
- Mit Gain-of-Function-Forschung ist die nächste Pandemie programmiert
In der Debatte um den wahrscheinlichen Labor-Ursprung des Coronavirus wird meist vergessen, dass auch in Deutschland sogenannte Gain-of-Function-Forschung betrieben wird. Weltweit fordern zahlreiche Forscher ein Verbot dieser gefährlichen Form der Virenforschung.
In Sachen Corona gleicht der öffentliche Diskurs einem albtraumhaften Theaterstück. In Endlosschleife wird da etwas zutiefst Verstörendes aufgeführt. Der Saal ist dauerhaft verriegelt, das Grauen hat eine bösartige Tiefe, denn es handelt sich um ein postdramatisches Mitmachtheater, mit wechselnden Arbeitstiteln. „Die Pandemie der Ungeimpften“ erwies sich in Bezug auf die Aktivierung des Publikums als besonders erfolgreich. Kürzlich hieß das Stück nicht mehr „irgendwas mit ungeimpft“, sondern: „Das Geheimnis von Wuhan“. So nannte die Süddeutsche Zeitung (SZ) ihre in Zusammenarbeit mit der Zeit vollbrachte „Enthüllungsgeschichte“, wonach der Bundesnachrichtendienst (BND) seit 2020 davon ausgehe, dass das Coronavirus wahrscheinlich aus einem Labor stamme. Es scheint, die Mitmach-Energie der Zuschauer solle nun umgelenkt werden auf die „bösen Chinesen“.
Denn, so heißt es im Artikel von SZ und Zeit, es gebe „neue Belege“, „dass die Chinesen über Grenzen gehen“. Experimente mit Mers-Viren, „noch gefährlicher als Sars-Coronaviren“, werden sorgenvoll erwähnt: „Kaum auszudenken, was ein Ausbruch einer Mers-Pandemie bedeuten würde.“ Das ZDF nickte dazu heftig und servierte in einem Bericht ein weiteres „Horrorszenario, das Amerikas Geheimdienste umtreibt“. Es geht um ein künstliches Virus, das nur bestimmte ethnische Gruppen angreifen könnte. „Genau damit beschäftigt sich nämlich eine Forschungsabteilung der Nationalen Universität für Verteidigungstechnologie Chinas seit Jahren“, erklärte das ZDF.
Vor diesem Hintergrund titelte auch der Freitag gänzlich ironiefrei: „Ein Hoch auf den BND“ und verkündete, man könne „dem BND nur dankbar sein“, denn jetzt könne eine „Debatte über die Gefahr von Biowaffen losgehen“. Auch im Artikel von Zeit und SZ ist von einer „überlebenswichtigen Diskussion“ die Rede. All das ist groteske Heuchelei, denn die geforderte „Debatte“ findet seit Jahren statt, wird aber heftig bekämpft – politisch, wissenschaftlich, journalistisch. Als lächerlich gemachtes Hintergrundgeraune schafft sie es nur dann auf die Hauptbühne des öffentlichen Diskurses, wenn klar ist, dass die Schurken jenseits des Wertewestens zu suchen sind.
Verhängnisvollerweise war es ausgerechnet die AfD, die in den letzten Jahren tatsächlich versuchte, die „überlebenswichtige Diskussion“ anzustoßen. Von der Linkspartei bis zur CDU und FDP beschworen alle anderen Parteien zwar den „Kampf gegen rechts“, überließen aber existenziell wichtige Sachthemen der Rechtsaußenpartei, was deren Attraktivität für viele Wähler erheblich gesteigert haben dürfte. Die AfD stellte seit 2021 mehrere kleine Anfragen an die Bundesregierung, die sich mit der sogenannten „Gain-of-function-Forschung“ und der Herkunft des Coronavirus beschäftigen. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages definiert die Gain-of-Function-Forschung in einem Sachstandsbericht 2021 als „Teilbereich der biologischen Forschung“. Es kommen Experimente zum Einsatz, die Krankheitserreger „in Hinblick auf ihre Funktionsweise“ verändern – teilweise werden sie dadurch ansteckender oder tödlicher.
