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Eheleute Wulff - Vom Ende eines strategischen Abkommens

Die Eheleute Wulff scheitern, wie sie einst begannen: treudeutsch und auf bunten Seiten. Vom Ende einer Neigungsehe, der die Neigung abhanden kam

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Nun kam es, wie es kommen musste. Wieder einmal ist eine Geschichte erst dann erzählt, wenn sie ihr schlimmes Ende genommen hat. Wieder einmal geben die nunmehr gewesenen Eheleute Wulff allen Recht, die es schon immer wussten, bestätigen sie Vorurteil und Klischee. Noch im finalen Akt scheitern da zwei Menschen auf dem kleinen Verfahrensweg: kein Höllensturz, keine Tragödie, sondern eine treudeutsche Trennungsvereinbarung markiert den Schlussstrich. Das Großburgwedeler Klinkerhaus, über dem der Unstern stand, ist für Christian Wulff bereits Geschichte – Kleinbürgers Fratze leuchtet noch im Untergang.

Sie, die nunmehr gewesenen Eheleute Wulff, begannen ihr öffentliches Dasein auf den bunten Seiten. Dort werden sie jetzt enden. Der Boulevard, dem sie willig sich verschrieben, wird ihnen das letzte Geläut bereiten. Es war eine öffentliche Liebe, von der nur Öffentlichkeit blieb. Es war eine knapp fünf Jahre währende Neigungsehe, der die Neigung abhanden kam.

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Eine Zugewinngemeinschaft,  die keine Gewinne mehr abwarf. Als Bettina Wulff eine irritierend gute Figur machte weit neben dem gerade zurücktretenden Ritter von der hageren Gestalt, an ihrem letzten öffentlichen Vormittag am 17. Februar 2012 auf Schloss Bellevue, war die Trennung schon räumlich vollzogen. Ihr Bekenntnisbuch sieben Monate später war der abermals öffentliche Sargnagel auf eine Zweitehe, die keine erstklassige Rendite mehr einspielte. Mit dem Geständnis, Christian Wulff habe eigentlich nicht zu ihrem „Beuteschema“ gehört, hatte sie ihre Unterschrift unter die Trennungsvereinbarung bereits damals gesetzt. Nun, am 7. Januar 2013, folgte die seine offiziell nach.

Seite 2: Die Wulff-Inszenierung war damals schon falsch und anmaßend

Der Fall der Wulffs ist ein Sittengemälde aus einer Zeit, die sich über diese oder jene Sitten nicht mehr zu echauffieren vermag. Sie kamen zusammen, die beiden Niedersachsen, aus wohl eher strategischen Gründen. Entkleidet man die Liebesbekundungen und das penetrante  Gekos‘ und Geschleck‘ des rhetorischen Überschusses, dann bleibt abseits von Bobbycar und Kreditvertrag und Inselurlaub der bedrückend konventionelle Befund: Eine Frau wollte nach oben, ein Mann wollte raus. Täglich tausendfach bringen solche Motive Menschen zueinander und wieder auseinander. So geht es zu, im Liebesgeschäft. Im Fall der Wulffs aber war es Kern einer Inszenierung, die mit allerlei politischem Floskeltum zum Projekt überhöht wurde.

Erinnern wir uns: Der CDU-Landespolitiker Wulff wollte den Beweis antreten, dass das Private auch unter konservativen Vorzeichen politisch sein kann und also vorbildtauglich. Er inszenierte sich und seine zweite Ehe als Musterbild einer achtsamen Zweierbeziehung im Zeitalter des Patchworks. Die auch im Rückblick noch unfassbar anbiedernde Weihnachtsbotschaft von 2011 zeigte Bettina Wulff im Kreise einer von Christian Wulff herbeizitierten Abordnung aus dem Volke. Christian Wulff hatte sich eine stumme Corona der verschiedenen Stände organisiert, weil er nur vor diesem Hintergrund ganz aufgehen konnte in seiner Lieblingsrolle – nicht in der Rolle des Bundespräsidenten, sondern in jener des Bundesvaters, des Bundespapis, des Mustergatten. Joachim Gauck sprach seine Weihnachtsworte nun allein vor Christbaum und Deutschlandfahne.

Die Wulff-Inszenierung war damals schon falsch und anmaßend. Nun ist sie als Lüge offenbart und zeigt: Wer das Private seiner Lebensumstände in die politische Arena führt, der scheitert politisch, wenn er privat untergeht. Wer sich zum Muster erklärt – Christian Wulff wollte immer Vorbild sein, man lese nur seine Bücher „Ich mach‘ mein Ding“ und „Besser die Wahrheit“ –, der hat abgewirtschaftet, sobald sein Musterdasein Risse bekommt. Wer politische Biegsamkeit durch öffentliche Amouren erden will, bleibt doch ein Fähnlein im Winde. Und unsere politische Elite ist genauso durchschnittlich, vorhersehbar und fantasielos wie wir alle. Das sind die Lehren aus der tragikomischen Geschichte von den gewesenen Eheleuten Wulff.

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