
- Der Schmerz der Anderen
Das Private wird immer mehr politisch, vor allem wenn es um persönliche Leiderfahrungen geht. Doch die Politisierung führt teils zu absurden Verbotsforderungen, mit denen zum Beispiel Rassismus bekämpft werden soll, aber eigentlich befördert wird.
Mit Schmerz kann man keine Politik machen, schrieb Hannah Arendt einmal. Denn der Schmerz ist eine derart subjektive Empfindung, dass man ihn automatisch zerstörte, wenn man ihn in das Licht der Öffentlichkeit zerren würde. Denn sobald man versucht, den Schmerz zu beschreiben, ihn als einen greifbaren Gegenstand darzustellen, mit dem man Politik machen kann, verliert das Gefühl nicht nur seine Glaubwürdigkeit. Derjenige, der den Schmerz empfindet, verliert auch seine gesamte Privatsphäre, indem er seine intimsten Empfindungen der Öffentlichkeit zur politischen Bewertung preisgibt.
Im Stern schrieb eine junge Autorin einmal einen Text über den Tod ihres Vaters. Sie erklärte, wie ein Leben in dieser Welt unmöglich für sie geworden sei, weil ihr Umfeld ihren Schmerz nicht nachvollziehen konnte. Wie sie immer wieder die Arme über der Brust verschränkte, weil sie das Gefühl hatte, dass ihr Oberkörper auseinanderbrechen würde. Kurz: Sie versuchte, einen Schmerz zu schildern, den man eigentlich nicht beschreiben kann, weil es für ihn keine Worte gibt.