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Moderatoren-Karussell - Immer den Geldscheinen nach

Gestern noch „Tagesschau“-Sprecher, heute schon das neue Gesicht des Bällchensenders. Der Wechsel von Marc Bator zu Sat.1 zeigt, dass der Bekanntheitsgrad eines Moderators inzwischen fast jeden Fehlgriff legitimiert. Eine kleine Typologie der Auf- und Absteiger.

Antje Hildebrandt

Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Es ist noch gar nicht so lange her, da konnte man mit geschlossenen Augen eine beliebige Taste auf der Fernbedienung drücken –  und man wusste sofort, wo man gelandet war. Ein Sender, das war die Summe seiner Gesichter.

Wo ZDF draufstand, waren Thomas Gottschalk, Hansi Hinterseer oder Johannes B. Kerner drin. Mainzelmänner, allein zu Haus. Für RTL gingen Markus Lanz oder Inka Bause dahin, wo es wehtut. Und Sat.1, das waren Dirty Harry und eine Pflaume, die sich Kai nannte.

Inzwischen trifft man sie vor anderer Tapete. Markus Lanz ist der neue Gottschalk. Sat.1-Kai hat Jörg Pilawa im Ersten beerbt. Dirty Harry laboriert jetzt da, wo der Pfeffer wächst, im Bezahlfernsehen  (Sky). Und falls Sie sich jetzt fragen, wer da noch den Überblick behalten soll, seien Sie versichert: Das war erst der Anfang.

2013 dreht sich das Moderatoren-Karussell so schnell, dass es Zuschauer mit lückenhaftem Gedächtnis schwer haben werden, sich im Programm-Dschungel zurechtzufinden. Die Moderatoren denken gar nicht daran, das Trikot ihres Senders so lange durchzuschwitzen, bis es eines Tages vielleicht auf einen Bügel ins Haus der Geschichte wandert, neben die berühmte Kanzler-Strickjacke.

Es ist wie mit den Fußballspielern: Die wechseln auch, sobald ein anderer Verein mit einem dickeren Geldscheinbündel winkt. Die Fans sehen es ihnen nach. Fußball ist ein Mannschaftssport. Auf das Team kommt es an. Das ist im Fernsehen anders. Hier hängt die Einschaltquote weniger vom Sender als vom Format und von der Person des Moderators ab.

Und ob der ohne Kratzer den Sender wechseln kann, hängt von vielen Faktoren ab. Welche das sind, verrät unsere Typologie der Moderatoren.

Der Mann ohne Eigenschaften:

Wenn er durch irgendetwas auffällt, dann durch seine Unauffälligkeit. Seine Blässe ist sein Kapital. Wer kein Gesicht hat, kann es auch nicht verlieren, wie der Fall Marc Bator zeigt. Die Öffentlichkeit hat ihn erst so richtig wahrgenommen, als er nach dreizehn Jahren die „Tagesschau“ verließ. 

Bator musste sich nicht grämen. Einer wie er konnte sich in dem Glauben wiegen, er könne überall unterkriechen. Okay, bei Sonnenschein-TV hätten sie ihn wohl nicht genommen. Aus einem Redaktionsbeamten wird kein Reise-Restposten-Verramscher. 

Doch die  Breaking News  bei Sat.1 wird man ihm schon abkaufen. Neues von der Fußpilzfront in  Freibädern. Oder eine Studie zum Sommerloch. Damit er nicht selber in eben jenem Loch verschwindet, hat er mit sonorer Nachrichtensprecher-Stimme angedroht, er wolle sein Image künftig auch in die Unterhaltung „transferieren“. Man sieht das Format schon vor sich. Frag doch mal den Marc. Genial daneben. 

Der Smartie

Man wird nicht dümmer, wenn man täglich Quiz-Shows guckt. Man wird aber auch nicht klüger, wenn man sie jahrelang moderiert. Man erscheint nur so.

Oder warum hat das ZDF den Einkauf des Quizonkels Jörg Pilawa 2010 so euphorisch gefeiert, als sei  in der Ablösesumme auch schon die Option auf den Nobelpreis enthalten gewesen?

Dabei lieferte der Smartie im Zweiten nichts anderes als das, was er davor jahrelang im Ersten gemacht hatte: Quiz, Quiz und noch mal Quiz. Nur saßen jetzt in der Prime Time mehr Zuschauer vor dem Schirm. 

Das nennt man Erfolg durch Redundanz. a), b), c) oder d). Die Wiederkehr des Immergleichen. Dumm nur, dass das irgendwann sogar ihn langweilte. 