„Verletzung der internationalen Biowaffenkonvention“
Die AfD wollte nun in ihren Anfragen wissen, wie es mit der Anwendung, Regulierung und Finanzierung dieser Forschung in Deutschland aussieht. Die Bundesregierung antwortete zurückhaltend. Sie bestätigte: „Solche Untersuchungen finden auch in Deutschland statt (darunter auch an der Charité, Berlin).“ Möglicherweise würden Gain-of-Function-Experimente auch mit Bundesmitteln finanziert, aber über „die genaue Anzahl laufender und vergangener Projekte sowie über die ausführenden Forschungsinstitute liegen der Bundesregierung keine Informationen vor“, hieß es in einer ersten Antwort.
Als die AfD genauer nachhakte, was die Bundesregierung über Gain-of-Function-Forschung in deutschen Hochsicherheitslaboren der höchsten Sicherheitsstufe (S4) wisse, antwortete die Bundesregierung, weder im entsprechenden Labor des Robert-Koch-Instituts (Berlin) noch des Friedrich-Loeffler-Institutes (Insel Riems) werde Gain-of-Function-Forschung betrieben. Auch im S4-Labor des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (Hamburg) werde keine Gain-of-Function-Forschung durchgeführt, die darauf abziele, gefährlichen Erregern „zusätzliche oder erweiterte Fähigkeiten zu verleihen, die für den Menschen oder die Umwelt eine Gefahr darstellen könnten“. Die AfD hatte explizit auch nach Gain-of-Function-Forschung im vierten deutschen S4-Labor am Institut für Virologie an der Phillips-Universität in Marburg gefragt. Dazu schreibt die Regierung: nichts.
Das ist interessant, denn in Marburg wird derzeit neben dem bereits seit 2007 bestehenden Hochsicherheitslabor ein neues, größeres gebaut – Kosten: rund 50 Millionen Euro. Die FAZ berichtete 2024 ehrfürchtig, in Marburg werde mit Viren gearbeitet, „die jeden zweiten Menschen umbringen, den sie infizieren“. Im Text ist etwa von Filoviren die Rede, die das Ebola- oder Marburg-Fieber verursachen können. Laut der FAZ bestätigt Stephan Becker, Direktor des Marburger Instituts für Virologie, dass dort „rekombinante Viren“ hergestellt würden. Auch die FAZ räumt ein: „Diese sogenannte Gain-of-Function-Forschung ist heikel.“ Doch Becker beschwichtigt: Die Experimente würden „nicht unbedingt“ zu einer Veränderung der Infektiösität führen. „Ungefähr 95 Prozent der Gain-of-Function-Forschung hat nichts mit der Pathogenität zu tun“, erklärt Becker. Laut FAZ werbe er dafür, „Impfstoffe gegen potentiell hochgefährliche Erreger auch dann bis zur Einsatzreife zu entwickeln, wenn es gerade keine Ausbruch gebe“. Die FAZ hält fest, es sei „unerlässlich, die Eigenarten bestimmter Virengruppen im Detail zu verstehen“, um schnell auf neue Varianten reagieren zu können.
Als Verschwörungstheorie gebrandmarkt
Das sieht Roland Wiesendanger ganz anders. In einem auf YouTube abrufbaren ausführlichen Gespräch erteilt der Hamburger Nanophysik-Professor Anfang März dem Argument, mit der Gain-of-Function-Forschung lasse sich das Pandemiepotenzial erforschen und dadurch Prävention betreiben, eine Abfuhr. „Es ist im Prinzip genau so, wie wenn Sie mit einem Brandwerfer durch eine Scheune gehen, um das Brandpotenzial aufzuzeigen“, sagt er. Aus seiner Sicht dürfe die Gain-of-Function-Forschung mit pandemiefähigen Erregern „nicht länger als reine Grundlagenforschung“ angesehen werden. Es handele sich vielmehr um eine „Verletzung der internationalen Biowaffenkonvention“. Aus dieser Sorge heraus tat Wiesendanger sehr früh das, was manche seit dem Bericht zum „Geheimnis von Wuhan“ scheinheilig fordern, aber selbst nicht einlösen: Er stieß eine Debatte an.
