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(Susanne Schleyer) Augstein an neuen Ufern: Seine neuen Goldfische sind "unverwüstlich"

Jakob Augstein - „Der Garten ist das Bekenntnis zum Eigentum“

Ein Gespräch mit dem gärtnernden Verleger Jakob Augstein über Nymphen, Hortensien-Joints- und Horst Seehofers Modelleisenbahn

Zum Gärtnern kam der Verleger, Spiegel-Erbe und Sohn Martin Walsers durch Zufall: Kaum in die bürgerliche Berliner Vorstadt gezogen, setzte ihn der „verwahrloste Flecken“, den er hinter seinem neuen Haus erblickte, unter botanischen Zugzwang. Jahre später ist sein Garten nun fertig, es gibt darin kaum noch Arbeit, und wohl auch deshalb setzte ihm Augstein ein literarisches Denkmal: In „Die Tage des Gärtners“ vereint er philosophische Gartengedanken mit konkreten Anweisungen, etwa der folgenden: „Wenn Sie einen Sohn haben, sollten Sie darauf achten, ihn nicht in den Gartenteich zu werfen, solange er mit Lanze oder Schwert bewaffnet ist“ – wegen der Teichfolie.

Das Schreiben über Gärten kann allerdings immer nur Ersatzdroge sein, und so ist Augstein nun auf der Suche nach einem Landgut, um auf einem größeren Grundstück von vorn anzufangen. Und um sich endlich Schafe anzuschaffen, „liebevolle, zärtliche Tiere von gleichmütiger Würde“, für die er schon immer ein Faible hatte. Wir trafen ihn in Berlin.

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Herr Augstein, wie erklären Sie sich die Renaissance des Gartens, die seit ein paar Jahren zu beobachten ist?
Das Bedürfnis, die Stadt zu verlassen und aufs Land zu gehen, ist so alt wie die Existenz der Städte. Das Bedürfnis, einen Garten anzulegen, ist so alt wie die menschliche Überlieferung. Die Idee, dass wir es hier mit einer Renaissance zu tun haben, ist selbst nur Teil irgendwelcher Marketingmechanismen, ich halte das für Unsinn. Jede Generation, die ein bestimmtes Alter und eine gewisse soziale Stufe erreicht, entdeckt die Gärten für sich, das war in den 1950er oder den 1980er Jahren auch nicht anders als heute.

Woher kommt bei Ihnen die Liebe zum Garten?
Wir sind in ein Haus gezogen, das einen Garten hatte, der in sehr schlechtem Zustand war, und mussten zu diesem irgendeine Position einnehmen. Es hätte sonst nur die Möglichkeit gegeben, den Garten zu lassen, wie er war, aber wenn mir Dinge nicht gefallen, lasse ich sie ungern, wie sie sind. Ich habe also hinausgeschaut und mir gesagt: Da muss was passieren. Wenn wir allerdings in ein Haus ohne Garten gezogen wären, dann wäre das vielleicht anders gekommen, es war biografischer Zufall im Spiel.

Steht der Garten für den Rückzug vor den Zumutungen der Gegenwart? Ist er der Sandkasten des erwachsenen Mannes? Welche Funktion erfüllt der Garten für Sie?
Der Garten ist ein Projekt, das Zeit braucht und Geduld und Planung und Konzentration. Ich beschäftige mich gern mit Dingen, die nicht so schnell gehen, das ist schon eine Charakterfrage. Mit noch so viel Arbeit können Sie den Prozess im Garten nicht beschleunigen, es liegt nicht in Ihrer Hand. Die Pflanze braucht eben so lange, bis sie wächst. Ein Gleichgewicht herzustellen zwischen dem eigenen Kontrollwunsch und den äußeren Umständen, den klimatischen Bedingungen, dem Charakter der Pflanzen und des Bodens, das finde ich unterhaltsam.

Glauben Sie, dass für Horst Seehofer seine Modelleisenbahn eine ähnliche Rolle spielt wie für Sie Ihr Garten?
So, wie ich mir diese Modelleisenbahn vorstelle, geht es da um Kontrolle, da geht es um Herrschaft; das ist noch extremer als im Garten, da Ihnen keine natürlichen Bedingungen Grenzen setzen. Der Gegenspieler fehlt, der Kommunikationspartner, das Gegenüber. Im Garten haben Sie viele Variablen in Ihrer Gleichung, die sich fortwährend ändern und die Ihnen teilweise sogar unbekannt sind. Das bietet der Modellbaukasten nicht, den haben Sie zu 100 Prozent unter Kontrolle, und das macht es als Spiel dann ein bisschen langweilig, finde ich.

