Meyers Blick auf... - ...das Recht auf Wohnen und die Frage nach der Enteignung

Der Schweizer Journalist, Medienberater und Cicero-Kolumnist Frank A. Meyer spricht mit Cicero-Redakteur Alexander Kissler über die aktuelle Enteignungsdebatte von Wohnkonzernen und das Problem hoher Mieten

Frank A. Meyer zum Recht auf Wohnen

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Ernst-Günther Konrad | So., 5. Mai 2019 - 17:09

Ich mag Sie Herr Meyer und ihren Dialekt und die Klarheit Ihrer Worte. Einfach, schnörkellos, erfrischend und für mich nur wahr.
Herzenskälte, sie entsteht, wenn Menschen selbst keine Herzenswärme erfahren, wenn ihnen der Bezug zum wahren Leben fehlt, wenn sie das, was sie anrichten, selbst nicht aushalten müssen. Unsere Politiker sitzen fernab dieser Wohnsituation in Eigenheimen, in Eigentumswohnungen, in Dienstwohnung die vom Staat bezahlt werden. Ihr Einkommen ist ohnehin so hoch, dass sie sich wegen 50 € mehr Miete im Monat keine Gedankren machen müssen. Ich habe 1977 selbst in Miete gewohnt, die damals im sozialen Wohnungsbau 60 m² und 430 DM, ein fünftel meines Verdienstes betrug. Heute beträgt Miete mehr als die Hälfte vieler Einkommen. Enteignung ist nicht die Lösung, klare gesetzliche Vorgaben aber schon. Nur da will keiner ran. Warum? Es trifft die Politiker nicht selber, sonst wäre da längst was passiert. Der Wähler ist zu weit weg. Nicht Enteignen, sondern regulieren.

Wir erleben gerade die Durchdringung des Marktes in alle Lebensbereiche, da wo Kapital und Spekulation Bindungen auflöst. Es sind auch die Tendenzen zur unerbittlichen Ausgrenzung und Vertreibung. Dabei bedeutet „Haus“ und „Stadt“ Zuflucht, Heim, Wohnsitz und ist eine Einfriedung, die auch zeigt, in welcher Weise die Bewohner mit ihrem Dasein und dem Ort ihres Lebens ihren Frieden machen können. Jeder Mensch muss in einer Lebenswelt leben können, die ihm vertraut sein muss. Ein Leben ohne diese Vertrautheit ist unmöglich.

Viele der jetzt hastig gebauten Neubauprojekte (Investorenarchitektur) sind auch nur noch „Kaninchenställe“- Monumente der Monotonie. Abstellmöglichkeiten für Menschen. Notaufnahmelager für Arbeitskräfte. Die Sozialschäden der Bewohner werden enorm sein. Dieser spekulative, menschenfeindliche, aggressive Marktexzess ist würdelos. Und juristische Gesetze (ein hohes Gut), die diesen „Markt“ schützen, können auch grausam sein.

In der Geschichte war der Wohnungsmangel immer ein Mittel der Ausbeutung durch Boden- und Bauspekulation und Mietwucher. Wohnungen wurden zur Ware mit dem Ziel höchster Profite (gegen den Gebrauchswert). Wohnelend entstand auch durch eine Bodenwertexplosion. Unruhen entstanden. Solange Wohnungen als Quelle der Bereicherung dienen, wird die Wohnungsfrage nicht gelöst werden. Die Forderungen nach Mietsenkungen in der Geschichte war dann auch eine häufige Forderung in Klassenkämpfen.

Die endgültige Überwindung des Wohnungsmangels auf wirtschaftlich tragbarem Niveau sollte eigentlich ein Planungsziel der Politik sein.

Wem gehört die Stadt?

Ernst-Günther Konrad | Mo., 6. Mai 2019 - 11:45

Antwort auf von Bernhard Jasper

Ich bin nicht immer Ihrer Meinung. Was Sie aber in Ihren beiden Kommentaren darstellen und bewerten, trifft auch meine Einsichten und Feststellungen. Sie schreiben völlig zurecht, das es ein politisches Planungsziel sein müsste. Soclhe Einsichten kann nur erlangen, wer selbst persönlich unter diesen Bedingungen lebt oder gelebt hat. Und da fängt es bei vielen Politikern an, das Problem. Es fehlt die eigene praktische Erlebniswelt.

Bernhard Jasper | Mo., 6. Mai 2019 - 16:37

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

Der Staat (Kommune) überlässt „Entwicklung“ dem Wettbewerb. Spielt dieses Spiel mit (Verkauf von Grundstücken an den Meistbietenden, um die klammen Kassen zu füllen). Ein völlig dereguliertes Modell ist entstanden, das man auch Neoliberalismus nennen kann (real existierender Neoliberalismus). Es ist doch einfach auch nicht mehr wahr, dass wirtschaftliche Macht von staatlicher Macht getrennt ist. Wer hat denn die Banken gerettet?

