Fanzösische Revolution: Die Frauen marschieren nach Versailles. Gemälde von Valentine Cameron Prinsep, 1894 / picture alliance / Mary Evans Picture Library

Erosion des Vertrauens - Wann droht ein politisches System zu zerfallen?

Kontinuierlich werden in Europa die Grundlagen der einzigartigen Mischung aus Kultur, Wohlstand und Sicherheit unterminiert. Nicht Putin und Trump sind die größte Gefahr, sondern der galoppierende Verlust des Vertrauens in das eigene politische System und dessen Repräsentanten.

Autoreninfo

Dr. phil. Dominik Pietzcker studierte Philosophie, Geschichte und Germanistik. Von 1996 bis 2011 in leitender Funktion in der Kommunikationsbranche tätig, u.a. für die Europäische Kommission, diverse Bundesministerien und das Bundespräsidialamt. Seit 2012 Professur für Kommunikation an der Macromedia University of Applied Sciences, Hamburg. Er ist Visiting Scholar der Fudan University, Shanghai. Zahlreiche Veröffentlichungen, zuletzt „Was ist Schönheit? Eine kurze Geschichte der Ästhetik“ (Herder Verlag).

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Der wunderbare Film „Die große Illusion“ von Jean Renoir (1937) zeigt vor dem Hintergrund des Ersten Weltkrieges die Protagonisten einer Welt, die dem Untergang geweiht ist. Adel und Großbourgeoisie danken ab – in der Krise der Moderne haben ihre Werte und Tugenden, Ideologien und Rituale keinerlei Bestand und werden einfach vom Lauf der Geschichte hinweggewischt. Am Alten und Hergebrachten dennoch festzuhalten, ist einerseits nobel und ehrenwert, andererseits selbstmörderisch und zukunftsblind.

Soweit Renoir. Was hat das mit uns Heutigen zu tun? Auch wir leben in einer Zeit des dramatischen und riskanten Umbruchs. Die gesellschaftlichen und geopolitischen Gewissheiten der unmittelbaren Vergangenheit sind verbraucht oder massiv unter Druck. Die Pandemie hat die prinzipielle Unbeherrschbarkeit äußerer Faktoren eindrücklich vor aller Augen vorgeführt. In ihrem Gefolge kamen Ukrainekrieg, das deutsche Regierungsdebakel und Donald Trump. Alles zusammen liest sich beinahe wie die vier Reiter der Apokalypse. 

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Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 14. April 2025 - 08:01

ich vertraue nur, weil ich weiss und meist schon recht lange.
Erfahrung führt dazu, dass wir nicht mehr prüfen müssen.
Aber das war wohl im Westen wie im Osten Deutschlands so, man war vertraut mit seiner Umgebung?
Das änderte sich schon mit der Wiedervereinigung.
Besser aufgestellt diejenigen, die noch aureichend vom ehemaligen Zusammen wußten?
Nicht unbedingt.
Vieles wurde improvisiert, gewagt und auch gewonnen.
Ich setze aber immer auch auf gediegenes und gewachsenes Wissen, vlt. weil das ganz gut abschätzen lässt, was vielversprechend ist, was nicht.
Aber die neuen und kreativen Lösungen, dafür steht doch wohl die Jugend.
Eine sehr schöne Serie auf Viki zeigt die Schwierigkeiten der neuen Generation, ihre Ideen umzusetzen, statt nur Lückenbüßer oder gar Opfer der alten zu sein. "Such a good Love".
Wir brauchen junge Menschen, die ihr Können/Leben ausbauen wollen.
Das wird m.E. auch eine DER Aufgaben von Merz sein.
Also bitte keine "Mumifizierung" oder "Riten der Unersetzlichkeit".

Hans Jürgen Wienroth | Mo., 14. April 2025 - 08:58

Welches Vertrauen soll man in Politiker haben, die behaupten, "der Hausverstand sei die dümmlichste Form des Verstandes", wie es der Grüne Politiker Jakob Schwarz bei „Talk im Hangar 7“ vom 10.04. (1:07:00) voller Überzeugung sagte? Er bekam sofort von dem anwesenden Unternehmer Ohneberg, der Politikberaterin Hermenau und dem Moderator Fleischhacker Widerspruch.