Sie empfehlen in Ihrem Buch eine Tulpe aus den kirgisischen Alatai-Bergen. Dem Trend zu lokalen Zutaten, wie er im Kulinarischen zu beobachten ist, scheinen Sie im Garten nicht zu folgen?
Naja, wenn Sie hier nur pflanzen, was natürlich vorkommt, dann wird das ein trauriger Garten. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass wir in einer Region der extremen Temperaturschwankungen leben, mit einer Spanne von über 50 Grad im Jahr. Pflanzen können damit nur umgehen, wenn sie aus Gegenden kommen, wo das auch so hart ist, also aus irgendwelchen kirgisischen Bergen. Oder wenn sie über Jahrhunderte gezüchtet wurden, wie viele Rosenarten. Mit der Natur, die Sie finden, wenn Sie hier etwa nach Brandenburg hinausfahren, hat das allerdings nichts mehr zu tun. Was wächst denn bitte um Berlin herum? Kiefern und ein bisschen Steppengras, das war es dann auch im Wesentlichen.

Seite 2: Von Gartenzwergen, Hortensien-Joints und Nymphen

Sie zitieren in Ihrem Buch aus Oscar Wildes Märchen vom selbstsüchtigen Riesen, dem sein Garten genommen wurde, sein liebster Besitz, da er ihn nicht teilen wollte. Muss man seinen Garten teilen? Man zieht doch gerade eine Mauer …
… um die Menschen draußen zu halten, unbedingt. Ich bin tatsächlich der Meinung, dass man möglichst wenige Leute in seinen Garten lassen sollte, der Garten ist der Inbegriff des Eigentums, das ist sozusagen auch das Politische des Gartens. Die Grenze, die Sie da ziehen, ist nicht nur die Grenze zwischen Ordnung und Unordnung, zwischen Drinnen und Draußen, sondern auch zwischen Mein und Dein, und das halte ich für legitim. Das Bekenntnis zum Garten ist das Bekenntnis zum Eigentum. Ein richtiger Sozialist können Sie als Gärtner nur in einer öffentlichen Grünanlage sein.

Warum eigentlich keine Gartenzwerge? Diese Arroganz des Bildungsbürgers dem Gartenzwerg gegenüber, ist die nicht fehl am Platze?
Ja, total deplatziert, Sie haben recht, andererseits ist es natürlich so, dass jede Art von Verschönerung und Zierde im Garten sich immer auf dem ganz schmalen Grat zwischen Spießertum und berechtigter ästhetischer Entfaltung bewegt.

Viele Spießer mögen sich Zwerge aufgestellt haben, aber Zwerge per se sind doch überhaupt nicht spießig. Im Gegenteil.
Nein, ich bin vollkommen Ihrer Meinung. Ich persönlich stehe nicht so auf Zwerge, aber wenn sich die Menschen Zwerge hinstellen wollen, würde ich sagen: Nur zu! Allerdings kommt es schon sehr auf den spezifischen Zwerg an. Es gibt solche und solche Zwerge.

Das Gärtnern, wie Sie es beschreiben, hört sich ungeheuer zeitaufwendig an.
Der Aufbau des Gartens kostet viel Zeit, aber das ist bei mir ja schon geschehen. Der Unterhalt hingegen macht wenig Arbeit, und das wird dann auch zum Problem, man kann ja nicht immer alles umgraben, die Beete immer wieder neu anlegen, Pflanzen herausreißen, denen es eigentlich gut geht, man kann da schon ein bisschen meschugge werden. Irgendwann ist der Garten fertig, das muss man dann akzeptieren.

In Ihrem Buch erzählen Sie von Hortensien-Joints. Haben sie jemals darüber nachgedacht, Marihuana anzubauen? Aus rein hortikulturellem Interesse?
Nein, aber nicht, weil ich etwas gegen Drogen hätte, sondern da ich – wie ich es ja auch in Bezug auf die Hortensien schreibe, die man tatsächlich rauchen kann – vor zehn Jahren mit dem Rauchen aufgehört habe. Ich würde nie wieder irgendetwas rauchen, ganz egal was, da ich dann sofort wieder drauf wäre. Ich bin sozusagen ein trockener Raucher und froh, dass dieses Kapitel hinter mir liegt.

Sie erzählen auch von den Nymphen, „jenen schönen und meist splitternackten Mädchen, die Grotten und Quellen bewachen.“ Gibt es diese Mädchen wirklich?
Ich fürchte nein.

Das Interview führte Alexander Schimmelbusch

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Jacqueline Hetmann | Sa., 28. Juli 2018 - 17:07

Aha, Augsteins Garten ist Inbegriff des Eigentums. Agrenzung. Geht es also ans Persönliche, sind Fremde draußenzuhalten und Grenzen einzuhalten. Ansonstn spricht sich Augstein immer sehr locker flockig für die Aufnahme von Asylanten jedweder Art aus. Sollen sie nur kommen und unterhalten werden. Aber wohl bloß nicht in seinen Garten. Da muss Grenze sein!Wie bigott!