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(Anders Sune Berg) Etel Adnan "Untitled", 1959-2010

documenta-Rundgang (2) - Gegenwart durchdringen

Seit Samstag ist in Kassel die Documenta (13) geöffnet. Rundgang durch die Documenta-Halle, in der die Kunst der Selbstzerstörung zelebriert wird

Auf der letzten Documenta stand hier eine zerbeulte Giraffe und wurde zum unglückseligen Wahrzeichen. Dieses Mal ist die Kunst in der Documenta-Halle weniger plakativ, aber eindringlich. Gustav Metzger wurde 1939 in seinem 14. Lebensjahr mit dem Refugee Children’s Movement nach Großbritannien gebracht, wo er bis heute lebt. 1966 hielt er sein berühmtes „Destruction in Art Symposium“ ab, seine Kunst zersetzt sich. Die Documenta-Kuratorinnen Chus Martinez und Carolyn Christov-Bakargiev fragten Metzger, ob er wirklich alle Werke zerstört habe – und es gab tatsächlich noch ein paar akademische Zeichnungen aus den 50er-Jahren, seiner Studienzeit, gelagert in einem Koffer in der Tate. Der Inhalt wird jetzt, konservatorisch mit höchster Sorgfalt präsentiert, in der Documenta-Halle gezeigt, kraftvolle Aktstudien und Porträts, kaum zu trennen von der Geschichte ihres Urhebers.

               

 

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Etel Adnans Farbfeldmalerei dagegen ist flach und soll es wohl auch sein. Seit langem lebt die gebürtige Libanesin in Kanada in enger
Koexistenz mit einem Berg, auch er Motiv ihrer Malerei. Yan Lei hat ikonische Bilder der Kunstgeschichte nachgemalt und löscht täglich eines mit Autolack wieder aus. Das Ergebnis ist abzusehen.

Mühsam auch die Idee von Julie Mehretu, Architekturzeichnungen auf riesigen Formaten einander überlagern zu lassen – der Begleittext wünscht sich vergeblich Verschränkung von sozialgeschichtlichen Strukturen.

Einen Blick in eine apokalyptische Zukunft werfen Moon Kyungwon und Jeon Joonho mit ihrem Film „el fin del mundo“, einem Dialog zwischen zwei Künstlern, die einen GAU überlebt haben. Die Idee ist gut, der Film perfekt gemacht, aber am Ende wirkt Science-Fiction in der Kunst doch immer ein bisschen wie eine Ausrede.

[gallery:Collapse and Recovery - dOCUMENTA (13)]

Wie man die Gegenwart durchdringen und zugleich interpretieren kann, das zeigt Thomas Bayrle, der den größten aller Auftritte auf der Documenta (13) hat. Zwei Wandarbeiten – das Bild eines gigantischen Flugzeugs, das sich aus immer kleiner werdenden Flugzeugen zusammensetzt, zeigt seine typische Methode des Einzelnen in der Vielheit – flankieren eine Maschinen-Installation. Verschiedene Auto- und Flugzeug-Motoren bewegen sich monoton, aus jedem einzelnen hört man Rosenkranzgebete und Fürbitten. Das Treibende und das Sehnende in der cool-optimistischen Formsprache von Bayrle ist so stark, darauf reimt sich jedes Kunstwerk dankbar, sogar die zuckersüßen Dreh-Projektionen von Nalini Malani.

Documenta, Kassel, 9. Juni bis 16. September. Das Kunst-Magazin Monopol beschäftigt sich in der Ausgabe 6/2012 ausführlich mit der Ausstellung für zeitgenössische Kunst.

Rundgang (1): Kann scheitern produktiv sein?

Rundgang (3): Kassel wie nach einem Tsunami

Rundgang (4): Von Androiden bis zu den Gebrüder Grimm

Rundgang (5): "Fuck off" oder was immer mir einfällt

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