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Stefan aus dem Siepen zwischen Wortwitz, Reklame und Hochliteratur. / Illustration: Sören Kunz / Canva

Der Flaneur - Voltaire auf dem Elektrofahrrad

Wortwitz boomt: Ob „Schnapsidee“, „Kamm in“ oder „Volt-Hair“ – Ladenbesitzer übertreffen sich mit kreativen Namen. Zwischen Sprachspiel, Latein und Goethe-Zitat zeigt sich: Humor und Bildung machen auch vor Schaufenstern nicht halt.

Stefan aus dem Siepen

Autoreninfo

Stefan aus dem Siepen ist Diplomat und Schriftsteller. Von ihm erschien zuletzt im Verlag zu Klampen „Wie man schlecht schreibt. Die Kunst des stilistischen Missgriffs“. (Foto: © Susanne Schleyer / autorenarchiv.de)

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Jeder ist kreativ, das weiß man. Doch wer ist der Kreativste im ganzen Land? Üblicherweise nehmen die Werbetexter in Anspruch, dass ihnen diese Palme gebühre. Doch seit einiger Zeit machen ihnen die Ladenbesitzer Konkurrenz; ihr sprachlicher Erfindungsreichtum kennt schier keine Grenzen. Das Spirituosengeschäft heißt „Schnapsidee“, der Kaffeeladen „Espresso yourself“. Der Teesalon nennt sich „Liber-Tea“, die Bäckerei „Josephine Bakery“. Auch die Friseure zeigen, dass sie vor Kreativität geradezu überquellen; bei ihnen scheint Sprachwitz inzwischen ein unverzichtbarer Bestandteil des Handwerks zu sein. „Haarakiri“. „Haarbracadabra“. „Kamm in“. „Atmosp-Hair“. „Coif-first“ … Die Aufzählung muss hier leider enden, denn Kolumnen dürfen nicht zu lang werden.

Spielen gehört zur Hauptbeschäftigung des modernen Menschen, vor allem des Erwachsenen. Auch wenn es um Wörter geht, möchte niemand mehr auf Spaß und Spiel verzichten. Wortspielerische Namen haben außerdem den Vorzug, dass sie ein geistreiches Flair verströmen. Der Wortwitz zeigt an, dass der Ladeninhaber ein origineller Kopf ist. Friseure schneiden nicht einfach nur die Haare, sondern erschaffen Haar-Kunstwerke. In Berlin sah ich einen „Barbiersalon“ mit Namen „Der Schaumschläger“. Bravo! Hier vereinigt sich genialer Sprachwitz mit unerschrockener Selbsterkenntnis.

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