Im Februar 2021 veröffentlichte er nach einjähriger Forschung seine Studie zum aus seiner Sicht wahrscheinlichen Laborursprung des Coronavirus. Über der Pressemitteilung der Universität Hamburg stand: „Breit angelegte Diskussion als Ziel“. Doch nachdem der mögliche Laborursprung des Coronavirus – unter anderem vom Berliner Virologen Christian Drosten – öffentlichkeitswirksam und mit nachhaltigem Erfolg als „Verschwörungstheorie“ gebrandmarkt worden war, war eine sachliche Diskussion in den Medien nahezu unmöglich und erwies sich auch in der angeblich freien Wissenschaft als heikel. Wiesendanger wurde diffamiert. In besagtem Gespräch Anfang März redet er offen über die Zensur, mit der das Thema belegt sei. Er erwähnt nicht nur die sogenannten Twitter-Files, sondern erzählt auch, dass er seine Studie zum Laborursprung vor Veröffentlichung auch Virologen in Deutschland geschickt habe: „Da waren auch sehr berühmte dabei“, sagt Wiesendanger. Die Fachleute hätten ihm allesamt zurückgemeldet, mit seiner Studie sei „alles in Ordnung“, aber sie selbst „hätten dazu nichts sagen dürfen“.
Ein Jahr später initiierte Wiesendanger die „Hamburger Erklärung“. Es handelt sich um einen „Aufruf zur weltweiten Beendigung der hoch risikoreichen ‚Gain-of-function‘-Forschung an Krankheitserregern mit weltweitem Pandemie-Potential“. Insgesamt 50 Forscher aus Deutschland, den USA, Österreich, Frankreich, Schweden, Belgien, Italien, Portugal, dem Vereinigten Königreich, Japan, Indien, Australien, Neuseeland und Puerto Rico unterzeichneten den Aufruf. „Kein Biotechnologielabor der Welt ist jedoch sicher genug, um einen Austritt solcher gentechnisch veränderter Viren garantiert ausschließen zu können“, heißt es in der Erklärung.
Donald Trump hat angeordnet, Gain-of-Function-Forschung zu stoppen
Tatsächlich gibt es viele besorgniserregende Beispiele. Selbst der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags gibt lapidar zu: „In der Vergangenheit sind versehentliche Infektionen von Mitarbeitern von Hochsicherheitslaboren erfolgt (beispielsweise mit severe acute respiratory syndrome (SARS))“. Dem Virologen Christian Drosten wirft Wiesendanger vor, „mitten im Zentrum von Berlin“ riskante Gain-of-Function-Forschung mit Mers-Viren durchzuführen. Drosten koordiniert den RAPID-Forschungsverbund am Institut für Virologie der Berliner Charité („Risk Assessment in Prepandemic Respiratory Infectious Diseases“). Allerdings bestreitet die Charité, Experimente durchzuführen, „bei denen gezielt die Virulenz oder die Übertragbarkeit von Viren erhöht werden“, wie aus einer Antwort des Berliner Senats auf eine parlamentarische Anfrage im Jahr 2022 hervorgeht.
Wiesendanger erwähnte im Gespräch Anfang März außerdem den verheerenden Ebola-Ausbruch 2014 in Westafrika, der „höchstwahrscheinlich“ durch „Missmanagement in einem Biolabor“ unter US-Aufsicht zustande gekommen sei. Independent Science News for Food and Agriculture schilderte den Fall und seine mutmaßliche Vertuschung durch namhafte Virologen und unsaubere Berichterstattung bereits 2022 ausführlich. Inzwischen halten sogar die USA die Regulierung und Aufsicht für unzureichend. Präsident Donald Trump unterzeichnete am 5. Mai eine Anordnung, um „gefährliche Gain-of-Function-Forschung“ zu „stoppen“. Die Anordnung verbietet unter anderem die staatliche Finanzierung von Forschung im Ausland, die „eine weitere Pandemie auslösen könnte“. Außerdem werden US-Behörden angewiesen, „Durchsetzungs- und Meldemechanismen“ zu erarbeiten, um eine bessere Kontrolle zu gewährleisten. In der Vergangenheit hätten Wissenschaftler die möglichen „gesellschaftlichen Schäden“ dieser Forschung nicht anerkannt und sich durch „subjektive Auslegung von Richtlinien (‚policies‘)“ der Aufsicht entzogen.
