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Gewalt von links und rechts - Deutschlands heißer Herbst

Kisslers Konter: Gewaltbereite Rechts- und Linksextremisten rüsten auf. Wer die Demokratie schützen will, muss den Rechtsstaat stärken. Dieser aber wird im Zuge der Flüchtlingskrise durch Merkels Politik ausgehöhlt

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Der Bürgerkrieg in den Köpfen ist da. Jene „mentalen Frontverläufe“, die der Historiker Philipp Blom in der Zwischenkriegszeit des zwanzigsten Jahrhunderts ortet, sind 2015 zurückgekehrt. Ob sie in einen Krieg auf Deutschlands Straßen münden werden, ist ungewiss. Womit das Hoffnungsfrohste schon gesagt wäre. Immerhin unwahrscheinlich müssten wir eine rein geistig bleibende Mobilmachung nennen. Solange aber die Zukunft wie jede Zukunft offen ist, liegt es an den Demokraten, der Demokratie entschlossen zur Seite zu springen.

Viel ist die Rede in diesen Tagen von Hass und Extremismus, genauer: vom Hass der Rechtsextremisten. Beides zusammen ergibt eine denkbar abstoßende Mischung. Die in jeder Hinsicht intolerable Gewalt gegen Asylbewerber wie gegen Asylbewerberheime ist deren sichtbarster Ausdruck. Zu Recht auch wurde in einem Beitrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung konstatiert, „immer häufiger attackieren Rechtsradikale Journalisten“, laut dem Deutschen Journalistenverband wächst die „Bereitschaft von Demonstranten und Rechtsextremisten, gegen Journalisten und unliebsame Berichterstattung mit Gewalt vorzugehen, in erschreckendem Maße“. Gesunken ist die Hemmschwelle, dem politischen Gegner nach Leib und Leben zu trachten.

Ebenso abstoßend, doch in den Debatten weniger präsent, weniger empörungsgeeignet ist der Hass der Linksextremisten. Auch er hat zugenommen. Der katholische Journalist Josef Bordat schloss seinen vielgelesenen Blog vorübergehend, weil ihm per Mail erst ein Anschlag, dann eine „Bestrafung“ angekündigt worden ist. Zuvor hatte er die vermutlich linksextremistisch motivierten Brandanschläge auf die Autos der konservativen Aktivistin Hedwig von Beverfoerde („Demo für alle“) und der AfD-Politikerin Beatrix von Storch als „vorzivilisatorische Gewaltakte“ bezeichnet. Beide Anschläge wurden auf der einschlägig vorbelasteten Internetseite von „linksunten“ begrüßt, wenn nicht gar angebahnt: „angreifen nicht nur verteidigen“, steht da als Motto zu lesen, „das reaktionäre Pack“ müsse „zur rechenschaft gezogen werden“ und mittels Brandanschlägen „die notwendige quittung bekommen“. Warum, Herr Bundesjustizminister Maas, haben die Umtriebe dieses Hass-Portals bisher keine Entrüstungen und Distanzierungen ausgelöst, wie sie „Pegida“ zuteilwurden, von Verbotsanträgen ganz zu schweigen? Gibt es einen Aufstand der Anständigen gegen „linksunten“?

Zu einer historischen Stunde, da die Gewalt der Rechts- und Linksextremisten aus den jeweiligen Binnenzirkeln auf die Straße zu treten beginnt, bräuchte es nichts dringender als einen verlässlichen Rechtsstaat. Und woran mangelt es im Herbst der Merkel-Ära? An einem verlässlichen Rechtsstaat. Wie immer man die enormen illegalen Grenzübertritte Tag für Tag bewerten mag: Sie senden das Signal aus, dass dieses Deutschland in einem entscheidenden Punkt darauf verzichtet, Recht durchzusetzen. Der Aufenthalt von Menschen unbekannter Zahl ohne Aufenthaltsberechtigung auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik wird geduldet. Grenzen werden für faktisch irrelevant erklärt, „Neuankömmlinge“ für unregistrierbar, als wäre die Bundespolizei abgeschafft.

Ebenso irrelevant könnten die Eigentumsrechte werden, in die einzugreifen sich der Staat ausdrücklich vorbehält – um Wohnraum für Asylbewerber zu zwangsakquirieren. Ein Staat ohne sanktioniertes Staatsgebiet mit relativem Eigentumsrecht wäre indes ein nur relativer Rechtsstaat. So ist die vordringlichste Aufgabe, der Rechtsstaatlichkeit Geltung verschaffen, damit die Demokratie wachsen kann, und nicht, wie SPD-Vize Ralf Stegner bei „Maischberger“, „Juristerei“ für „völlig schnurz“ zu erklären, „wenn es um Menschen geht“. Umgekehrt, Herr Stegner: Gerade weil es um Menschen geht und deren Freiheiten, braucht es Recht und Gesetz und Juristerei.

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