Impfschäden - Das dröhnende Schweigen über die Nebenwirkungen

Über Schäden und Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Corona-Impfung wird selten gesprochen. Ein „Cicero“ vorliegendes Chat-Protokoll österreichischer Ärzte legt den Verdacht nahe, dass das Thema unter Experten weit häufiger diskutiert wird als vermutet. Für die Betroffenen ein Skandal. Denn vermutlich lassen sich schwere Nebenwirkungen sogar im Blut feststellen.

Auf eigene Haftung / dpa
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Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Eine Ärztin hat ein Problem: „Hatte gestern Patientin mit Schulterschmerzen und schmerzhafter Schwellung eines Fingers seit erster Impfung. Rheumafaktor aktuell 100“, schreibt sie am 5. August 2021 in einer geschlossene Chat-Gruppe auf Facebook. Die niederösterreichische Fachärztin mit Schwerpunkt Chirurgie und Gefäßchirurgie scheint irritiert zu sein. Sie weiß nicht, ob sie diese offensichtliche Impfnebenwirkung melden soll, und falls ja, wo. Und nicht zuletzt: „Wenn ich das jetzt melde, wer zahlt mir meinen Arbeitsaufwand?“

Fragen wie diese scheinen derzeit viele niedergelassene Ärzte umzutreiben. Nicht nur in Österreich. Auf der ganzen Welt. Corona hat sie vor neue Herausforderungen gestellt. Und die neuartige Impfung gegen das Virus hält auch einige Fallstricke parat. Also haben Ärzte aus Österreich eine Internetgruppe gegründet: „Ärzte vs Covid-19“. Hier kann man unkompliziert Probleme erörtern und sich fachlich rund um das Thema informieren. Zudem gibt es einige Prominente in der Runde; Kapazunder, wie man das bei unserem südlichen Nachbarn nennt. Zu diesen zählen der österreichische Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres sowie ein namhaftes Mitglied des Nationalen Impfgremiums und der österreichischen Corona Kommission. 3.067 Mitglieder zählte der virtuelle Zusammenschluss jüngst. Jedes einzelne trägt Verantwortung für Menschenleben.

Unsicherheiten bei den Ärzten

Doch zurück zu der etwas ratlosen Gefäßchirurgin aus Niederösterreich. Die will mit ihrer Honorarfrage nicht falsch verstanden werden: Das klänge vielleicht ein bisschen kleinlich, schreibt sie ans Ende ihres Postings, aber die Pharmafirmen würden die Impfung ja auch nicht verschenken. Viele Kollegen haben Verständnis für den finanziellen Einwand. Eine Allgemeinmedizinerin aus dem ersten Wiener Gemeindebezirk schreibt: „Prinzipiell müssen wir ja jede Nebenwirkung melden. Doch wenn ich das mit Covid-Impfungen getan hätte, wäre ich wohl jede Woche mindestens 2h extra mit Fragebogen ausfüllen beschäftigt gewesen.“ Das aber, gesteht sie im Chat offen, hätte sie nicht „gepackt“.

Eine andere Hausärztin springt ihr bei: „Meldung ist durch uns gratis in unserer Freizeit“ schreibt sie und setzt ein weinendes Emoji hinter den Satz. Ihre Vermutung: Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Impfung seien viel zu selten gemeldet. Sie selbst jedenfalls habe „so einige“ Fälle davon in der Praxis gesehen. Fälle wie diesen, berichtet von einem Allgemeinmediziner mit Ordination in der Wiener Innenstadt: „Eine Kollegin hat mir berichtet, dass in Bezug auf die hämorrhagischen Pankreatitis, die ihre 31jährige Tochter 30 Stunden nach der von ihrer Mutter verabreichen zweiten Pfizer-Dosis bekommen hat, keine entsprechende Meldung und auch im Arztbrief keine Erwähnung des zeitlichen Zusammenhangs mit der Impfung durch das Krankenhaus erfolgte.“

