
- „Die kosmopolitischen Milieus haben die größte Klappe“
Jede herrschende Klasse, auch die Kosmopoliten versuchen, sich selbst zu verewigen und die eigenen Privilegien in die Zukunft fortzuschreiben. Im Interview erklärt die Soziologin Cornelia Koppetsch, was die global denkende Kulturelite mit dem Aufstieg des Populismus zu tun hat
Frau Koppetsch, die Kunstszene ist seit Anbruch der Moderne die Speerspitze der Globalisierung: Schon die Dadaisten dachten international und wollten sich nicht mit einer Nation identifizieren. Heute wird die Kunst im Spitzensegment von einer Englisch sprechenden Elite dominiert, die ununterbrochen um die Welt reist und in Bangkok, New York oder Venedig einen ähnlichen Ausstellungsbetrieb und Kunstmarkt schafft. Gleichzeitig hält sich die Kunstwelt auch für eine moralische Avantgarde, schließlich lässt sie den Nationalismus hinter sich und tritt für internationale Vernetzung, Toleranz und Diversität ein. In Ihrem aktuellen Buch „Die Gesellschaft des Zorns“ zeichnen Sie aber ein recht kritisches Bild der heutigen transnationalen Eliten. Warum?
Kennzeichnend ist, dass transnationale, kosmopolitische Eliten in den großen urbanen Zentren überall auf der Welt die gleichen Strukturen vorfinden und sich auch hinsichtlich ihres Ethos, ihrer Einstellungen, Lebensgewohnheiten und Lebensstile angleichen. Die transnationalen Milieus aus unterschiedlichen Ländern werden sich in ihren Ansichten und ihrem Habitus immer ähnlicher, und sie sind global verbunden.
Aber warum nicht? Warum dürfen die Kreativen in Berlin nicht den gleichen urbanen Lebensstil genießen wie ihre Brüder und Schwestern im Geiste in Los Angeles?
Die Lebenslüge setzt da ein, wo man tatsächlich glaubt, diese Milieus seien die ganze Welt. Das sind sie aber nicht. Es sind sozial geschlossene Gruppen von Menschen, die ihresgleichen bevorzugen und weniger gebildete, weniger inspirierende und weniger kultivierte Menschen gar nicht erst kennenlernen. Durch das, was sie verbindet, sind sie auch nach außen abgeschlossen.