Kombination zweier Star-Images: Angelina Jolie als Maria Callas / STUDIOCANAL GmbH

Film der Woche: „Maria“ - Ennui vom Feinsten

Das Biopic „Maria“ erzählt von den letzten Tagen der Operndiva Maria Callas. Eigentlich eine gute Idee. Doch trotz Starbesetzung mit Angelina Jolie und stilvoller Ästhetik langweilt der Film. Der legendären Sopranistin wird er nicht gerecht.

Autoreninfo

Ursula Kähler ist promovierte Filmwissenschaftlerin und arbeitete unter anderem am Deutschen Filminstitut & Filmmuseum in Frankfurt am Main. Sie veröffentlichte „Der Filmproduzent Ludwig Waldleitner“ (2007) und „Franz Schnyder. Regisseur der Nation“ (2020).

 

So erreichen Sie Ursula Kähler:

„Mi struggo e mi tormento“. Kaum ein Vers eines Librettos passt so trefflich zum Schlussakt des Lebens der Maria Callas. Er stammt aus der berühmten Arie „O mio babbino caro“, die Regisseur Pablo Larraín aus dem Repertoire der Sängerin für seine Filmbiografie wählte. Komponiert hat sie Giacomo Puccini für den Einakter „Gianni Schicci“. Lauretta schildert darin ihrem Vater die Liebe zu Rinuccio, ohne die sie nicht sein will. Kann sie ihn nicht heiraten, droht sie, sich im Arno zu ertränken. Und so singt die Verzweifelte, dass sie sich zerstöre und quäle. Genau wie die Callas in den Tagen vor ihrem Tod am 16. September 1977.  

Pablo Larraín nennt sein Biopic schlicht „Maria“. Der Titel suggeriert, dass man mithilfe des Films der Ausnahmekünstlerin, die noch immer von Millionen Fans als größte Sopranistin aller Zeiten verehrt wird, näher kommt. Dieses Versprechen löst der Chilene nur bedingt ein. Was er präsentiert, ist unterm Strich bloß eine langatmige Fantasie über Callas‘ letzte Lebenswoche. Die Recherchen des Regisseurs waren zwar gründlich. Doch gibt er zu: „Ich bin mir noch immer nicht sicher, wer sie war.“ Maria Callas sei ein Mysterium, das man nie vollständig begreife. Die Schwammigkeit, die Larraíns Aussagen innewohnt, sieht man dem Film an. Dabei bietet eine spärliche Quellenlage durchaus Vorteile – vor allem in kreativer Hinsicht. Genutzt wurde diese Chance hier allerdings nicht.

Empathie kommt beim Betrachter keine auf

„Maria“ beginnt mit dem Ende der Sängerin. Die Anfangssequenz präsentiert eine Art Tableau Vivant, auf dem sich diverse Personen in einem feudalen Pariser Appartement um einen reglosen Körper am Boden gruppieren. Ein weißes Tuch bedeckt die Leiche. Neben einem Arzt, Sanitätern und Polizisten befinden sich dort auch die Haushälterin Bruna (Alba Rohrbacher) sowie der Butler Ferruccio (Pierfrancesco Favino). Anschließend entwickelt sich der Plot rückwärts zu einem wilden Mix aus Collagen, Traumsequenzen und einigen linear erzählten Szenen. Er oszilliert dabei stets zwischen Wahn und Realität. Seit Jahren hat sich die mittlerweile 53-Jährige aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Nun tyrannisiert sie ihre beiden treuen Angestellten, verbrennt Kostüme und schwelgt in Erinnerungen an bessere Zeiten. Empathie kommt beim Betrachter keine auf.

Eines Tages imaginiert La Callas den schnöseligen TV-Journalisten Mandrax (Kodi Smit-McPhee), benannt nach dem Sedativum, das sie zum Betäuben ihrer inneren Dämonen benötigt. Die Gespräche mit ihm lassen sie aufblühen. Rückblicke illustrieren berufliche Höhepunkte und die Beziehung zu Aristoteles Onassis – vom Kennenlernen über sonnige Yacht-Urlaube bis hin zum Totenbett des Reeders. Ein letztes Mal will sie sogar auf die Bühne zurückkehren. Der Versuch, die Kontrolle über ihre Stimme wiederzuerlangen, soll das Leben neu ordnen. Die Proben offenbaren dann aber den quälenden Verlust einer einzigartigen Begabung.  