Nur Einzelfälle

Sind die hier geschilderten schweren und zumeist nie gemeldeten Impfnebenwirkungen tragische Einzelfälle? Patienten, die schlicht das Pech hatten, einer rein statistischen Größe ein menschliches Gesicht geben zu müssen? Oder ist das der Blick in eine gefährliche Schweigespirale? Schwer einzuschätzen. Die Chat-Protokolle jedenfalls, die Cicero in Auszügen vorliegen, sind reich an derartigen Schilderungen. Nicht jedes Gruppenmitglied will daher, dass darüber offen gesprochen wird. Als etwa am 17. März 2021 der Neurologe Christian N. davon berichtet, dass er gerade eine Patientin mit Sinusvenenthrombose nach Impfung mit Astra Zeneca aufgenommen habe, kommt von einem  Impfgremiumsmitglied ein Hinweis: „Würde bitten, den Fall nur hier im Forum zu besprechen.“ Eine Order, für die er 23 mal einen „Daumen hoch“ bekommt.

Andere hingegen mögen es weniger verschlossen: Sie berichten von „5-6 Patienten mit fraglichen heftigen Reaktionen“, die täglich in die Praxis kämen – „also nicht ein bissl Kopfweh, Fieber und so“, oder von „hypertensiven Entgleisungen“, „Myalgien über Wochen“, „Herzinfakten bei jungen Männern“. Und dann gibt es natürlich auch die harten Endpunkte: Über die etwa schreibt im Oktober 2021 der Notarzt Andreas S.: „Als ersten Schritt sollten wir mal so eine Strichliste von so ,sonderbaren' Exitus machen. Wer macht mit?“

Zynismus und fehlendes Mitgefühl

Es gibt Ärzte, die reagieren durchaus offen und zeigen Interesse an den Schilderungen aus dem Kollegenkreis. Anderen scheint nur noch Zynismus durch die Krise zu helfen. Als etwa eine Grazer Allgemeinmedizinerin von einem 47-jährigen, „gesunden, ängstlichen Mann“ aus dem Freundeskreis berichtet, der nach einer Janssen-Impfung eine Fazialisparese, also eine halbseitige Gesichtslähmung entwickelt habe, gibt ihr ein Arzt aus dem Klagenfurter Land folgenden Ratschlag: „Die zweite J&J-Impfung kontralateral geben, dann ist das Gesicht wieder symmetrisch.“

Schwarzer Humor und Ignoranz, sie dominieren viele der Gespräche hinter dem virtuellen Vorhang. Doch leider sind diese Abwehrmechanismen auch in der Realität anzutreffen – gegenüber Menschen mit Name, Anschrift und Gesicht. So erzählen Patienten, die seit ihrer Impfung gegen den Sars-Cov-2-Erreger unter schweren Nebenwirkungen leiden, immer wieder von dem immensen Unverständnis, von der Voreingenommenheit oder der schlichten Leugnung ihrer oft schweren Symptomatik. Wer nicht standhaft bleibt, landen am Ende aussortiert in der Psycho-Ecke.

Es wurde nichts gemeldet

Als etwa Diana Schneider erstmals den Verdacht äußert, bei ihren massiven Kopfschmerzen, ihrer nächtlichen Orientierungslosigkeit, der extremen Brustenge, der Übelkeit und dem rasenden Puls könne es sich um Nebenwirkungen ihrer gut 20 Tage zuvor erfolgten Impfung handeln, reagieren die Ärzte im nahegelegenen Krankenhaus mit Achselzucken: Impfnebenwirkungen? Die träten allenfalls direkt nach der Injektion auf, heißt es. Ihr Hausarzt sieht es zunächst ähnlich. Gemeldet wird also erstmal gar nichts. Es könne, so heißt es von Seiten der verunsicherten Experten, schlicht nicht sein, dass die zehn Tage nach der Impfung erstmals in einem schweren Schub aufgetretenen Symptome etwas mit dem kleinen Piks in den Oberarm zu tun hätten.

