Ein Polizist steht vor linken Aktivisten, die gegen den Landesparteitag der AfD in Kiel demonstrieren. Bild: picture alliance

Gewalt und Gesinnung - Auch linker Hass ist hässlich

Kisslers Konter: Wer Straftaten begeht, ist ein Straftäter. Diese Gleichung wird außer Kraft gesetzt, wenn Täter sich auf linke Motive berufen. Auch die Medien adeln Kriminelle dann gerne zu „Aktivisten“. Damit sollte Schluss sein

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Das Unwort des bisherigen Jahres heißt „Hass“. Knapp, aber deutlich führt es vor „Hetze“. Bei beiden Begriffen trifft inhaltliche Vagheit auf moralische Entschiedenheit. Hass und Hetze sind einerseits objektive Störungen der Kommunikation, hässliche Sprachhandlungen, andererseits ganz subjektive Empfindungen. Kritik ist nicht Hetze, Widerspruch nicht Hass. Hass will verletzen. Im Hass ersetzt die Herabwürdigung das Argument. In diesem Sinne erläuterte die Publizistin Carolin Emcke auf der re:publica, Hass sei kollektiv und „ideologisch geformt“.

Damit ist die Frage nicht beantwortet, woher der linke Hass stammt.

Derzeit gibt es neben den von Emcke benannten schlimmen Subjekten des Hasses – den Pöblern vor der Asylbewerberunterkunft in Clausnitz, den Ausländerhassern bei Facebook, den Lügen erfindenden Flüchtlingsfeinden – eine Explosion linken Hasses. Dieser aber wird anders als sein ebenso verwerfliches Pendant auf der politischen Gegenseite kaum problematisiert. Das Beiwort „links“ hat einen derart guten, altmodisch völkerbeglückenden Klang, dass es zum Schmuckpapier des Hasses wird und ihn versüßt. Linker Hass – ist das nicht ein Widerspruch in sich?

Polizisten schlägt kein vergleichbares Mitgefühl entgegen
 

Als etwa am 1. Mai in Berlin bei der „traditionellen linksautonomen Demonstration“ (ja, auch Randale ist traditionsfähig) 59 Polizisten verletzt worden waren, sprach Innensenator Frank Henkel von einer „überwiegend positiven Bilanz“. Man stelle sich vor, bei einer Manifestation rechten Hasses wären 59 Asylbewerber verletzt worden und danach erklärte ein Ortsbürgermeister, die Demonstration sei „überwiegend positiv“ verlaufen: Die Hölle wäre los, zu Recht. Den Opfern linken Hasses, speziell Polizisten, schlägt kein vergleichbares Mitgefühl entgegen.

Und zwar nicht nur, aber besonders in Berlin: „In keiner deutschen Stadt gibt es so viele linksradikale Veranstaltungen wie in Berlin. Fast täglich gibt es eine, in einem der 12 Bezirke der Hauptstadt“. So steht es, formuliert von einem „Komitee der 1. Liga für Autonome“ auf der führenden Plattform linksextremen Hasses, Indymedia. Gemeint ist mit der „1. Liga“ die „Randaleliga“, in der führt, wer möglichst viel kaputt schlägt im vermeintlichen Klassenkampf für eine besitzlose Welt. Die Losung lautet: „Ob Bullen, Politiker, Nazis oder Immo-Schweine - niemand sollte sich mit der Straße anlegen.“ Für die Straße gibt sich eine Corona Krimineller aus, die stolz und offen einsehbar mit ihren Gewalttaten prahlt, mit „Angriffen auf verschiedene Objekte und vielem mehr“. Die Tabelle zur Liga soll von „Antifa e.V. gesponsert“ werden, ist aber momentan inaktiv.

Digitaler und analoger linker Hass
 

Das 2008 als „Waffe der Subversion“ gegründete Hass-Portal war Medium der Wahl, um die Daten der Teilnehmer am Stuttgarter AfD-Bundesparteitag zu leaken. Man kann einen solchen Informationsdiebstahl samt öffentlichem Pranger durchaus den „Nazi-Methoden“ zurechnen. Mindestens eine konkrete Todesdrohung war die Folge, auch wurden auf Indymedia Hausbesuche und Arbeitgebergespräche angekündigt, um den AfD-Leuten das Leben zu verleiden und sie sozial zu stigmatisieren. Innensenator Henkel wurde auf Indymedia schon mit Ermordung gedroht. Wie lange darf das in seiner Gewaltverherrlichung schmamlose Portal noch sein Gift verspritzen? Kümmert sich die gegen Hassreden im Internet gerichtete Taskforce des Bundesjustizministers auch um Indymedia? Es wäre an der Zeit.

Auch in der analogen Welt tobt sich der linke Hass auf Staat und Ordnung und alles Nichtlinke aus. In Zürich wurden um den 1. Mai von „rund 300 Linksautonomen (…) Rauchpetarden und Knallkörper gezündet, Scheiben eingeschlagen und Farbbeutel an Fassaden geworfen. Die Chaoten hatten es dabei insbesondere auf Gebäude der Kantonspolizei abgesehen“. Für Verwüstung sorgte eine weitere Gruppe „linker Aktivisten“, die „äußerst gewaltbereit“ durch die Straßen von Zürich zogen, Auto und Container anzündeten, Scheiben einschlugen. In Hamburg gingen derweil beim „Klassenfest gegen Staat und Kapital“ Autos in Flammen auf, wurden Steine, Flaschen und Böller gegen Polizisten geschleudert – und am Brenner jagten rund 500 „Aktivisten“, „Demonstranten“, „jugendliche Anarchisten“ Polizisten, warfen Feuerwerkskörper auf Menschen und Dinge, um ein Zeichen zu setzen gegen den österreichischen Grenzschutz.

Keine „Aktivisten“, sondern Straftäter
 

Wie bitte? „Aktivisten“ sollen es sein, die weder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung akzeptieren noch das Eigentumsrecht, noch das Gewaltmonopol des Staates, noch die Unversehrtheit des Körpers? Leider übernehmen viele Medien die Selbstnobilitierung der Kriminellen zu Politakteuren im Sinn einer letztlich doch irgendwie guten Sache. Nein, dem ist ganz und gar nicht so. Wenn auf Indymedia die Besetzung einer Berliner Ferienwohnung mit dem Slogan „Ferienwohnungen beschlagnahmen – Geflüchtete und Wohnungslose einziehen lassen“ relativiert wird, sollte solche Publikumsverdummung nicht verfangen. Straftaten sind Straftaten sind Straftaten, unbeschadet aller rhetorischen Einkleidung.

Solange es kriminelle Handlungen gibt, die zurecht verurteilt werden, weil sie kriminell sind, und kriminelle Handlungen, die minder schlimm sind, weil sie irregeleitete politische Statements seien, entfaltet das doppelte Maß seine verdummende Kraft. Die Linke ist auch deshalb in Wort und Tat so ziemlich heruntergekommen, weil ihr ein kritischer Widerpart fehlt, der ihre Selbstwidersprüche entlarvte. Sie „hat sich von ihren aufklärerischen Wurzeln entfernt“, hält sich „per se für moralische Wahrheitsbesitzer“ und hat vergessen, wofür sie einmal stritt: dass Kritik die andere Seite der Selbstkritik ist – und keine Wahrheit ohne Argument sein kann. Der Schlaf der Vernunft im Schnellzug zur Macht rächt sich. Die Linke bezahlt ihre Erfolge mit Differenzierungsscheu und Relativierungsgier im Angesicht des Hasses.

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