Asia-Imbiss in Berlin
Garantiert nicht authentisch: Asia-Imbiss in Berlin / picture alliance / dpa | Schuh, Florian

Etikettenschwindel in der Gastronomie - Alles soll „authentisch“ sein

Unser Genusskolumnist geht ja eher selten aushäusig essen. Und wenn doch, dann will er gerne mal was Neues probieren. Dabei hat er gelernt: Je schriller die Werbebotschaften, desto merkwürdiger ist das Angebot.

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Wenn man sich in der großstädtischen Gastronomie umguckt, stößt man häufig auf den Begriff „authentisch“. Früher reichten ein simples „Spezialitäten aus ...“ oder „traditionelle Küche aus ...“, aber heute muss es schon „authentisch“ sein.

Damit lehnt man sich eigentlich ziemlich weit aus dem Fenster. In gängigen Wörterbüchern werden dafür Bedeutungen bzw. Synonyme wie echt, originär, unverändert, unverfälscht, ursprünglich, wahr, wahrhaftig, glaubwürdig, verbürgt oder „hinsichtlich der Echtheit gesichert und daher zuverlässig“ angegeben.

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Walter Bühler | Sa., 14. Juni 2025 - 09:42

Wieder ein sehr schöner und kluger Artikel aus Berlin-Mitte, und zwar aus dem Teil des Bezirks, der nicht zur aufgedonnerten Hauptstadt-Blase gehört. Vielen Dank!
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"Je schriller die Werbebotschaften, desto merkwürdiger ist das Angebot."
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Das ist die Quintessenz, die Herr Balcerowiak aus seinen Erfahrungen mit "authentischem" Essen gewonnen hat. Sie kann mMn sogar als ein Grundprinzip aufgefasst werden, das im heutigen Deutschland überlebensnotwendig ist.

Dieses Prinzip ist nämlich nicht nur in der Gastronomie wichtig, sondern in der gesamten Wirtschaft, in den Medien und vor allem auch in der Politik.

Hüten wir uns vor den schrillen Betrügern, die heute nicht nur in den Medien, sonder überall ihr Unwesen treiben!

Achten und suchen wir vielmehr die, die im Rahmen ihrer Kräfte und Fähigkeiten "authentisch" und bescheiden genau das machen, was sie selbst einmal gelernt haben und was sie selbst wirklich können - wie einst Margot im Moabiter Fußballtreff.

Thomas Veit | Sa., 14. Juni 2025 - 11:53

'moderne Gesellschaft'. Wo 'Influenzer:innen' Millionen mit Kosmetikpräsentation und man zumindest einige Tausender mit 'Auspackvideos' 'verdienen' kann ist diese 'kulinarische Verblödungstendenz' doch nur logische Folge...

'Der Prenzlberg' will es so. Paaast! 😉

Ines Schulte | Sa., 14. Juni 2025 - 17:43

...in der Küche und als Gäste stark repräsentiert sind."
Das wäre schön, auch in meinem eigenen Herkunftsland.
Haben mal in einer fränkischen Kleinstadt versucht, die fränkische Spezialität "Schäufele" zu essen . Nach den oben im Bericht angelaufenen Lokalen aller Herren Länder wollten wir schon aufgeben, bis wir in einem Wienerwald die letzte Portion bekamen. Ein prägendes Erlebnis in einem authentischen Lokal. Jedenfalls wird diese Stadt auf immer mit dem "Schäufele"-Marathon verbunden sein. So geht es in Zentren im Rheinland ggfs. auch beim Sauerbraten?...

S. Kaiser | So., 15. Juni 2025 - 09:27

Bei Ethno-Restaurants gibt es eine einfache Faustregel: Je stylischer das Lokal, desto weniger authentisch die Küche.
„Echte“ asiatische Küche findet man idR in verratzen Buden, in denen sich möglichst viele dort beheimatete als Gäste zusammenfinden.
Oftmals haben diese Lokalitäten 2 Karten: eine deutsche offizielle und eine für die Community in der Diaspora.
Und wenn man mit den Inhabern von solchen Restaurants spricht, sagen die einem durch die Bank weg, dass viele Deutsche die Originalgerichte gar nicht mögen. Insofern, solange es keine nennenswerte Migration aus diesen Ländern am jeweiligen Ort gibt, so dass man sich mit authentischer Küche sich über Wasser halten kann, ist man gezwungen, sich dem einheimischen dtschn Geschmack anzupassen.
In der Provinz ist man dh besser bei gängiger Gasthausküche aufgehoben, und da gibt es durchaus Perlen, die jenseits des Schnitzels tolle Gerichte anzubieten haben.

K. Vetter | So., 15. Juni 2025 - 20:16

der entsprechenden Lokale macht man unterschiedliche Erfahrungen. Hatten wir vor über 30 Jahren in China noch tatsächlich authentische chinesische, in diesem Fall kantonesische, Küche bekommen, wird dies wohl heute nicht mehr so sein. Erstaunlich, ganz anders als "beim Chinesen um die Ecke". Wie Tourismus die Sitten verdirbt konnten wir vor einigen Jahren in Vietnam erfahren. Man war sich nicht zu blöd um in Saigon ein Lokal namens "Hofbräuhaus" zu betreiben. Natürlich mit authentischen vietnamesischen Originalgerichten.