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(picture alliance) Weltgrößtes Publikumsfestival: Die Berlinale gehört zu den drei größten Filmspektakeln der Welt

Filmfestival - Wo steht die Berlinale international?

Am 9. Februar beginnen die 62. Internationalen Filmfestspiele Berlin. Seit Jahren schon wetteifern die großen Festivals um Stars und Renommee. Wo steht Berlin im Vergleich zu Cannes und Venedig?

Am morgigen Donnerstag startet die Berlinale, im Mai folgt das Filmfestival im französischen Cannes, Ende August wird der rote Teppich im italienischen Venedig ausgerollt. Es gibt neben ihnen viele andere Festivals, doch diese drei sind die bedeutendsten der Welt. Sie beargwöhnen einander, konkurrieren miteinander und haben zugleich alle ihre Eigenheiten. Ein Vergleich der drei Großen lohnt.

Was macht die Berlinale unverwechselbar?

Bei weltweit Hunderten, wenn nicht gar Tausenden von Filmfestivals pro Jahr Alleinstellungsmerkmale zu finden, ist gar nicht so einfach. Nicht mal an der schmalen Spitze. Eines allerdings hat die Berlinale allen voraus: Sie ist das weltgrößte Publikumsfilmfestival mit angeschlossenem Wettbewerb.

Im ersten Dezennium seiner Regentschaft hat Festivaldirektor Dieter Kosslick die Berlinale zum alle Generationen umfassenden Riesen-Filmereignis ausgebaut. Der Reihe nach: Die Allerkleinsten sitzen zwar noch nicht vor der Leinwand, werden aber, damit ihre Eltern Filme gucken können, im Berlinale-Kindergarten betreut. In den beiden Generation-Sektionen gibt es Filme für Kinder und Jugendliche, im Talent Campus trifft sich der Filmemacher-Nachwuchs. In der Reihe Perspektive Deutsches Kino präsentieren hiesige Filmemacher ihre Erstlinge. In der Retrospektive wird Filmkunst pur, im Kulinarischen Kino zusammen mit den Kreationen von Spitzenköchen genossen, und im immer weiter wachsenden European Film Market wird eifrig mit der Ware Film gehandelt. Nicht zu vergessen die traditionellen Hauptreihen Wettbewerb, Forum und Panorama.

All dies verschmilzt in Berlin zu einem kreativ-konsumtiv-merkantilen Gesamtkunstwerk, das alljährlich Zehntausende anzieht. Die Metropole im Hintergrund tut ein Übriges, vor allem im Blick auf die großen Festivalkonkurrenten Cannes und Venedig. Das südfranzösische Städtchen mag Sonne und Meer haben, döst aber, wenn nicht im Mai Filmfest ist, winters als Rentner- und sommers als Touristenparadies vor sich hin. Das norditalienische Venedig protzt ebenfalls mit Sonne und Meer, aber das Festival auf dem Lido nutzt – in einer seit Jahren bejammernswerten Baustellensituation – im September nur mehr die Kulisse der touristisch ganzjährig überfluteten und kaum mehr originär bewohnten Lagunenstadt.

Dennoch: Es gibt, mit der traditionellen Eiseskälte im Februar, auch ein unschönes Alleinstellungsmerkmal der Berlinale – und das seit nunmehr 34 Jahren, als sie von Juni/Juli in den Februar umzog. Muss aber so sein, wegen des zeitlichen Abstands zu Cannes und Venedig. Wollte man gar eine saubere Dreimonatspause zwischen den Großfestivals herstellen, wäre ein Berlinale-Termin Mitte Januar ideal. Aber wer will schon für Tausende von Profis, die sich auf solch ein Mammutereignis vorbereiten müssen, Weihnachten und die Erholungsstille zwischen den Jahren abschaffen?

Seite 2: Warum kommen weniger Stars als nach Cannes oder Venedig?

Wenn die Berlinale so attraktiv ist: Warum kommen weniger Stars hierher als nach Cannes und Venedig?

Mittelmeer statt Moabit, Lagune statt Landwehrkanal: Klar, Kulisse und Klima sind ein wichtiger Grund. Der Schwund an Hollywoodstars aber, ein ernstes Problem des Festivals, liegt überwiegend an der Vorverlegung der Oscar-Verleihung um mehrere Wochen, erstmals im Jahr 2004. Vorher nutzten die Studios die Berlinale rund um die Verkündung der Oscar-Nominierungen als perfekten Werbeauftritt. Heute müssen die Stars der bereits vor der Berlinale nominierten Filme bei diversen Oscar-Dinners in L. A. und anderswo die alles entscheidenden Academy-Mitglieder bei Laune halten. So gilt längst Venedig im Herbst als ideale Startrampe für oscarverdächtiges Filmgut, gemeinsam mit dem unmittelbar darauf folgenden Festival in der kanadischen Millionenmetropole Toronto.

Cannes wiederum hat mit seinen weltberühmten Stufen, die in den zwar hässlichen „Bunker“, aber schnurstracks in den Weltruhm führen, unangefochten eigenen Starappeal. Jeder weiß: No-Shows von eingeladenen Filmprotagonisten hätten dort, diplomatisch formuliert, deren Nichtbeachtung auf Restlebenszeit zur Folge.