Diana Schneider aber gibt sich mit der Auskunft nicht zufrieden. Nicht, weil es die studierte Pharmakologin besser wissen will. „Die Symptome gingen halt auch nach dem Besuch im Krankenhaus einfach nicht weg.“ Dabei ist die gestandene Frau wahrlich keine Impfgegnerin: „Ich bin gegen alles geimpft. Und ich habe der Impfung gegen Covid-19 im April regelrecht entgegengefiebert“, sagt sie noch heute. Sie wollte solidarisch sein. Sie wusste schließlich, was Covid-19 bedeutet.

Mehr als ein Piks

Einige Monate vor ihrer Impfung nämlich, im November 2020, war sie erkrankt. Ein zunächst harmloser Verlauf. Doch aus diesem entwickelte sich später LongCovid. Als schließlich noch ein Herpes zoster hinzukam, musste sie Ende 2020 ins Krankenhaus. Es hat Wochen gedauert, bis die Symptomatik abgeklungen war. Damals, sagt Schneider, hieß es, dass die Impfung eventuell auch gegen LongCovid helfen könne. Also war es für sie keine Frage: Im Impfzentrum in Berlin-Tegel holte sie sich einen Termin. Pfizer Biontech. „Ich war wirklich überzeugt, die Impfung würde helfen.“

Heute ist Diana Schneider seit langem bereits arbeitsunfähig und krankgeschrieben. Ein Dreivierteljahr ist seit der Impfung vergangen. Geblieben ist dabei mehr als ein Piks: „Ich bin froh, wenn ich mal einen guten Tag habe und den dann so überstehe, dass ich nicht direkt zusammenbreche.“ Nach und nach nämlich stellte sich bei der jungen Frau heraus, dass die Impfung das Post-Covid-Syndrom erneut getriggert hat. Am Ende kam noch eine unerkannte Herzmuskelentzündung hinzu. „Es ist schwierig, bis man mal einen Facharzttermin bekommt“, sagt sie. Und bis das dann alles auf dem Weg ist, wird der Abstand zur Impfung immer größer. „Versuchen sie da mal noch eine Kausalität und somit einen Impfschaden nachzuweisen. Und während man noch mit den Folgen der ersten Impfung kämpft, wird schon der vierte Piks empfohlen. Der gesellschaftspolitische Druck wächst, man selbst bleibt unfreiwillig auf der Strecke.“

Geschichten wie die von Diana Schneider kennt die Berliner Wissenschaftlerin Marion Bimmler zuhauf. „Ich habe mit erwachsenen Menschen gesprochen, die mittlerweile wieder von den eigenen Eltern gepflegt werden müssen.“ Diese Menschen seien nachweislich krank, sagt Bimmler. Oft seien die Symptome wie bei LongCovid. Die Pateinten bildeten sich das also nicht ein. Warum die Leiterin eines medizinischen Speziallabors, das sich seit Jahrzehnten auf die Diagnostik spezieller Antikörper spezialisiert hat, mit einer derartigen Entschlossenheit über das Thema spricht? Es sei mittlerweile sehr wahrscheinlich, dass sich eine schwerwiegende Nebenwirkung im Zusammenhang mit den Covid-Impfungen im Blut der Betroffenen nachweisen lässt. „Ich habe gut 200 Patienten auf die Prävalenz sogenannter agonistischen Autoantikörper getestet. Bei gut 90 Prozent habe ich zwei bis sechs verschiedene Autoantikörper nachweisen können. Bei gesunden Vergleichsgruppen sieht man dieses Phänomen allenfalls bei drei bis fünf Prozent.“

