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Tibor Bozi/Fischer Verlag

Katrin Bauerfeind - „Merkel ist gegen Hysterie imprägniert“

Katrin Bauerfeind bewundert Angela Merkel für ihre Kritikfähigkeit in der Flüchtlingskrise. Die TV-Moderatorin, die gerade ein echtes Frauenbuch geschrieben hat, spricht im Interview über Sexismus, Geschlechterstereotype und Feminismus

Autoreninfo

Lena Guntenhöner ist freie Journalistin in Berlin.

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Fernsehmoderatorin Katrin Bauerfeind hat für ihr zweites Buch Geschichten aus ihrem Leben gesammelt, die Männern so nie passieren würden. So viel vorweg: In „Hinten sind Rezepte drin“ sind hinten keine Rezepte drin, weil ein Frauenbuch auch ohne Kochtipps und ultimative Anti-Falten-Tricks auskommen können muss, sagt die Autorin. Deshalb geht es in den 44 humorvoll geschriebenen Geschichten um Pannen beim ersten Date, die Bedeutung von Schuhgrößen und um Gebärdienstverweigerung.

 

Wenn man Sie aktuell googelt, erscheint als erstes die Schlagzeile „Fernsehmaus schreibt ein Buch“. Ärgert Sie so was?
Gemessen an den Pantoffeltierchen, die das schreiben, ist die Maus doch ein großes Tier.

Zugegeben, Ihr Buch wimmelt nur so von Klischees: Männer sind wortkarg, unreflektiert, pragmatisch – und Frauen machen sich um alles tausend Gedanken, reden viel, wollen sich immer entschuldigen, sind harmoniesüchtig. Warum ist das Ihrer Meinung nach so?
Es ist ja ein lustiges Buch. Dazu gehört auch das Spiel mit Klischees. Klischees sind zudem nur kondensierte Realität. Ich bin eine Frau und kaufe gerne Schuhe. So sieht’s aus. Und die, die einem im Urlaub in Beige und in Sandalen entgegenkommen, sind in 95 Prozent der Fälle eben weder Spanier noch Engländer, sondern Deutsche. Wenn Sie einen Mann haben, der viel redet, mit Gefühlen kein Problem hat und trotzdem schwer in Ordnung ist, dann Glückwunsch, da haben Sie die Ausnahme ergattert!

Als Lösung raten Sie allen Frauen, auch mal Gewalt auszuüben. Wie ist das gemeint?
Es ist explizit kein Aufruf zur Gewalt, sondern ein Aufruf, Probleme untereinander nicht nur durch Zickigkeit oder andere Psychowaffen zu lösen. Ich fände es gar nicht schlecht, wenn Frauen mal konfrontativer würden...

Sie haben eine neue Religion nur für Frauen erfunden, in der die Göttin „Brigitte“ heißt. Drei der vier Gebote lauten: „Lasst euch nicht vorschreiben, wie ihr auszusehen habt.“ Würden Sie sich davon komplett freisprechen? Immerhin werden Sie fürs Fernsehen ständig „aufgebrezelt“? Oder brauchen Sie das privat gar nicht?
Soweit ich Brigitte verstanden habe, hat sie überhaupt nichts dagegen, sich chic anzuziehen und sich auch mal aufzubrezeln. Ihr geht es nur darum, der Verpackung nicht mehr Wert beizumessen, als dem Inhalt.

Sie beschreiben, dass auch Sie zur Angst vor Männern erzogen wurden: „Als Frau bist du immer, überall ein mögliches Opfer“. Wie geht Frau richtig mit dieser Angst um?
Ich habe gemerkt, wie oft man als Mädchen vor den Risiken des Lebens gewarnt wird. Dazu gehören auch Männer, aber nicht nur. Bei mir hat das irgendwann dazu geführt, dass ich bei allem, was ich anfing, zuerst daran dachte, was schief gehen könnte. Frauenverhalten ist häufig Risikovermeidung. Wenn man das weiß, kann man auch mal sagen: „Fuck it, ich mach’s trotzdem“. Je nach Job und Bildungsgrad kann man das auch eleganter ausdrücken.

Sie wohnen selbst in Köln. Haben Sie die Übergriffe der Silvesternacht geschockt?
Die Ereignisse haben mich ratlos hinterlassen, weil ich auch jetzt noch nicht wirklich verstanden habe, wie es dazu gekommen ist.

Haben wir ein neues Sexismusproblem in Deutschland?
Wenn man sich die Entwicklung der letzten hundert Jahre anguckt, dann hat sich schon sehr viel verbessert, aber der Weg ist noch nicht zu Ende, es gibt immer wieder Rückschritte und er ist aktuell wieder eher länger geworden. Aber ich übernehme bei diesem Thema das Wort der Kanzlerin und sage: „Wir schaffen das“.

Im Spiegel lieferten sich Altfeministin Alice Schwarzer und Jungfeministin Anne Wizorek einen Schlagabtausch. Wer von beiden steht Ihnen näher?
Ich würde mich gerne beim Feminismus keinem Lager zugehörig fühlen müssen. Wenn schon, dann sehe ich mich eher bei den Humor-Feministen.

Was halten Sie von der ganzen Debatte um Sexismus und Rassismus?
Man muss sie führen. Es erscheint einem ja aus heutiger Sicht absurd, dass der letzte Schweizer Kanton erst 1990 das Frauenwahlrecht eingeführt hat und Vergewaltigung in der Ehe in Deutschland erst seit 1997 strafbar ist. Beides war das Ergebnis eines langen, zähen Ringens. In hundert Jahren werden die Menschen den Kopf darüber schütteln, dass wir mal so was wie eine Frauenquote gebraucht haben. Aber bis es soweit ist, muss weitergestritten werden.

Sie haben mal gesagt, dass Sie ein großer Fan von Angela Merkel sind. Ist das immer noch so? Sie ist ja mit ihrer Flüchtlingspolitik ziemlich in die Kritik geraten.
Sie ist auch mit ihrer Griechenlandpolitik ziemlich in die Kritik geraten. Über Wochen ging da täglich die Welt unter. Bis die Flüchtlinge kamen. Und wenn das Thema durch ist, wird sie mit einem anderen Thema ziemlich in der Kritik stehen. Das, was ich an ihr so gut finde, ist, dass sie gegen Hysterie anscheinend imprägniert ist. Das wäre ich auch gern.

Das Interview führte Lena Guntenhöner

Katrin Bauerfeind: „Hinten sind Rezepte drin. Geschichten, die Männern nie passieren würden“, erschienen am 21. Januar 2016 im Fischer-Verlag, 14,99 Euro.

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