Metastudie zu Masken - Maskenstreit: Butter bei die Fische

Morgen fällt bei der Deutschen Bahn und im ÖPNV die Maskenpflicht. Doch wie wirksam war das Bedecken von Mund und Nase wirklich? Eine neue Cochrane-Metastudie dürfte den Bundesgesundheitsminister beunruhigen.

Maske auf! Sicher ist sicher! / dpa
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Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Cochrane-Studien haben keine dunklen Wuschelhaare. Cochrane-Studien lungern auch nicht bei Markus Lanz rum. Sie tragen keine Fliege, sind auch sonst nicht telegen und haben darüber hinaus keine riesige Followerschaft auf Twitter. Cochrane-Studien sind einfach Wissenschaft. Gute Wissenschaft. Und das seit fast 30 Jahren. So lange nämlich publiziert die Cochrane Collaboration mit Sitz in London Metaanalysen und systematische Reviews für eine evidenzbasierte Entscheidungsfindung in Medizin und Gesundheitswissenschaft. Was in der Cochrane Database of Systematic Reviews erscheint, hat nicht nur Hand und Fuß, es kann aus wissenschaftlicher Perspektive als „gesetzt“ gelten. Das wissen alle, die im medizinischen Bereich forschen, lehren und publizieren. Auch die mit den Wuschelhaaren oder die Silberfüchse aus den medizinischen Fachgesellschaften und Verbänden.

Vor zwei Tagen ist wieder ein solches Review erschienen. Oder genauer, das Review einer Forschergruppe um den kanadischen Infektiologen und Mikrobiologen John M. Conly mit dem Titel „Physical interventions to interrupt or reduce the spread of respiratory viruses“ ist die aktualisierte Fassung einer Studie aus dem Jahr 2020. Nur eben ergänzt und erweitert um die Forschungsarbeiten aus der aktuellen Covid-Pandemie. Er beschäftigt sich mit der Bewertung der Wirksamkeit physischer Interventionen zur Unterbrechung oder Verringerung der Ausbreitung akuter Atemwegsviren. Kurz, es geht mal wieder um die alte Frage: Bringen sie was oder bringen sie nichts – die Masken, die wir in den letzten drei Jahren unentwegt über Mund und Nase tragen mussten? Darüber hinaus beschäftigt sich das Paper auch noch mit der Wirksamkeit von Handhygiene. Aber wer diesbezüglich noch von Zweifeln geplagt sein sollte, dem sei an dieser Stelle schnell zugerufen: Händewaschen ist immer gut – selbst aus Sicht der evidenzbasierten Medizin!

Die Maske macht keinen Unterschied

Zurück also zur Maskenfrage: Um in den alten Streit zwischen Muffeln und Apologeten also endlich Ruhe reinzubekommen und ein möglichst sicheres Urteil fällen zu können, haben die Studien-Autoren elf neue randomisierte kontrollierte Studien zu ihren bisherigen 77 Auswertung hinzugenommen. So kamen sie am Ende auf 610.872 Probanden. Aufgefunden und untersucht haben sie diese in Ländern mit vollkommen unterschiedlichen sozialen wie ökonomischen Ausgangslagen während der nicht epidemischen Grippeperioden, der globalen H1N1-Grippepandemie von 2009, der epidemischen Grippesaison bis 2016 und eben während der Covid-19-Pandemie.

Mehr Datenmaterial ist aktuell kaum möglich. Und um das Ergebnis schon einmal vorwegzunehmen: „Basierend auf den von uns ausgewerteten Studien sind wir uns nicht sicher, ob das Tragen von Masken oder N95/P2-Atemschutzgeräten dazu beiträgt, die Ausbreitung von Atemwegsviren zu verlangsamen“, so die Autoren am vergangenen Montag in ihrer von der wissenschaftlichen Community auf der ganze Welt beachteten Veröffentlichung. Können bei so viel Unschlüssigkeit die Maskenbefürworter also ausgerechnet kurz vor dem Fall der Maskenpflicht in Deutschland so richtig durch-, ja, aufatmen? Keineswegs. Denn was die Studienautoren nach Sichtung des weltweiten Datenmaterials mindestens ahnen: „Verglichen mit dem Tragen keiner Maske […] macht das Tragen einer Maske [gemeint sind hier medizinische oder chirurgische Masken] möglicherweise wenig bis gar keinen Unterschied darin, wie viele Menschen an einer grippeähnlichen Erkrankung/covid-ähnlichen Erkrankung erkrankt sind.“ 

Eine Ohrfeige für die Politik

Ja, Sie haben richtig gelesen: Das Tragen von Masken im öffentlichen Raum scheint die üblichen Viruswellen bei Atemwegserkrankungen zumindest aus epidemiologischer Sicht nicht aufhalten zu können. Was indes nicht bedeutet, dass Masken nicht individuell schützen . Darauf deutet das erfasste Datenmaterial von 276.917 Personen aus neun Studien hin, die man in sogenannten Communities, also im öffentlichen Raum (im Gegensatz zu medizinischen Einrichtungen), untersucht hat. Und die Studien zu sogenannten N95/P2-Atemschutzgeräten kommen auch nicht zu besseren Ergebnissen: „Verglichen mit dem Tragen medizinischer oder chirurgischer Masken macht das Tragen von N95/P2-Atemschutzmasken wahrscheinlich wenig bis gar keinen Unterschied darin, wie viele Personen eine bestätigte Grippe haben (5 Studien; 8407 Personen); und kann wenig bis gar keinen Unterschied darin machen, wie viele Menschen eine grippeähnliche Krankheit (5 Studien; 8407 Personen) oder eine Atemwegserkrankung (3 Studien; 7799 Personen) bekommen."

 

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Mithin: Diese internationale Metastudie ist eine weitere Klatsche für die deutsche Corona-Politik. 17 Milliarden Masken wurden allein in der Bundesrepublik während der zurückliegenden drei Jahre verbraucht, 17 Millionen davon wurden laut einer Recherche der Tageszeitung Die Welt von den Bundesländern irgendwann wieder vernichtet, 11,5 Millionen Euro Steuergelder wurden an Betrüger wie Alfred Sauter und Georg Nüßlein (beide damals CSU) verschleudert. Im Gegenzug aber wurden kritische Wissenschaftler durchs Dorf getrieben, Maskenverweigerer an den Pranger gestellt und ausländische Verantwortungsträger wie Anders Tegnell von deutschen Medien immer wieder verhetzt und verächtlich gemacht. Und nun zeigt eine einfache und dringend überfällige Metaanalyse, dass all der Eifer und der Furor, den man besonders hierzulande und bis zuletzt bei der physischen Unterbrechung der Corona-Übertragungswege hat walten lassen, für die Katz waren. 

Nur einen gibt es noch, der scheint auch nach Erscheinen dieser für die deutsche Gesundheitspolitik verheerenden Studie weiterhin unbeeindruckt zu sein: Karl Lauterbach (SPD). Ausgerechnet der Bundesgesundheitsminister, von dem der Journalist Markus Feldenkirchen einst behauptete, er würde wissenschaftliche Studien verschlingen wie andere Leute Liebesromane, twitterte heute aus Anlass der morgen fallenden Maskenpflicht im Fernverkehr:  „Unsere Maßnahmen zur Vermeidung großer Covid-Winterwellen waren erfolgreich. Daher kann die Maskenpflicht im Fernverkehr jetzt fallen.“ Es scheint, als wartete da noch ein wirklich dicker und spannender Liebesschmöker auf Lauterbachs Nachttisch. Ich wünsche von hier schon einmal: „Gute Unterhaltung!"

 

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