
- Diese Lücke, diese entsetzliche Lücke
Jürgen Habermas will mit seiner Kritik an den sozialen Medien eine Kluft in seinem Werk schließen. Und Richard David Precht und Harald Welzer sehen Abgründe zwischen Volk und Medien. Alle drei sehen die Demokratie gefährdet - wenngleich aus unterschiedlichen Richtungen.
Seit mindestens 20 Jahren klafft eine Lücke im Lebenswerk des „mit Abstand bekanntesten Philosophen“ (Precht/Welzer) Deutschlands. Seit rund 60 Jahren arbeitet Jürgen Habermas am Projekt der „deliberativen Demokratie“. Er versuchte nicht nur zu begründen, warum die Rationalität ins menschliche Miteinander immer schon eingebaut ist, sondern wie dieser Impuls in Entwicklung und Sicherung einer demokratischen Gesellschaft überführt werden kann. Im Zentrum steht bei ihm dabei vor allem eine Instanz: die Öffentlichkeit. Sie ist der Ort, an den die „Zivilgesellschaft“ ihre Anliegen auslagert, auf diese Weise die Politik „belagert“ und so Diskurse und Entscheidungen erzwingt.
Damit dies auf rationale Weise gelingt, braucht es eine ebenso rational strukturierte Öffentlichkeit. Sie ist das Medium, durch das die Bürgeranliegen in einer Massengesellschaft hindurchmüssen. Und da liegt das Problem: Mit dem Aufkommen der sozialen Medien und einem „neuen Strukturwandel der Öffentlichkeit“ darf man Zweifel haben, dass dies noch möglich ist. Zur Disposition steht vielleicht die deliberative Demokratie – und damit das Lebenswerk von Habermas.