realitätsverweigerung geprägt. Denn es ist ja keineswegs so, als erlebte die Europäische Union gerade goldene Zeiten. Ganz im Gegenteil. Ausgerechnet jene politisch Verantwortlichen, die sich jetzt besonders laut um die EU sorgen, haben durch ihre Politik erst dazu beigetragen, dass ein gemeinsames Europa mittlerweile vielfach zur reinen Idee geschrumpft ist und das Brüsseler Konstrukt so fragil dasteht wie noch nie seit Bestehen.

Die Briten sind raus, die Antworten auf die russische Invasion der Ukraine unzureichend, die amtierende Kommissionpräsidentin von der Leyen nur infolge einer Hinterzimmer-Klüngelei im Amt – und auch sonst steht die Europäische Union näher am Abgrund denn am Höhepunkt ihrer Schaffenszeit. Ein Grund dafür ist übrigens auch die Respektlosigkeit, mit der aus Berlin und Brüssel immer wieder auf die demokratischen Entscheidungen der Bevölkerungen in den Mitgliedsstaaten und deren gewählte Volksvertreter geblickt wird. Offenbar auch, weil man aus dem Brexit partout nicht lernen will.

In Vielfalt vereint

Die EU hat ein Motto, es lautet: „In Vielfalt vereint“. Doch eine Vielfalt, die nur dann akzeptiert wird, wenn in den Mitgliedsstaaten Politiker an der Macht sind, die Berlin und Brüssel genehm sind, ist keine Vielfalt, sondern Einfalt. Der Wahlausgang in Italien sollte daher ein – bei weitem nicht der erste – Weckruf sein für die von der Leyens dieser Welt, dass man mit politischen Äußerungen in Oberlehrermanier keinen Blumentopf gewinnt. Und schon gar nicht rettet man dadurch die Zukunft der Europäischen Union. Das gelingt nur durch eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Mit allen Regierungen innerhalb der EU.

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