Kann es sein, dass diese Politik (gegen den Hausverstand), die von kaum einem Bürger und Wähler verstanden werden kann, ja sogar seinen Lebenserfahrungen widerspricht, zu dem Vertrauensverlust in unsere Politikergeneration führt?

Dagegen scheint die Politik der „Populisten“ von den Wählern verstanden zu werden. Es mag sein, dass diese Politik falsch ist, aber ich kann nicht für eine Politik stimmen, die ich nicht verstehe. Offensichtlich ist sie auch zu hoch für unsere Politiker, weil diese selbst uns die Vorzüge nicht erklären können.

Wolfgang Borchardt | Mo., 14. April 2025 - 09:15

unbedingte Liebe zur Macht sind tatsächlich die meistge- und abgenutzten Werkzeuge der Politik. Verstecken hinter der Brandmauer, das stete Bekämpfen von Symptomen, das die Ursachen nicht nur nicht angehen will, sie vielmehr unter den Teppich kehrt.

Gerhard Fiedler | Mo., 14. April 2025 - 09:16

Ein Beitrag, der es mit dem Wort Vertrauen auf den Punkt bringt. Allerdings hätten die genannten Beispiele für den gesellschaftlichen Vertrauensverlust von Trump, Putin und Erdogan um die Personen V. d. Leyen und "Merz" erweitert werden müssen. Gerade hat letzterer den Rest an Vertrauen im Volk in 24 Stunden zerstört.
In der einst unter Lenin gegründeten Sowjetunion und auch in der späteren DDR galt der Grundsatz "Vetrauen ist gut, Kontrolle ist besser". Wenn aber Kontrolle die Macht übernimmt, haben wir eine Diktatur. Auf diesem Weg ist das heutige Deutschland.

Maria Arenz | Mo., 14. April 2025 - 10:14

Die "Verknöcherung der gesellschaftlichen Verhältnisse" ist ja kein von Seebeben oder dem Klimawandel ausgelöstes Schicksal. Auch Chinesen oder Russen können nichts für die zunehmende Erosion europäischen Selbstbehauptungswillens. Sie scheint mir vielmehr das Ergebis von sehr vielen individuellen Fehlentscheidungen, die irgendwann systemische Auswirkungen hatten. An vorderster Stelle sehe ich als Auslöser dieser Entwicklung eine ohne Sinn und Verstand aus dem Ruder gelaufene Demokratisierungswut vor allem im Bereich Bildung. Die gute und richtige Absicht, mehr Kindern die volle Entfaltung ihres Potentials zu ermöglichen, geriet bald zur leistungslosen Abiturientenschwemme und einem Überangebot an sog. "Geisteswissenschaftlern" die über Medien, Bildungs-und Kulturbetrieb tonangebend auch für die Politik wurden und nach und nach alles weggebissen haben, was nach wirklicher Elite roch und sich ihren realtitätsfernen, auf reinem Wunschdenken beruhenden Kappes-Konzepten widersetzte.

Hans-Hasso Stamer | Mo., 14. April 2025 - 12:41

Antwort auf von Maria Arenz

Genau das ist der Grund. Die Misere kommt aus dem Bildungsbereich, denn dort wird die Elite von morgen ausgebildet. Ich kenne das aus der DDR: Es bedeutete, dass man von unfähigen Systemkonformen regiert wurde und nicht nur regiert. Es gab eine starke Tendenz, dass sich die Mittelmäßigen zusammenrotteten und alles wegbissen, was nicht so mittelmäßig wie sie war. Entweder war man dann so stark, es trotzdem zu schaffen, oder man scheiterte oder flüchtete.

Und genau diese Verhältnisse bekommen wir wieder. Man hat die Unis aufgegeben, dort haben die Linksextremen gesiegt und die sorgen dafür, dass die Folgeeneration ebenfalls linksextrem werden.

Aber es gibt Hoffnung. Es wächst eine junge Generation auf, die mit den realen Auswirkungen der Migration konfrontiert ist. Das allein sorgt dafür, dass unter den jungen Leuten die AfD so einen großen Zulauf hat. Vielleicht kommt die AfD doch noch irgendwann an die Macht und es gelingt tatsächlich, diese Fehlentwicklung zu stoppen -Backslash.

