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Katholische Kirche - Sind deutsche Bischöfe Häretiker?

Kisslers Konter: Papst Franziskus hat den deutschen Bischöfen den Kopf gewaschen. Ihnen galt die bisher konservativste Rede seines Pontifikats. Der Vorwurf: zu große Liebe zum Apparat und Abkehr von der wahren Kirchenlehre

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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In einem Punkt waren sich die deutschen Bischöfe und der römische Papst dann doch einig: Der deutsche Zweig der römisch-katholischen Weltkirche hat viel Geld und betreibt damit „viele Hilfsorganisationen für die Menschen in aller Welt“, „große Einrichtungen, die sich insbesondere weltkirchlich stark engagieren“. Die erste Formulierung stammt von Franziskus beim Treffen mit den deutschen Bischöfen letzte Woche, die zweite vom Freisinger Erzbischof Reinhard Marx. Deutschland ist dank einer vom Glaubensleben weitgehend entkoppelten Kirchensteuer Zahlmeister und Großorganisator in einem. Man kennt das aus anderen Zusammenhängen.

Ansonsten waren die Widerworte des bisher als leutseligen Reformpapst wahrgenommenen Franziskus wider das Gebaren der Kirchensteuerkirche massiver noch als bei der legendären Freiburger Entweltlichungsrede seines Vorgängers. Wie Benedikt XVI. warnte Franziskus vor Weltlichkeit auch im Raum der Kirche. Wie Benedikt empfahl er die klassischen katholischen Frömmigkeitsformen als Heil- und Abwehrmittel, namentlich „die Beichte und die Eucharistie“. Und ganz wie Joseph Ratzinger forderte er „Treue zur Kirche und zum Lehramt“, nahm die Bischöfe als „Lehrer des Glaubens“, nicht als indifferente Moderatoren in die Pflicht und wandte sich gegen die in deutschen Kirchensteuerkreisen einigermaßen beliebte Verwischung von Priester und Laie, denn „ohne Priester gibt es keine Eucharistie“. Franziskus sprach, als hätte er Benedikt zu seinem Ghostwriter gewonnen. Es war die bisher konservativste Rede seines Pontifikats.

Erlösung durch Struktur und Weltlichkeit
 

Dass sie den deutschen Bischöfen galt, hat einen Grund, der ein Abgrund ist. Offenbar sieht Franziskus keine andere Ortskirche so sehr in Gefahr, aus Liebe zum Apparat in den Glaubensabfall abzurutschen. Die deutschen Bischöfe mit ihrer Begeisterung für den „perfekten Apparat“ mussten sich vom Pontifex Maximus fragen lassen: Glaubt ihr noch oder seid ihr schon Häretiker? Eine ungeheuerliche, aber offenbar sehr ernst gemeinte Anfrage, die ein Tadel ist und eine Sorge zugleich. Franziskus erkennt bei den deutschen Bischöfen „eine Art neuer Pelagianismus“; sie betrieben die „fortschreitende Institutionalisierung der Kirche. Es werden immer neue Strukturen geschaffen, für die eigentlich die Gläubigen fehlen.“

Schärfer kann ein Verdikt nicht sein. Franziskus hat die starke Befürchtung, dass auf deutschen Bischofsstühlen hie und da Häretiker nisten – oder zumindest Quasi-Häretiker. Die Lehre des Pelagius wurde von der Kirche schon im 5. Jahrhundert als Häresie verworfen. Sie besagt, vereinfacht gesprochen, dass der Mensch in der Lage sei, sich selbst zu erlösen, dass es der göttlichen Gnade nicht unbedingt bedürfe, weil der Mensch nicht verderbt sei. Erbsünde gebe es nicht. Heute sich die Herren Marx und Kollegen als Pelagianer vorzustellen, bedeutet nichts Geringeres, als sie jenseits kirchlicher Lehre zu verorten. Sie hielten dann Kirche letztlich für verzichtbar und setzten auf Erlösung durch Struktur und Weltlichkeit. Oder schützt sie der Hauch jener Abschwächung in der Formulierung, es sei „eine Art neuer Pelagianismus“, also kein häretisch sortenreiner „neuer Pelagianismus“?

Bischöfe wollen keine Kritik wahrgenommen haben
 

So oder so ist die routinierte Nonchalance, mit der die Gescholtenen über diese Fundamentalopposition hinweggingen, bemerkenswert. Erzbischof Marx verstieg sich zur politiküblichen Floskel, es sei eine „Begegnung auf Augenhöhe“ gewesen. Der Redetext von Franziskus gibt eine solche verharmlosende Deutung nicht her; die Bischöfe wurden eher in den Senkel gestellt. Auch der liberalistische Münsteraner Bischof Felix Genn weiß nur von „sehr guten Dialogen“ zu berichten.

Fakt bleibt: Die zu ihrem eigenen Leidwesen so vermögende katholische Kirche von Deutschland ist aus römischer Perspektive spirituell verarmt und sakramental verlottert. Es mag ja Gegenargumente geben, warum das alles nicht stimmt: Dann hörte man sie gerne. Stattdessen rühmen Bischöfe einen Dialog, den sie nicht führen wollen – den nämlich um die Zukunft einer Glaubensgemeinschaft in der Defensive.

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