Und es ist doch eindeutig, seit der EZB-Zinspolitik existiert diese Goldgräberstimmung, die jedoch das städtische Leben für z.B. Krankenschwestern, Polizisten und andere Dienstleistungsberufe zerstört.

By the way: Ich wohne in einem denkmalgeschützten Haus von 1894 (mit Renaissanceformen als Bauschmuck). Der ursprüngliche Bauherr und Eigentümer wohnte im 19.Jahrhundert selber noch in diesem Haus. Man muss also nicht betroffen sein, um diese Missstände zu beklagen.

Gerhard Lenz | Mo., 6. Mai 2019 - 12:08

Antwort auf von Bernhard Jasper

...und die Politiker, gleich ob links, rechts oder in der Mitte, schauen nur nach ihren Wählergruppen.
Man kann die Position vertreten, dass ein Markt nur die richtige Dosis staatliche Regulierung braucht, um markt-immanente Schwächen (der Stärkere, d.h. der Finanzkräfige, setzt sich immer durch) zu beseitigen.
Irgendwann aber, wenn diese Regeln sichtbar nicht greifen, muss man durchgreifen - und darf sich dann auch nicht durch die ewig gleichen Parolen vom drohenden Sozialismus abschrecken lassen.
Wenn bessere Wohnbedingungen für viele Menschen bzw. Wohngerechtigkeit Sozialismus bedeutet, ist Sozialismus (zumindest in diesem Bereich) also durchaus nicht schlecht.
Selbst wenn das für manche Zeitgenossen bedeutet, ihre geheiligten Dogmen zu überdenken.

Ich verstehe heute noch nicht, wenn die vielen Linkssozialisten vom Westen den Sozialismus so gut fanden, warum sind Sie nicht in die DDR gekommen. Wenn doch alles nicht so schlecht war, wie der ÖR es so erzählt. Jetzt waren die Filmauszeichnungen. Erinnert mich an Honeckers Zeiten. Weiß nicht, ob ich lachen oder heulen soll. Aber so wie Sie Herr Lenz argumentieren, hätten Sie im sozialistischen Ministerium einen "leitenden Posten" abbekommen.
Und sicher auch ein Einfamilienhaus in einer ehrenwerten Gegend mit nur Gleichgesinnten.
Und vor allem - durchgreifen!!!!!
Das ist ganz wichtig. Alle auf Linie bringen. Im Gleichschritt marsch -marsch!
Welche "Haltung" der Staat hat, sieht man doch, wie mit der wirklichen "Opposition" aus der DDR umgegangen wurde. Herr Gnauck & Frau Merkel gehörten jedenfalls nicht dazu. Ja, der Teufel "fertigt" die größten "Gesäßpasteten". Deshalb bete ich lieber zu Gott. "Und vergib Ihnen, denn Sie wissen nicht, wovon Sie reden". In Demut Nimmerklug

Bernhard K. Kopp | Mo., 6. Mai 2019 - 20:14

Antwort auf von Bernhard Jasper

Herrn Meyers Kommentar ist natürlich sehr sympathisch, und auf einer philosophisch-emotionalen Ebene auch richtig. Die Realität ist aber deshalb so unbefriedigend wie sie in den Ballungsräumen eben ist, weil es den Wählern seit 60 Jahren wesentlich gleichgültig war, was die Kommunen mit der Planungshoheit machen und nicht machen. Zusätzlich hat sich weder die Landes- noch, wo nötig, die Bundesgesetzgebung den immer schon gegebenen Ordnungsaufgaben gestellt. Wir sehen auch aktuell wieder beim Thema Grundsteuer, dass nicht einmal die SPD, bei der es schon vor 50 und mehr Jahren kluge Köpfe zum Thema gegeben hat, eine neue Weichenstellung auf den Weg bringen will.

Herr Kopp, ich schätze immer Ihre Kommentare. Wenn man die Politische Ökonomie auf Stadt projizieren würde, wäre die „Polis“ (Stadt) der Ort wo Fremde kooperieren. Das „Oikos“-Modell (Haushalte/Familie), könnte man als die gute private Haushaltung bezeichnen. Das Polis-ähnliche Modell ist die tragende konzeptionelle Basis der selbstorganisierten Wirtschaft. Es ist gegen Herrschaft gerichtet, also ein bürgerliches Modell (die Bürgerstadt). Wenn also einzelne private Markteilnehmer („Oikos") Marktmacht über andere ausüben, zerbricht die Polis-Freiheits-Struktur. Es entstehen Herrschaftsstrukturen.

P.S.: Ich glaube in der mittelalterlichen Stadt hätte man diese Herrschaftsstruktur der „Miethaie“ zerschlagen und diejenigen mit Schimpf und Schande vor die Tore der Stadt gejagt, weil sie Unfrieden in die Stadt hineintragen. Eine Forderung nach einem Neuansatz von Raumplanung ist auch dringend geboten.