Christoph Kuhlmann | Mo., 14. April 2025 - 10:27

Niklas Luhmann war ein ehemaliger Verwaltungsjurist, der in die USA gegangen ist, weil er ein rechtswidriges Verfahren gegen ein nicht verheiratetes Lehrerpaar in die Wege leiten sollte. In seinem Büchlein Legitimation durch Verfahren beschreibt er die inhaltsleeren, dürren Mittel staatlicher Legitimation, die sich in juristischer Technokratie erschöpft. Da wird die Freiheit gerne zu Tode geschützt und wenn es in Frankreich einen Entzug des passiven Wahlrechtes hat, brauchen wir das natürlich auch. Wobei der Paragraf, auf dem es beruht, bereits ein Anschlag auf die Meinungsfreiheit ist. Wir erleben Vertrauensverluste, weil die, welche die Freiheit der einen zu schützen vorgeben, dies auch nicht tun können, ohne die Freiheit der anderen einzuschränken.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 14. April 2025 - 11:04

" Nicht Putin und Trump sind die größte Gefahr, sondern der galoppierende Verlust des Vertrauens in das eigene politische System und dessen Repräsentanten." Ein für mich wahrer Satz, der unser Dilemma in fast allen europäischen Staaten wiederspiegelt.
Das man inzwischen kaum noch jemand glauben kann. Das man sogar soweit ist, gegen alles und jeden Misstrauen zu entwickeln, weil eben unser System durch unsere Politiker verändert/abgeschafft/nach eigenem Gutdünken verändert wird, ja das ist Vertrauensverlust. Ich merke das täglich. Ständig will man von mir zu irgendwelchen Verträgen Datenschutzzustimmungen, nichts funktioniert mehr. Am Telefon bekommt man kaum noch jemand. Mailverkehr nicht möglich, weil automatisiert. Briefverkehr bei vielen unerwünscht lieber was??? Täglich neue Hiobsbotschaften zu allen möglichen Themen. Der Staat erodiert, wir bekommen es hautnah mit und nirgends jemand in Sicht, der uns das Ur-Vertrauen wieder bringt. Oder vielleicht doch? Die will man aber nicht.

Jürgen Goldack | Mo., 14. April 2025 - 11:13

Bei dem derzeit vorhandenen "Politikmaterial" kann dem Bürger nur noch Angst und Bange werden. Diese Leute haben sich vom informierten Wähler, nicht vom ÖRR- und MSM-Konsumenten! himmelweit entfernt, jede reale Bodenhaftung, jeden Bezug zu den augenscheinlichsten Problemen des Souverän verloren. Das Problem ist m. E., dass es keinen Lichtstreifen am Horizont der Hoffnungen deutschlandliebender Bürger gibt, solange Redaktionen der ÖRR und der Staatsmedien von extrem grün-links-ausgerichteten und dominierten NGOs finanziert und gesteuert werden. Solange diese Phalanx der Korruption nicht zerschlagen wird, ist keine Änderung zu einer Politik der Zeiten von 1949 bis 2004 zu erwarten. Es geht in allen straff links orientierten Parteien, sei die aktuelle CDU/CSU, ganz schlimm die SPD und die Grünen nur um Macht, Selbstbereicherung und Zerstörung von zwei Dingen: Der AfD und eines einst florierenden Deutschlands. Klimawahn, Pandemie-Lügen, Kriegssucht, Migrationsgier sind primäre Anzeichen!

G. Fischer | Mo., 14. April 2025 - 12:03

Ich habe das Gefühl, dass in sochen Zeiten der Vertauensverlust und die Angst auch auf der "Gegenseite", den Regierenden vorhanden ist. Man vertraut dem Souverän nicht mehr und die Angst vor dessen Reaktionen wächst. Insofern bestimmen der Kampf um Informationsfreiheit und Meinungshoheit mehr und mehr den politischen Alltag mehr und mehr bestimmen. Vielleicht wäre mehr direkte Demokratie bei essentiellen Entscheidungen (Krieg/Frieden, Wehrpflicht, Klima- und Rentenpolitik) die Lösung.

