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Tambrea als Ludwig II - Vom Schloss aufs Arbeitsamt

Fast im Alleingang: Sabin Tambrea spielt die Hauptrolle in der Neuverfilmung des Lebens von Ludwig II. Doch auch ein König ist gegen die Unwägbarkeiten des Schauspielerlebens nicht gefeit

Autoreninfo

Irene Bazinger ist Theaterjournalistin und lebt in Berlin. Zuletzt gab sie das Buch „Regie: Ruth Berghaus“ heraus (Rotbuch-Verlag)

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Der „kini“ ist sein Schicksal: Sabin Tambrea sieht dem legendären König Ludwig II von Bayern selbst ohne Maske und Kostüm verblüffend ähnlich, ist genauso groß und leicht wie jener bei seinem Amtsantritt 1864. Und den schönen Künsten ist er ebenfalls kompromisslos ergeben. Kein Wunder, dass man in den Besetzungsbüros auf ihn aufmerksam wurde, als das Regie-Duo Peter Sehr und Marie Noëlle den Film „Ludwig II“ plante (Kinostart 26. Dezember). Aufgeregt war er bei den Castings schon, sagt Tambrea beim Gespräch in einem Berliner Lokal, „doch durch das, was ich zu diesem Zeitpunkt vom König wusste, vor allem über seine unendliche Liebe zur Kunst und sein Streben nach dem Unerreichbaren, hatte ich so ein stilles Einverständnis mit ihm. Dadurch fiel es mir nicht schwer, die Probeszenen einfach instinktiv aus mir heraus zu spielen. Da war nichts, was von mir sehr weit entfernt gewesen wäre.“

Das merkt man dem fertigen Film auch fulminant an, den Tambrea in unglaublich souveräner Weise nahezu im Alleingang zwei Stunden lang trägt. Ein Jahr hat er sich auf diese Rolle vorbereitet, vier Monate Reitunterricht genommen und an Sekundärliteratur gelesen, was möglich war. In Konkurrenz zu O. W. Fischer (bei Helmut Käutner, 1955) und Helmut Berger (bei Luchino Visconti, 1972) begreift er sich allerdings nicht: „Wir haben uns auf andere Aspekte der Figur konzentriert und wollten – durch den Schnitt, die Art der Sprache und der Bewegungen – einen modernen Ludwig für neue Generationen kreieren.“

Sabin Tambrea nimmt es gelassen, dass er in den nächsten Monaten, vielleicht sogar Jahren, mit dieser Rolle identifiziert werden wird. Er wirkt zurückhaltend, fast scheu, dabei aber sicher in dem, was er will. So musste er am Anfang die Absagen von mehreren Schauspielschulen verkraften – und ließ sich nicht beirren: „Ich dachte mir, dann hat die Prüfungskommission halt noch nicht gesehen, was in mir drinsteckt.“ Voll Euphorie schaffte er es an die renommierte Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, von wo ihn Claus Peymann 2009 gleich an sein Berliner Ensemble engagierte. Dass sich hierzulande nur rund 3 Prozent aller Darsteller von ihrem Beruf ernähren können, hat der hoch begabte Aufsteiger nicht vergessen.

Einen Vorgeschmack auf die prekären Bedingungen in seinem Metier erfuhr er direkt im Anschluss an die Drehzeit zu „Ludwig II“. Nach der letzten Klappe musste er aufs Arbeitsamt, denn am Berliner Ensemble, wo er wegen des Filmes gekündigt hatte, war eine Weile nichts für ihn frei. Die Umstellung von den königlichen Märchenschlössern, in denen nachts gedreht wurde, wenn der letzte Tourist abgezogen und die erste Putzkolonne noch nicht eingetroffen war, zurück in Sabin Tambreas Berliner Leben, „in dem ich meinen Kühlschrank füllen und die anderen Dinge des Alltags bewältigen muss“, war nicht leicht. Auch psychisch traf ihn ein veritabler Schmerz, „schließlich lässt man die Figur, die man spielt, äußerst nahe an sich heran. Und dann muss man sie gehen lassen, und das tut schon weh.“

Jetzt gehört er wieder zum Berliner Ensemble und kann unter der Regie von Katharina Thalbach in Shakespeares „Was ihr wollt“ selbst auf der Geige glänzen. Früher beherrschte er dieses Instrument respektive die Bratsche dermaßen gut, dass er diverse Preise beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ gewann. Aber irgendwann musste er aufgeben, weil er aus Angst vor den öffentlichen Auftritten in der Garderobe oft ohnmächtig wurde. Hingegen geigen seine Schwester und Eltern in verschiedenen deutschen Orchestern.

Die Familie stammt aus Rumänien, wo Tambrea 1984 geboren wurde. Während einer Konzertreise blieb der Vater in Österreich, weshalb bei seinen Angehörigen daheim der Geheimdienst klingelte und Einzelheiten wissen wollte. Der Vater holte über das Familienzusammenführungsprogramm Frau und Kinder 1986 nach, Tambrea wuchs in Marl und Hagen auf. Die Musik ist die „Grundessenz meines schauspielerischen Berufs“, sagt er, sie hilft ihm, jede Rolle jenseits der sprachlichen Bedeutungsebene wie eine Partitur zu lesen, ihre Pausen, Rhythmen, Spannungsbögen zu erforschen. Neben Deutsch und Rumänisch nennt er die Musik seine dritte Sprache. Doch wie auch immer er sich ausdrückt, bisher ist ihm eigentlich alles gelungen – was natürlich seinen Preis hat. Als er etwa die Zusage für den Part des Königs Ludwig erhalten hatte, war das „einer der traurigsten Momente“ in seinem Leben: weil der Traum in Erfüllung gegangen und damit verloren war. Jetzt tut er sich nach neuen Träumen um und hofft, „im ständigen Wechselbad zwischen Sehnsucht und Erfüllung“, das ihn emotional charakterisiert, bald wieder ein Glück zu finden. Vielleicht ja in der Inszenierung von Robert Wilson im April am Berliner Ensemble mit der nächsten Aufgabe, die ihm wie auf den zartgliedrigen Leib geschneidert scheint: Peter Pan, der ewige Träumer. Angst? Nein, lächelt Sabin Tambrea, es wird wie stets bei ihm sein: „Ich steige einfach aufs Seil und gucke, wie weit ich komme.“ 

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