Die Besetzung ist ein schlechter PR-Gag

Gespielt wird Maria Callas von Hollywoodstar Angelina Jolie. Larraín inszeniert sie in ikonischen Auftritten als Norma, Anna Bolena oder Tosca. Sieben Monate lang nahm die Darstellerin Gesangsunterricht. Ihre Stimme vermischt der Regisseur digital mit der von Callas. Je älter und fragiler die Opernsängerin, desto höher steigt der Anteil von Jolies Gesang. Technik und Eifer mögen indessen nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Besetzung ein schlechter PR-Gag ist. Jolie gleicht einem albernen, für die Vogue gestylten Vintage-Topmodel, was jeglicher Form von Intellekt und Gravitas, die „La Divina“ nun mal besaß, entbehrt. Vor allem aber wirkt die Kombination beider Star-Images kontraproduktiv, da sie konstant vom historischen Vorbild ablenkt. Jolie könne eine Ikone wie Maria Callas spielen, weil auch sie etwas Rätselhaftes habe, so der Regisseur. Diva spielt Diva. Schwuler spielt Schwulen. Behinderter spielt Behinderten. Diese Logik mag politisch korrekt sein. Künstlerisch ist sie nicht immer die beste Wahl.

Mit „Maria“ – übrigens eine deutsch-italienisch-chilenisch-amerikanische Koproduktion – schließt Pablo Larraín seine Trilogie über berühmte Frauen des letzten Jahrhunderts ab. Zu dem Zyklus gehören „Jackie“ (2016) mit Natalie Portman als Jacqueline Kennedy und „Spencer“ (2021), in der Kristen Stewart Lady Diana verkörperte. Alle drei Filme belegen Larraíns Stilsicherheit und persönliche Handschrift. Die Werke sind allerdings so eigenwillig konstruiert, dass sie das klassische Erzählen vollkommen ignorieren. Das muss kein Fehler sein, im Gegenteil. Doch im vorliegenden Fall entsteht: Langeweile. Schade. Denn gerade die Vita von Maria Callas besitzt alle notwendigen Komponenten für ein glanzvolles Biopic. Was bleibt, ist ein angestrengter filmischer Trip über eine innerlich zerrüttete Frau, gespielt von einer mittelmäßigen Darstellerin im Dekor eines trivialen Hochglanzmagazins.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Sabine Lehmann | Mi., 5. Februar 2025 - 15:41

Für Charakterrollen bedarf es einer gewissen Tiefe u. Ausstrahlungskraft. Abgesehen von ihrem guten Aussehen hat Angelina Jolie beides nicht. Ich kenne von ihr auch nur zwei Gesichtsausdrücke, von daher wird da schon mimisch nicht viel über die Leinwand transportiert. Solch Wesentliches schauspielerischen Talents lässt sich auch nicht über Dialoge kompensieren. Deswegen ist dieser Film ein geradezu klassisches Beispiel einer Fehlbesetzung.
Wer sich aktuell gerne entführen lassen möchte in eine emotionale Achterbahn u. sich nicht davor scheut, das ein oder andere Taschentuch zu gebrauchen, für den habe ich zwei Film-Tipps aus dem laufenden TV-Programm. Thematisch könnten sie unterschiedlicher nicht sein, aber ihr Wesen ist von so eindringlicher Tiefe & Emotionalität, dass sie fesseln von der ersten bis zur letzten Minute:
"In ihren Augen"(spanischer Film) und "In sicheren Händen"(französischer Film, untermalt mit wunderbarem Klavier-Spiel). Beides lief auf "one"(ARD-Sender). Schluchz;-)

Heidrun Schuppan | Mi., 5. Februar 2025 - 15:44

ich glaube auf arte, gesehen, was kein Hollywoodfilm zeigen kann. Und so möchte ich sie in Erinnerung behalten, dazu den Film "Medea" mit der Callas in der Titelrolle. Zusammen wird alles ihrem Lebenswerk gerecht. Hollywood muss nicht jeden und alles verweigen wollen.

Dorothee Sehrt-Irrek | Do., 6. Februar 2025 - 11:04

hier von Frau Kähler, bei der ZEIT von Frau Lemke-Matwey.
Letztere kniet nieder vor einer der größten dramatischen? Sopranistinnen des letzten Jahrhunderts und vielleicht der immerhin Schönheit von Frau Jolie.
Man beachte aber, sie sang mit! Eine tolle Leistung.
Ich habe schon nicht begriffen, wie aus Frau Portman Jacqueline Kennedy werden konnte oder aus Frau Stewart Lady Diana.
Nun also ein dritter Versuch.
Mich freut, dass die Portraitierten nicht "eingefangen" werden konnten, dass sie also geschützt bleiben, sehe aber auch, dass sie zu groß waren, um unkommentiert zu bleiben.
Wenigstens muss man nicht weinen?
Ich fand ja die beste Wiedergabe Che Guevaras durch Richard Burton in "Die Stunde der Komödianten".
Danke für die Rezensionen und die beiden klugen Kommentatorinnen.