Eine erfahrene Wissenschaftlerin

Aus Marion Bimmler spricht der analytische Sachverstand einer erfahrenen Wissenschaftlerin. Über Jahre hat sie an der Akademie der Wissenschaften gearbeitet, dann an der Charité, später leitete sie eine Arbeitsgruppe am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin. Sie hält mehrere Patente. Ihr Forschungsschwerpunkt: Pathomechanismen, die durch agonistisch wirkende Autoantikörper verursacht werden. „Ein interessantes Phänomen“, erklärt Bimmler. Bis dato kannte man die Autoantikörper bei Erkrankungen des Herzens und der Gefäße. Die Autoantikörper binden sehr langanhaltend an G-Protein gekoppelte Rezeptoren und können  eine  Mitochondrienminderfunktion auslösen, dies würde einen Teil der Beschwerden der Patienten erklären.

Als Bimmler das erste Mal von Patienten mit LongCovid, später aber auch mit schweren Impfnebenwirkungen hörte, wurde sie hellhörig: „Bei einer heftigen Immunreaktion des Menschen auf die Impfung ist es nicht unwahrscheinlich, dass entsprechenden Autoantikörper gegen die Rezeptoren gebildet werden“, erklärt sie. Und die Blutanalysen sowie spätere Gespräche mit Kollegen geben ihr mittlerweile wohl Recht. „Es sind derzeit zwei Studien zu dem Thema in Vorbereitung. Aber es wird noch dauern, bis ein Ergebnis vorliegt.“

Die unerträgliche Stille

Auch Marion Bimmler ist keine Impfgegnerin. Ihre Forschungen haben ihr lediglich aufgezeigt, dass man Impfnebenwirkungen im Zusammenhang mit der Covid-Impfung sehr ernst nehmen muss. Doch selbst mit ihren objektiven, im Labor nachgewiesenen Markern stößt Bimmler auf taube Ohren: „Ich habe mittlerweile das Paul-Ehrlich-Institut, die Stiko, den Bundesgesundheitsminister, das RKI sowie zahlreiche Virologen und Politiker informiert.“ Antwort: Fehlanzeige. „Wenn sie das Wort Impfschaden in den Mund nehmen, bekommen sie meistenteils keine Reaktion“. Marion Bimmler ist über das Schweigen mittlerweile sehr erbost.

Ganz ähnliche Erfahrungen muss auch immer noch Diana Schneider machen. Doch als Betroffene wird es für sie allmählich eng. Ihr Impfzertifikat ist längst ausgelaufen. Und sollte es in wenigen Wochen zu einer allgemeinen Impfpflicht kommen, dann kann niemand dafür garantieren, dass die junge Frau nicht mindestens weitere schwerwiegende gesundheitliche Schäden davontragen wird. Attestieren aber will ihr das niemand. Für Diana Schneider ist das ein schier unhaltbarer Zustand: „Ich bewege mich in einem Vakuum. Ich komme an niemanden mehr ran. Sobald ich jemanden eine E-Mail mit dem Betreff ‚Impfschaden‘ schicke, kriege ich keine Antwort. Juristisch ist das halt viel zu heikel. Man kann das Problem also nicht einmal thematisieren, weil jeder Angst vor den Konsequenzen hat. Da ist eine unglaubliche Stille, in der ich mich bewege.“

Stille. In der Chat-Gruppe „Ärzte vs Covid-19“ ist davon nichts zu bemerken. So schreibt ein Allgemeinmediziner aus dem zweiten Wiener Gemeindebezirk am 10. November: „Heute wollte die erste Patientin eine Impfbefreiung wegen MS. Jetzt ist sie böse auf mich“. Darauf Tropenmediziner Marton S: „Hast ihr wenigstens für die Info was verrechnet? Ich hab einer gestern 150,- verrechnet, dafür, dass ich ihr die Impfbarkeit und eine Angststörung attestiert habe.“ Dafür gibt es in der Gruppe 27 mal den gehobenen Daumen.

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