Ausgerechnet zur 50-Jahrfeier des Senders verkündete Pilawa im März, er hätte Lust, etwas Neues auszuprobieren.  Für die Mainzelmänner war das eine schallende Ohrfeige. Hatte man ihm nicht zuvor angeboten,  „Wetten, dass ...?“ zu übernehmen? Und hatte er dieses Angebot nicht  abgelehnt?

Vielleicht war das ein Fehler. Man kann ein Image nicht zementieren. Es kann dann zum Bumerang werden. Zum Jahresende kehrt Pilawa  zur ARD zurück. Er wird auch dort auch wieder das machen, was er am besten kann. Dreimal dürfen Sie raten. Es fängt mit Q an und hört mit z auf.

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Super-Woman

Okay, sie singt Lieder, von denen einige Menschen Hautausschlag bekommen. Und ja, sie bräuchte eine  Trittleiter, um den Alpha-Gorillas in ihrer Branche auf Augenhöhe zu begegnen, bei 1,58 Meter. Doch wahre Größe hat sich noch nie in Zentimetern bemessen.

Helene Fischer gilt als Glücksfall für die Fernsehunterhaltung. 28 Jahre jung, eine Stimme wie eine Nachtigall, eine Power wie eine Iron-Frau. Die perfekte Projektionsfläche für Planspiele.

Sie hat den Schlager reanimiert. Ihr traut das ZDF noch andere Wunder zu. Eine wie sie, so das Kalkül,  könnte die Fans von Rosamunde Pilcher mit den Freunden der Volksmusik vereinen. Der Sender strickt schon an einem Konzept für eine Show. Es soll der ganz große Wurf werden. Wenn die schöne Helene Pech hat, muss sie Gehörlose integrieren und zugleich den Fernsehgarten rocken.

Die Blufferin

Super-Nannys und Schuldenberater kamen und gingen, doch sie blieb: Inka Bause. Die ambulante Krankenschwester. Die Konfliktmanagerin. Seelsorge to go.  

Seit 2005 verarztet sie für RTL alleinstehende Männer, die aus Mangel an Alternativen mit sich selber reden oder mit den Kühen im Stall. Die Single-Quote in der Landwirtschaft hat sie damit zwar nicht  gesenkt, doch hat das außer den Kandidaten der RTL-Show „Bauer sucht Frau“ ernsthaft jemand erwartet?

Jetzt hat das ZDF noch größere Pläne mit ihr vor. Alleinstehende Bauern sind nicht die einzigen, die jemanden zum Reden brauchen. Wer kümmert sich um die Jeremy-Pacals und die Cheyennes, die seit Ende des Nachmittagstalks bei Sat.1 heimatlos geworden sind? Wer spendiert ihnen den so dringend benötigten Vaterschaftstest?

Das ZDF gibt sich optimistisch: Inka wird das Kind schon schaukeln. Nach ihrem Aushilfsjob als Animateurin auf dem „Traumschiff“ (ZDF) ist dieser Job zwar ein Abstieg. Lovely Inka kann das Vertrauen der Zuschauer nur verspielen. Doch wie man sie kennt, wird sie eine angemessene Entschädigung herausgehandelt haben. Wer würde den Gaul sonst reiten, bis er tot zusammenbricht?

Der Tausendsassa

Der Weggang von Jörg Pilawa hat das ZDF in arge Bedrängnis gebracht. Wer soll jetzt die Millionen retten? Und was wird aus der Samstagabendunterhaltung?

Wie ausweglos die Situation ist, zeigen die Spekulationen über eine Rückkehr von Johannes B. Kerner. Für alle die, die jetzt fragen, Johannes B., wer? Das war der Typ mit dem Nackenspoiler, der seine Energie so weit herunterfuhr, dass er ohne zu schwitzen an drei Fronten kämpfen konnte. Kerner kochte. Kerner talkte. Kerner kommentierte Fußballspiele.

Den älteren Zuschauern fiel vielleicht vielleicht gar nicht auf, dass er 2009 plötzlich zu Sat.1 verschwand. Erstens hätten viele gar nicht gewusst, wo sie den Sender auf ihrer Fernbedienung suchten sollten. Zweitens nickten sie auch ein, ohne dass sie JBK mit seinen Bandwurmsätzen einlullte.

Vielleicht erklärt das, warum das ZDF jetzt laut darüber nachgedacht hat, ausgerechnet ihn zurückzuholen. Mit Kerner ist es wie mit Persil: Man bekommt die Pflege, die man erwartet. Nicht mehr und nicht weniger. Kerner ist kein Kreuzworträtsel, aber wenigstens weiß man, was man hat. Guten Abend!

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