Heidemarie Heim | So., 5. Mai 2019 - 18:30

Ob linke oder rechtskonservative;-) Herzkammer, kann man Herr Meyers Ausführungen durchaus zustimmen. Der "gemeine Mieter" in Großstadt und Ballungszentrum gehört zunehmend zu einer gefährdeten Spezies;(. Nur mit dem "politischen Artenschutz" hapert es trotz wechselvollen wie bunten Regierungskoalitionen wohl gewaltig. Es sind eben nicht nur schamlos gierige Vermieter,
eiskalte Fondmanager, Heuschreckenplagen oder smarte Bauunternehmer mit eigenem Lear-Jet, sondern eine Politik und eine Gesetzgebung, die diesen asozialen Auswüchsen Raum und Rahmen boten. Gegenmaßnahmen wie Enteignung bei mehr als 3000 Wohnungen? No problem für unser globales Firmengeflecht,teilen wir doch locker auf!
Welcher politische Mietpreisbremsen-Revoluzzer
unter den derzeitigen Artenschützern ist befähigt, mehr als nur an der Oberfläche des Problems zu kratzen? In Berlin sollte man sich architektonischen BER-Rat aus China einholen bzw. die Bauruine in Wohnungen mit eignem Regierungsterminal umwandeln;-)FG

Jürgen Keil | Mo., 6. Mai 2019 - 10:43

Ich kann die Empörung verstehen. Aber es gibt noch mehr Formen der Enteignung. Die hohen Strompreise für eine umstrittene Energiewende. Die Nullzinspolitik als letztendliches Ergebnis der Bankenspekulationen vor 2008 und auch noch heute. Der Wertverlust meines Diesel- PKW, den ich als umweltfreundlichstes Modell gekauft hatte. Das empört mich auch. Aber trotzdem will ich den, persönlich erlebten sozialistischen Staat nicht noch einmal. Soziale Marktwirtschaft bedingt, ja auch die Einflußnahme des Staates. Aber eines Staates, der von Menschen geführt wird, die sich durch Intelligenz, Sachkenntnis und geeignete Charaktereigenschaften für Staatsfunktionen empfohlen haben und nicht durch Parteitreue, Beziehungen und ideologische Korrektheit.

Lars Freudenberg | Mo., 6. Mai 2019 - 15:05

Ich kann verstehen das hier viele so denken und in bestimmten fällen wehre es vielleicht sogar gerechtfertigt, allerdings sollte man am Wohnungsmarkt doch bitte genau hinschauen, wo das Problem herkommt. Das Problem ist der niedrig Zins der EZB und die Enteignung der Sparer die aus dieser Konsequenz in den Wohnungsmarkt gehen, die würde es auch erwischen und eben nicht nur die schwarzen Schafe, die es sicherlich gibt. Wehr enteignet werden kann investiert auch nicht in neue Wohnungen.

Heidemarie Heim | Mo., 6. Mai 2019 - 17:01

Antwort auf von Lars Freudenberg

Da haben Sie recht werter Herr Freudenberg! Es bringt absolut nichts mit radikalen Mitteln mögliche Investoren zu verschrecken. Aber man sollte seitens der Politik mithilfe brauchbarer Gesetzgebung Grenzen setzen, bzw. eine gewisse Steuerung nicht aus der Hand geben. Ob das bisherige Versagen am allgegenwärtigen wie mächtigen Lobbyismus lag, an der für Sparer und Altersvorsorge Betreibenden verheerenden Zinspolitik, oder an den tausenden Bauvorschriften, Bürokratie die eine einfache Planung, Umsetzung verhindern sowie energetische Vorgaben, bei denen unter 12€ qm Mietkosten gar nicht mehr zu realisieren sind, ist Sache der Politik.z.B. angefangen in der Kommune, die Flächen nur ausweist, wenn ein Teil der entstehenden Wohnungen sozial gebunden werden können oder genossenschaftlich genutzt. Das hätte auch eine sozial gesunde Mischung des "Viertels" zur Folge. Die Niederlande machen schon lange vor, wie man schnell und einfach bauen kann. "Ein" Bau-Plan, eine Genehmigung und fertig! MfG

Tomas Poth | Mo., 6. Mai 2019 - 17:01

Wird da nicht etwas zu schlicht argumentiert? Es sind auch vielfach Pensions- und Rentenfonds die das angesparte Kapital der Arbeitnehmer in Wohnungsobjekten anlegen, um später die Pensions- und Rentenansprüche bedienen zu können.
Bei dem Menschenzuwachs in den Metropolen müßte der Wohnungsneubau schneller nachfolgen, hier liegt ein großes Problem. Der knappe Boden sollte vielleicht in den Städten nur oder wenigstens vorzugsweise an Wohnungsbaugenossenschaften vergeben werden die ein anderes, preisgünstigeres Model haben als die privaten Wohnungsunternehmen.

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