
- „Bei Thomas Mann ist alles Politik“
Zum 150. Geburtstag von Thomas Mann beleuchtet das Buddenbrookhaus sein Verhältnis zur Demokratie. Leiterin Caren Heuer erklärt im Interview, wie aktuell Manns politischer Wandel ist – und warum sein Werk heute neu gelesen werden sollte.
Caren Heuer studierte Germanistik, Politikwissenschaft und Soziologie. Seit Februar 2021 leitet sie das Buddenbrookhaus / Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum in Lübeck, wo ab dem 6. Juni aus Anlass des 150. Geburtstags von Thomas Mann die Ausstellung „Meine Zeit. Thomas Mann und die Demokratie“ gezeigt wird.
Frau Heuer, ein Schriftsteller, der wie Thomas Mann acht große Romane und über 30 Erzählungen hinterlassen hat, ist derart vielschichtig, dass man zu jedem Jubiläum eine ganz spezielle Facette herausstreichen könnte. Was ist es, das Thomas Mann 2025 aktuell hält?
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als das Bild, das Frau Heuer hier von Mann zeichnet – eine einseitige Parteinahme für Settembrinis politisierende Aufklärungsphilosophie findet sich darin nicht. Denn wie kommentiert Hans Castorp das – zunächst rhetorische – Duell Settembrini vs. Naphta: "Und mich regt es auf, solche Konfusion zu sehen, wie daß der eine die internationale Weltrepublik predigt und den Krieg grundsätzlich verabscheut, dabei aber so patriotisch ist, daß er partout die Brennergrenze verlangt und dafür einen Zivilisationskrieg führen will, – und daß der andere den Staat für Teufelswerk hält und von der allgemeinen Vereinigung der Horizonte flötet, aber im nächsten Augenblick das Recht des natürlichen Instinktes verteidigt und sich über Friedenskonferenzen lustig macht".
Sowie: "... sie sind beide Schwätzer. Der eine ist wollüstig und boshaft, und der andere bläst immer nur auf dem Vernunfthörnchen und bildet sich ein, sogar die Tollen ernüchtern zu können".
Es gibt ein typisches Missverstehen des Zauberberges, das sich auch in diesem Interview zeigt: Der Streit zwischen Settembrini und Naphta wird als Streit zwischen Demokratie und Autoritarismus gedeutet. Doch das ist so nicht richtig.
Denn da gibt es noch eine dritte Figur: Mynheer Peeperkorn. Er ist es, vor dem Thomas Mann vor allem warnen will! Denn in seiner Gegenwart kommt das Gespräch zwischen Settembrini und Naphta zum Verstummen. Peeperkorn ist derjenige, der weder rechts noch links ist, sondern alternativlos. Peeperkorn nimmt den Menschen das Denken ab und denkt für sie. Peeperkorn hält Rationalität für störend und bevorzugt die Emotionalität des wilden Tieres.
Naphta repräsentiert sicher autoritäre Züge, aber eher in einem konservativen Sinne. Er ist "rechts", aber noch demokratisch. Peeperkorn ist derjenige, bei dem man keine Wahl mehr hat, bei dem es kein Gespräch mehr gibt.
Mynheer Peeperkorn ist die große, aktuelle Warnung von Thomas Mann für unsere Zeit!