Der BND muss keine Fragen zu seinen Erkenntnissen zum Corona-Laborursprung beantworten
Vor diesem Hintergrund erscheint es weder unvernünftig noch extremistisch, auch hierzulande „gefahrbringende Anwendungsbereiche der Virenforschung“ verbieten zu wollen. Just die AfD formulierte 2023 einen entsprechenden Verbotsantrag. Die Partei forderte, einen „klaren Kriterienkatalog“ zu entwickeln, „welche Form der Gain-of-Function-Forschung verboten und welche auch zukünftig erlaubt sein wird. Diese Kriterien müssen jegliche Form von Forschung, die die potenzielle Gefährlichkeit von Krankheitserregern erhöht, eindeutig und rechtssicher ausschließen“. Die Debatte dazu im Parlament hatte nicht viel mehr als die üblichen Reflexe zu bieten. Die AfD würde das „Tor für Verschwörungstheorien und Paranoia öffnen“ (Linke), es sei „unerträglich, wie jegliche Forschungsprozesse hier von Rechtsaußen infrage gestellt werden“ (FDP), der Antrag sei eine „wissenschaftsfeindliche Bankrotterklärung“ (SPD) sowie „Angstmache und Raunen“ (Grüne). Ein CDU-Abgeordneter versuchte gar eine lyrische Entgegnung: „In Zeiten der Unsicherheit und Komplexität ist die Wissenschaft unser sicherer Hafen, unser Kompass, der uns durch unbekannte Gewässer navigiert.“ Die AfD hingegen wolle „auf dem Ozean der Ungewissheit segeln“.
Das ist das Niveau, auf dem die „überlebenswichtige Diskussion“ bislang geführt wurde. Nach fünf Jahren Corona-Spektakel scheint das Publikum gleichzeitig erschöpft und uneingestanden verwirrt. Ein Großteil der Zuschauer versucht, die vergangene Zumutung gierig mit neuen Apokalypsen zu verdrängen (Kommt die nächste Pandemie? Bestimmt! Wann kommen Russen? Bald!). Der Rest hängt sediert in den Sitzen und will sich an nichts Genaues erinnern (War da was? Wir haben die Pandemie doch gut überstanden!). Derweil berichtet die Welt, das Bundesverwaltungsgericht habe nach einer Klage des Axel-Springer-Verlags entschieden, dass der BND keine Fragen zu seinen Erkenntnissen zum Corona-Laborursprung beantworten müsse, ebensowenig zu einer angeblichen Zusammenarbeit mit Drosten. Der Theatersaal bleibt bis auf Weiteres verriegelt.
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Sehr guter Artikel. Lediglich die Aussage
"...überließen aber existenziell wichtige Sachthemen der Rechtsaußenpartei.....,"
war völlig überflüssig.
So überflüssig wie die Gain-of-Function-Forschung.
Da in Deutschland zu viele gekaufte Wissenschaftler, Politiker, Staats-Medien in diese menschenverachtende Wissenschaft/Forschung involviert sind, wird es hier etwas länger dauern, Abhilfe zu schaffen.
In den USA ist es ja wohl offensichtlich gelungen.
wird verunglimpft. Las man von den Bemühungen der AFD etwas in den Msm oder hörte man was im ÖRR? Diese und viele andere Fragen hat die AFD in Bund und Ländern an Regierungen gestellt. Hat auch neben BILD Klagen geführt, teils gewonnen und teils verloren. Immer wurde der Eindruck erweckt, das Nachfragen, das Kritisieren, das Misstrauen sei demokratiegefährdend. Wie wollen Politiker solche Labore wirklich kontrollieren, wenn sie nicht in den eigenen Reihen ehrbare und gewissenhafte Wissenschaftler haben? Stattdessen wird Leuten wie Drosten & Co. vertraut, sie sogar noch hochdekoriert mit Orden. Und tatsächlich haben sie sich an Verbrechen gegen die Menschheit beteiligt und lügen bis heute über ihre Teilnahme und ihr Wissen. Und Gericht schützen die staatlichen Stellen auch noch, die dem Bürger eigentlich verpflichtet sein sollten und nicht Schweinereien von Organisationen oder der Politik decken sollten. Wer sägt also an unserer Demokratie? Die AFD jedenfalls nicht.
Herrn "Drosten & Co".
Wenn Sie etwas nicht genau wissen, dann fragen Sie doch bitte, ob diese Leute sich daran beteiligt haben.
Ich weiss nicht einmal in welchem Rahmen diese Forschung in der Bundesrepublik gestattet ist, wie das begründet wird und ob es Zusammenarbeit des Herrn Prof. Drosten oder der damaligen Bundesregierung mit diesem Institut in Wuhan gab.
Ich bin also über Informationen sehr dankbar.