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(Michael von Aulock) Yann Arthus‑Bertrand möchte sagen: "Au revoir, c’est fini!"

Yann Arthus‑Bertrands letzte 24 Stunden - Mit einem Lächeln

Warum der Fotograf und Filmemacher Yann Arthus‑Bertrand alles, was er besitzt, verschenken wird

Mein nächster Film wird davon handeln, was es heute heißt, ein Mensch zu sein. Ein Mensch zu sein heutzutage, bedeutet, dass man von Umweltzerstörung und Klimawandel weiß, von der Wirtschaftskrise und von der Armut in der Dritten Welt. Und man weiß auch, dass man Teil des Ganzen ist, dass man diese Dinge unterstützt, auch wenn man es nicht will. Ein Mensch zu sein, bedeutet aber auch, dass man seiner Familie gegenübertritt und seinem eigenen Tod ins Angesicht schaut.

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Kürzlich starb eine meiner engsten Freundinnen. Und sie tat das mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie musste sich keine Sorgen über Dinge machen, die sie versäumt hatte. Sie hatte ein erfülltes, glückliches Leben. Sie war viel gereist, hatte immer versucht, ein guter Mensch zu sein, sie wurde geliebt. Das zu beobachten, war wunderschön.

Wenn ich nur noch 24 Stunden zu leben hätte, würde ich also versuchen, der bestmögliche Mensch zu sein. Grundsätzlich sind wir nicht besonders gut, meistens denken wir nur an uns selbst. Ich werde mich nicht beschweren, sondern versuchen, mich meinem Schicksal zu ergeben. Wenn du selbst stirbst, ist das viel weniger dramatisch, als wenn deine Frau stirbt oder eines deiner Kinder.

Vor nicht allzu langer Zeit, bei Dreharbeiten in New Orleans, hatte ich einen Hubschrauberunfall. Plötzlich befanden wir uns im Sinkflug. Der Pilot und ich versuchten erst, den Absturz aufzuhalten, und dann, dem Helikopter zu entkommen. Beides war nicht möglich. Hubschrauber sind sehr gefährlich, man hat viele Unfälle mit ihnen. Deswegen ist es auch so unglaublich teuer, sie versichern zu lassen. Ich war mir sicher, dass ich sterben würde.

Wir hatten unglaubliches Glück, als der Helikopter zu Boden stürzte. Wir kamen beide mit dem Leben davon, was an ein Wunder grenzte. Das Glück, das man in einem solchen Moment empfindet, ist schwer zu beschreiben. Die Rettungssanitäter kamen, und man steckte uns in ein Krankenhaus. Ich war so glücklich, dass ich mich fühlte, als sei ich betrunken. Ich wollte nur zwei Dinge tun: meine Frau anrufen und ein Glas Wein trinken. Ich fragte die Krankenschwestern so lange nach dem Wein, dass sie mir irgendwann entnervt ein paar Schlafmittel gaben, um mich ruhig zu stellen. Der Wein bedeutete Freundschaft für mich – mein Land, das Terroir, der Boden, von dem ich stamme. Ich wollte trinken wie ein Betrunkener. Ich habe diesen Moment nie vergessen. Das Wissen, dass man im Begriff ist zu sterben, löst ein unglaublich starkes Gefühl aus.

An meinem letzten, dem perfekten Tag werde ich alles, was ich besitze, verschenken. Ich werde mit meinen Freunden und mit meiner Familie sprechen, mit meinen Eltern, meiner Frau und meinen Kindern, und versuchen, Wiedergutmachung zu leisten für die Sachen, die ich falsch gemacht habe. Ich werde ihnen sagen, dass ich sie liebe. Wir sind alle so ehrgeizig und versuchen, so viel zu erreichen, aber ich glaube, dass am Ende geliebt zu werden alles ist, was wir wollen.

Um einen solchen letzten Tag zu leben, muss man den Tod akzeptieren. Er ist eines der Dinge, die man am schwersten akzeptieren kann. Aber es ist normal zu sterben. Jeder von uns muss es. Der Tod ist der wahrscheinlich wichtigste Teil unseres Lebens. Auch ich möchte mit einem Lächeln auf den Lippen sterben. Ich möchte sagen können: Au revoir, c’est fini, j’ai bien vécu. Ich habe alles getan, was ich konnte.

Mit atemberaubenden Luftbildaufnahmen und Filmen, die die Zerstörung der Erde dokumentieren, ist der Pariser Fotograf und Umweltaktivist Yann Ar thus-Ber trand, Jahrgang 1946, weltbekannt geworden. Im Herbst erscheint sein neuester, so schöner wie erschreckender Film „Planet Ocean“, der sich mit dem beginnenden Kollaps der Weltmeere auseinandersetzt

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