Empfang des Fischer-Verlages für den PEN-Club im Frankfurter Hof im Jahr 1959 / Bild: Horst E. Schulze/BPK

Streit im PEN - Letzte Tinte

Einst machte sich der PEN für Verständigung stark. Doch aktuell tobt wieder mal ein Streit im Club. Ist die Idee vom moralischen Intellektuellen passé?

Ralf Hanselle / Antje Berghäuser

Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Wieder ein Streit. Wieder fliegen Fetzen: „Intellektuell überfordert“, pöbeln die einen seit kurzem gegen die anderen. „BDS-Sympathisanten“, erwidern die anderen wiederum den einen. Es ist kurz vor Weihnachten 2024. Ein verregneter Sonntagnachmittag. Der PEN Berlin hat zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung geladen. Im Internet. Bei Zoom, Tee und Plätzchen in der je eigenen Literatenstube. Die Tagesordnung liest sich zunächst wie die einer jeden anderen Vereinigung in Deutschland auch. Punkt 1: Begrüßung – Punkt 2: Wahl der Tagungsleitung, Beschlussfähigkeit, Versammlungsordnung – Punkt 3: Diskussion und Beschlussfassung.

Eine Routine nach grundgesetzlich zugebilligter Vereinigungsfreiheit und dem Gesetz für im Vereinsregister eingetragene Rechtspersönlichkeiten. „Hier lebe ich / und will auch einst begraben sein / in mein’ Verein“, spottete schließlich schon 1912 der Schriftsteller Kurt Tucholsky über diese noch immer recht deutsche Brauchtumspflege. Der übrigens, Tucholsky, war wie nahezu jeder gute Verfasser von Texten ab einer gewissen Schöpfungshöhe später selbst Mitglied in einem deutschen PEN. Routine im Literaturbetrieb.

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Albert Schultheis | Sa., 8. Februar 2025 - 19:23

PEN - Ist das wichtig oder kann das weg? Intellektuelle, Kunstschaffende, Schriftsteller, ... wenn ich schon die Ankündigungen höre, gehe ich Stiften. Kunst das war mal - heute nur noch Knust. Denn alles ist ge-rigged, wie die Ameriker sagen, ge-framed, wie die Deutschen sagen. Ein klares Statement, ein Bekenntnis ohne den üblichen Bullschitt kriegst du nur noch von deinem Sanitär, deinem Fliesenleger oder Heizungsmonteur. Die stehen mit zwei Beinen auf dem Erdboden und sie ernähren sich und ihre Familien aufgrund ihrer Hände Arbeit, ihres Handwerks - und sie sind gefragt, werden gebraucht. Die anderen, diese aufgeblasenen Popanze - keiner braucht die, und ihre Produkte braucht man noch viel weniger. Das kann alles weg. Ich glaube an die heilsame Wirkung von Kettensägen. Wenn das alles weg ist, kann vielleicht etwas Neues wachsen. Unterdessen nähren wir uns, überleben wir von dem, was unsere große Kultur und Tradition uns überliefert hat. Vieles davon hat zum Glück im Ausland überlebt

Sabine Lehmann | Sa., 8. Februar 2025 - 19:37

Vielleicht sollte man für all diese wohlfeilen Diplom-Choleriker den Fehde-Handschuh wiederbeleben. Dann können Sie ihre moralinsauren Zwistigkeiten bei einem zünftigen Duell im Morgengrauen austragen. Damit tatsächlich niemand zu Tode kommt, denn wer will das schon, könnte man ja statt Machete, Degen oder Pulvergeschoss eine moderne Paint-Ball-Waffe einsetzen und sich beschießen. Der Verlierer gibt ein Bier aus und schreibt seinem Kontrahenten ins nächste literarische Machwerk 100x den Satz "Ich hatte zwar unrecht, aber ich freue mich schon auf den nächsten Eklat"........
Manches is' halt a bisserl' wie im Kindergarten, gell?

Ernst-Günther Konrad | So., 9. Februar 2025 - 11:15

Die machen sich selbst obsolet. Würden die wenigstens emotionsfrei und halbwegs neutral ihre gegenteiligen Meinungen respektvoll vertreten und auch beide Sichtweisen neutral veröffentlichen, dann wäre wahrscheinlich auch die 40 ausgetretenen Autoren noch im Verein. So aber, beharrt jede Seite darauf, die einzige wahre Meinung zu vertreten und es spiegelt sich auch im PEN das wieder, was diese Gesellschaft inzwischen auch kennzeichnet. Spaltung in aller reinsten Form bei gelebter Nichtakzeptanz einer anderen Meinung. Deshalb auch meine Überschrift. Ich nehme es zwar zur Kenntnis, aber wirklich interessieren tut es einem nicht mehr, was die mal als intellektuell hoch stehenden Meinungen des PEN inzwischen ist. Und ein Deniz Yücel ist eine Aushängeschild dafür, dass Meinungsvielfalt nicht mehr gewünscht ist. Gerade mit diesem Mann verliert der PEN alle Achtung. Und das sage gerade auch als Wohnort Nachbar dieses für mich verwirrten Mannes.

Jens Böhme | So., 9. Februar 2025 - 12:01

Warum es PEN überhaupt gibt, wissen wohl deren Mitglieder auch nicht so genau. In dieser Literatenvereinigung festzustellen, dass man politisch unterschiedliche Auffassungen habe, muss dort anscheinend immer wieder neu aufgerollt werden. Dessen Zweck - Schutz und Freiheit von Kultur - scheitert ständig an politisch korrekten Animositäten. Somit scheitert auch die Freiheit von Kultur in und an sich selbst.