Berlin weiß sich zu helfen. Dieses Jahr versammelt es etwa Meryl Streep, Angelina Jolie, Shah Rukh Khan und Robert „Twilight“ Pattinson für Auftritte außerhalb des Kern-Wettbewerbsprogramms – und wer mag dann immer streng fragen, ob auch die Qualität ihrer Filme in angemessenem Verhältnis zum PromiRummel steht. Andererseits schmücken deutsche, vor allem durch die Berlinale gemachte Stars den Wettbewerb: diesmal etwa Nina Hoss, Jürgen Vogel, Lars Eidinger und Corinna Harfouch. Wem das nicht genug ist: Das ganze Jahr feiern Großverleiher rentabler Titel ihre Europa- oder Deutschlandpremieren mit Glanz und Allotria in Berlin. Allerdings abseits der am hellsten leuchtenden Scheinwerfer – abseits der Berlinale.

Und wie konkurrieren die drei Top-Festivals in ihrer Königsdisziplin, dem Wettbewerb?

„Filmgeschichte wird im Wettbewerb geschrieben“, notierte der Kritiker Michael Althen einmal – und tatsächlich, über das Profil eines großen Festivals entscheidet nicht die noch so löbliche Breite des Angebots, sondern die Spitze. Welche Entdeckerlust zeichnet die Auswahlkomitees aus? Welche Weltkarrieren von Künstlern und welche Erfolgsgeschichten von Filmen verknüpfen sich mit welchen Festivals? Vor allem: Welche Bindungskraft entwickeln sie, wenn es um die ganz Großen des Kinos geht? Hier stand die Berlinale zuletzt nicht gerade glücklich da, und das Festival und mit ihm sein insgesamt so sonnig agierender Direktor waren zunehmender Kritik ausgesetzt. Bei 6.000 Einreichungen gab es schon mal rekordverdächtig wenige Filme im eigentlichen Wettbewerb, die zudem überwiegend nicht überzeugten – wie musste erst das übrige Material beschaffen sein?

Im vergangenen Jahr wurden diese Strukturprobleme, die auf das Schicksal der Filme im Alltag durchschlagen, am krassesten deutlich, intern und erst recht im Vergleich zu Cannes und Venedig. Alle 20 Wettbewerbsfilme in Cannes, ob von Lars von Trier oder von Pedro Almodóvar, Terrence Malick oder Nanni Moretti, starteten dort ihre Weltkarriere: Allesamt kamen sie in Frankreich ins Kino, drei Viertel davon mit durchschlagendem Erfolg – acht Titel wurden auch hierzulande gestartet, wenn auch in der Regel mit weitaus bescheideneren Ergebnissen als im Filmkulturland Nummer eins. Und Venedig? Rund die Hälfte der 23 Wettbewerbsbeiträge, darunter Filme von Roman Polanski, David Cronenberg, George Clooney, Marjane Satrapi und der „Faust“-Siegerfilm von Alexander Sokurow, setzte sich international durch, mit ordentlichen Zahlen auch in Deutschland.

Seite 3: Welchen Platz erreicht die Berlinale?

Von den 16 Wettbewerbstiteln der Berlinale dagegen bleibt nicht viel mehr als der Bären-Sieger „Nader und Simin“ sowie der vom Sundance-Festival übernommene „Margin Call“. Und: Selbst hierzulande kamen nur fünf weitere Wettbewerbsfilme ins Kino, laborierten dort in Sachen Zuschauerzahlen allerdings nahe der Nachweisgrenze.

Das Debakel ist den genannten unabwendbaren Wettbewerbsnachteilen der Berlinale, aber auch ein paar hausgemachten Gründen geschuldet. Teils dürfte die jahrelange Bestellung künstlerisch nicht durchweg kompetenter Jurys manchen Interessenten vom Gang nach Berlin abgehalten haben. Immer wieder wird auch Festivaldirektor Kosslick zwar für seine Manager- und vor allem filmfamilienväterlichen Qualitäten gerühmt, nicht aber für jene cineastische Leidenschaft, die Filmkünstler erst an bestimmte Festivals bindet. Schließlich: Das alljährlich mit einigem Stolz präsentierte politische Engagement gerade bei der Zusammenstellung des Wettbewerbs, zwar heutzutage kein Alleinstellungsmerkmal großer Festivals mehr, richtet sich gegen die Macher, wenn die künstlerische Qualität der Filme nicht überzeugt.

Wo steht die Berlinale im Prestige-Ranking der drei Großen?

Dieter Kosslick selber sieht sein Festival derzeit hinter Cannes und Venedig auf Rang drei. Auch wenn es dafür keinen objektiven Gradmesser gibt: In den letzten zehn Jahren war das nicht immer so. Cannes war die Poleposition zwar auch in den kurz unruhigen Jahren des Generationswechsels vom ewigen Programm-Papst Gilles Jacob zu Thierry Frémaux zwar nie zu nehmen, dafür wirkte Venedig umso angeschlagener. Vor allem in den schwungvollen ersten Kosslick-Jahren kämpfte Venedig mit dauernden Wechseln in der Festivalspitze, bis Marco Müller dem Ereignis am Lido durch ein ehrgeiziges Programm wieder Respekt verschaffte.

Derzeit mag Berlin seinen klar medaillentauglichen Platz unter den Großen auch deshalb halten, weil das oscar-günstig gelegene Toronto nach wie vor auf einen Wettbewerb verzichtet. Andererseits strengt sich die Berlinale selber sichtbar an, um auch über ihre genuine Attraktivität hinaus weiter vorn mitzumischen. Die Wettbewerbsjury mit dem Präsidenten Mike Leigh versammelt ausschließlich klingende Namen, und alle 18 Filme im Wettbewerb sind Weltpremieren. Auf derart strenge Besetzung der Jury nur mit Künstlern konnte man sich bislang eher in Cannes verlassen, und das Prinzip Weltpremiere im Wettbewerb wurde in Venedig vom scheidenden Marco Müller besonders hochgehalten. So schnell kann's gehen: Zwei – anderweitige – Alleinstellungsmerkmale weniger.

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