
- Kirche und Politik: Produktive Scheindebatte?
Selbstverständlich dürfen sich die Kirchen politisch äußern. Wo es aber unter Christen legitimerweise unterschiedliche Meinungen gibt, täten die Kirchen gut daran, sich nicht demonstrativ auf eine Seite zu schlagen.
„Christlicher Glaube ist politisch“, so das Statement der Kirchentagspräsidentin Anja Siegesmund zur Eröffnung des Evangelischen Kirchentags 2025 in Hannover. Bekenntnisse wie diese, die für einen Evangelischen Kirchentag eigentlich eine Selbstverständlichkeit sind, erscheinen in diesen Tagen in einem besonderen Licht. Sie reihen sich ein in den Chor zahlreicher Stimmen aus Medien, Politik, Gesellschaft und Kirche, die seit nunmehr etwa drei Wochen in das Lied über die politische Bedeutung der Kirchen einstimmen. Statt eines Abgesangs auf deren politische Relevanz erleben die Kirchen gleichsam eine öffentliche Solidarisierungswelle, die manchen sich verwundert die Augen reiben lässt.
Doch wie ist es dazu gekommen? Zeit für einen Rückblick und eine kurze Zwischenbilanz.
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Kirchen sollen also keine Interessenpolitik machen, sondern sich für Menschenwürde, Gerechtigkeit etc. einsetzen. Aber das scheint mir doch gerade eines der Hauptprobleme unserer Gesellschaft heute zu sein. Interessenpolitik wird generell negativ gesehen. Ich finde es wichtig Interessenpolitik zu betreiben und dabei auch anderen das Recht zuzugestehen ihre Interessen zu vertreten (das macht den Unterschied). Der Einsatz für das Gemeinwohl wird generell höher bewertet: aber wer legt fest, was das Gemeinwohl ist und wie das gegen individuelle Interessen auszutarieren ist?
Menschenwürde, Gerechtigkeit etc. werden nicht als weite Randbedingungen aufgefasst, innerhalb derer Politik zu machen ist, sondern sie werden naiv als Maßstab für den Alltag genommen. Es wird ein naives Menschenbild mit "DER" Gerechtigkeit/Wahrheit vorausgesetzt und Menschen, die berechtigt sind, das festzulegen. Menschen, die andere Sichtweisen haben, werden massiv abgewertet.
Ich will das nochmal bekräftigen, weil es für mich ein wesentlicher Punkt ist: ich lese Herrn Sautermeister so, dass er letztlich im gesellschaftlichen Mainstream Menschenrechte, Gemeinwohl, Gerechtigkeit, Rechtsstaat, Demokratie, Wahrheit, Wissenschaft etc. als wohldefiniert und widerspruchsfrei sieht und die gesellschaftliche Frage würde sich darum drehen, die besseren Argumente zu finden, wie man dieses wahre Gute für alle Menschen gegen egoistische oder dumme falsche Argumente durchsetzt.
Die Kirchen könnten eine Stimme darin sein, wie wir als Menschheit durch den Dschungel an Widersprüchen, Undefiniertheiten, Überforderungen, Unbekanntem kommen.
Die Kirchen reihen sich aber ein, die Welt vor allem als gute Menschen gegen schlechte Menschen zu sehen und mit den besseren Argumenten die schlechten Menschen zu enttarnen. Ja, das ist auch mal ok. Aber so wie heute, glaube ich nicht an diesen Ansatz - der führt nirgendwo hin.
Danke Herr Michaelis. Genau da muss Kirche ansetzen. Wenn schon politisch, dann neutral, dann offen für alle Argumente und vermittelnd. Nicht aber sich von einer Seite vereinnahmen lassen und dann, wie bei Corona z.B. andere ausgrenzen. Das was Kirche aktuell macht ist Ausgrenzung und sich instrumentalisieren lassen. Und u.a. genau auch deshalb laufen die Gläubigen weg.
Heutige Kirchenfunktionäre stammen oft aus dem uferlosen Vorrat an funktionslos gewordenen grün-roten Funktionären, die in Parteien und deren Stiftungen anfallen. Und viele heutige Theologen sind nur noch in Sozialarbeit und "Nachhaltigkeit" ausgebildet.
Diese beiden Gruppen eint die Überzeugung, dass es nicht nötig ist, das Urteil Gottes abzuwarten, um große Menschengruppen als "böse" aburteilen und von den "guten" Menschen absondern zu können. Sie übernehmen SELBST die Urteilsfindung und teilen frohgemut die Menschen in gut (links) und böse (rechts) ein.
Die Bibel hingegen wollte diese folgenreiche Urteilsfindung im "Jüngsten Gericht" Gott überlasssen (Matthäus 7: 1), wobei m Jüngsten Gericht links und rechts die umgekehrte Bedeutung haben sollten. Aber das berührt die genannte Art von Kirchenfunktionären nicht.