Markus Michaelis | Mo., 14. April 2025 - 12:24

Ja, das kann man so sehen, aber ich sehe es nicht so eindeutig. Dänemark hat durch einen "Rechtsruck" vielleicht eine gewisse Stabilisierung erreicht. D, FR, GB, Belgien, USA und viele andere scheinen mir aber eher gesellschaftlich zunehmend zerrissen (mehr als 2 Lager) und orientierungslos - eher unregierbar als dass es eine falsche Regierung wäre.

Was ich wohl ähnlich sehe: die alte Gesellschaft mit ihrem Anspruch universelle Werte für die Menschheit zu vertreten und universelle Probleme zu lösen (Klima, Krieg, Hunger, Gerechtigkeit etc.) ist glaube ich überdehnt und zunehmend überfordert (wirtschaftlich, demografisch, aber besonders orientierungsmäßig).

Man klammert sich an alte Erklärungen (universelle Werte gegen Populisten/Rechts etc.), die aber glaube ich immer weniger taugen die Veränderungen in der heutigen Welt, und die Rolle der eigenen Gesellschaft darin, zu beschreiben und damit umzugehen.

Karl-Heinz Weiß | Mo., 14. April 2025 - 12:45

Vielleicht geht es bei der Erklärung auch eine Nummer kleiner: die EU mit 27 Mitgliedsstaaten und 450 Millionen Einwohnern kreist ständig um sich selbst. China und Indien mit zusammen allein 3 Milliarden Einwohnern scheren sich keinen Deut um die EU-Befindlichkeiten wie Green Deal. Und wenn die deutschen GRÜNEN und die Jusos Schnappatmung bekommen: vor der Weltrettung innerhalb der deutschen Grenzen ist Deutschland auf dem Stand des Morgenthau-Plans von 1945. Und wenn Friedrich Merz nicht endlich aufwacht, vollendet er das 2011 von seiner Vor-Vorgängerin begonnene Zerstörungswerk.

Urban Wil | Mo., 14. April 2025 - 13:42

Autor hat vollkommen recht, wenn er sagt, die Menschen seien „notorisch überreizt“. Das sind ebenfalls Symptome der Feigheit.
Überreizung aufgrund der Tatsache, dass man seit Jahrzehnten etwas wählt und das Gegenteil bekommt, dass man aus Feigheit eine gewisse Partei nicht wählt, weil einem andere vorsagen, dass man die nicht wählen darf. 25% haben kapiert, dass dies Unsinn ist und die meisten davon werden wissen, dass auch diese Partei keine Wunder vollbringen kann, aber all der Irrsinn, den wir heute erleben, all die schwachsinnige, schädliche, zerstörende Politik hat eine Ursache: Linksgrünwoke und deren Allmacht in allen Bereichen.
Wer das einmal kapiert hat, wird die Blauen wählen. Denn nur mit einer klaren Wende hin zu Schwarz-Blau, nur wenn an dieser Konstellation kein Weg mehr vorbei führt, gibt es die Chance für einen Neubeginn. Nicht mir Merz, der kann das nicht, er ist der größte Feigling aller Zeiten, es muss ein anderer her.
Aber Linksgrünwoke muss weg!!

Gerhard Fiedler | Mo., 14. April 2025 - 16:16

ich sehe es auch so, wie Sie es beschreiben.
Vor der Wahl stand ich vor einem Supermarkt mit einem Schild auf dem in großer Schrift zu lesen war: "Nur mit CDU + AfD die Wende". Viele haben mir ängstlich Zustimmung signalisiert. Junge Menschen zeigten sich diesbezüglich offener. Andere wiederum haben mich wütend beschimpft. Sogar ein Behördenvertreter wollte mich vertreiben und die Polizei rufen. Die aber kam nicht.
Schade, dass es den Deutschen so an Mut fehlt! Ich habe diesen schon in der DDR gehabt. Da war das noch viel gefährlicher als heute und es hatte mir mit der Flucht in den Westen letztlich keine andere Wahl gelassen. Doch ich weiß, das ist nicht jedermanns Sache.