Porträt Ingird Noll in hellblauer Bluse
„Als mir als Kind meine Puppe aus dem Garten geklaut wurde und Gott sie nicht zurückbrachte, wurde ich misstrauisch“ / Zino Peterek

Die letzten 24 Stunden von Ingrid Noll - Im Sommer, im Garten, mit Hummer, Wein und einem Streichelzoo

Die Krimi-Autorin Ingrid Noll über ihre idealen letzten Lebensstunden mit Gedichten von Gottfried Keller, Kantaten von Bach und Édith Piafs „Non, je ne regrette rien“

Autoreninfo

Björn Eenboom ist Filmkritiker, Journalist und Autor und lebt im Rhein-Main-Gebiet.

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Mein letzter Tag ist gekommen – das ist keine Tragödie. Seit ich lebe, weiß ich, dass ich sterben muss. Ich hatte ein reiches Leben, also ist es in Ordnung, wenn es zu Ende geht. Jetzt habe ich sogar die Chance, meinen letzten Tag zu gestalten, statt völlig unvorbereitet abzutreten. Ich bin sehr praktisch veranlagt. Das Testament ist unterschrieben, alle Unterlagen für meinen Tod liegen bereit. In meinem Alter möchte ich keinen Stress. Früher hätte ich mir mehr Abenteuer gewünscht. Lautlos mit einem Ballon über einen Wald zu fahren oder in die Mongolei zu reisen. Nun möchte ich den letzten Tag zu Hause in Weinheim verleben.

Es ist ein schöner Sommertag bei angenehmen Temperaturen. Ich wache wie immer früh auf und lasse mich ausnahmsweise bedienen. Während ich ein anständiges Frühstück einnehme, lese ich gewöhnlich die Zeitung. Doch was heute drinsteht, geht mich nichts mehr an. Ich beobachte die Tiere im Garten. Wenn ich zuschaue, wie eine Amsel herumhopst und ihr Junges ihr nachrennt, bettelt und gefüttert wird, erfüllt das mein Herz mit Freude. Es ist mir wichtig, schöne Bilder einzusaugen. Das kann ein Tautropfen auf einem Blatt sein. Dabei denke ich an mein Lieblingsgedicht „Abendlied“ von Gottfried Keller: „Trinkt, o Augen, was die Wimper hält, / Von dem goldnen Überfluss der Welt!“ Es könnte auf meinem Grabstein stehen.

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Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 25. Juni 2018 - 12:45

meiner Lieblingsarien, "Schlummert ein, ihr matten Augen". Hauptsächlich als Reaktion auf auch mein Erbe meiner Kindheit, die verschuldeten/ Greuel des 2. Weltkrieges.
Der Artikel ist sehr schön und so wie Bach sehr wohl seinen Teil an der Welt hat, er rief auch seine Töchter zu klagen, so hört die Autorin das Lachen ihrer Enkekinder.
Mehr muss nicht sein.
Ich weiss nicht mehr, wie ich durch dieses Jammertal, das andere doch viel schlimmer getroffen hat durchgekommen bin, aber für mich weiss ich heute, dass dieses Lachen der Menschen und Kinder die wirkliche Möglichkeit des Lebens ist.
Daraus erklärt sich zum großen Teil meine politische Haltung, auch die derzeitige!
Deshalb möchte ich mein Leben nicht mit dieser Arie beschliessen, eher vielleicht mit dem Duett "Wir eilen mit schwachen doch emsigen Schritten" oder "So geh ich mit beherzten Schritten" BWV 111 Karl Richter.
Ich würde hoffen, dass es gerade passt, mir oder sonstwem, also vielleicht von einem Moment auf den anderen.