
- Reif für die Insel? Dann nach Amrum
Trubel ist nun wirklich das Letzte, was unser Genusskolumnist im Sommerurlaub sucht. Auf der Insel Amrum findet er alles, was er für eine Auszeit braucht, und auch um die örtliche Gastronomie macht er einen großen Bogen. Denn hier geht es anders und besser.
Eigentlich wollte ich in dieser Ausgabe der Kolumne ein Loblied auf das „Nichts“ als Genussfaktor schreiben. Was aber irgendwie Unsinn ist, weil es das „Nichts“ ja nicht gibt. Es gibt noch nicht mal das „Nichtstun“, weil auch das eine mehr oder weniger bewusste Handlung ist.
Also lassen wir das. Obwohl das auf der nordfriesischen Insel Amrum, wo ich mich gerade befinde, durchaus eine Rolle spielen könnte. Wer in seinem Urlaub auf Rundumbespaßung, spektakuläre Events und Sehenswürdigkeiten oder gastronomische Highlights setzt, hat den falschen Ort gewählt und wäre auf den benachbarten Inseln Sylt und zunehmend auch Föhr wohl besser aufgehoben.
Viel mehr als nur Badespaß
Natürlich ist auch Amrum voll und ganz auf Tourismus ausgerichtet, der für die meisten der rund 2300 Einwohner auch die Existenzgrundlage darstellt. Sei es durch Ferienwohnungen oder sonstiges Gastgewerbe, sei es durch Gastronomie, Handel oder Freizeitangebote. Insgesamt gibt es rund 12.000 Gästebetten, hauptsächlich Ferienwohnungen und -häuser, die vor allem in der Hauptsaison von Mai bis September stark nachgefragt sind. Viel mehr ist hier auch nicht. Ein bisschen Landwirtschaft, ein bisschen Natur- und Küstenschutz, ein paar Handwerker, ein bisschen Verwaltung und Infrastruktur.
Im Sommer lädt die Insel mit ihren ausgedehnten Stränden zum Baden und Sonnen ein. Aber vor allem Ruhe suchende Naturliebhaber werden auf der „Perle Nordfrieslands“ fündig. Von der schier endlosen Sandbank „Kniepsand“ über spektakuläre Dünen, Deiche, schattige Wälder, Heide- und Weideland, Felder, Salzwiesen bis hin zum Watt wird auf kleinstem Raum (die Insel ist ohne die Sandbank nur 20 Quadratkilometer groß) ein prall gefülltes Erlebnisfüllhorn geboten. Ohne an jeder Ecke auf Scharen Gleichgesinnter zu stoßen
Die Gezeiten bestimmen den Rhythmus
Es gibt eine Hauptverkehrsader, die die drei Hauptorte Wittdün (dort legt die Fähre an und ab), Nebel und Norddorf (dort sind die wichtigsten Strände) verbindet. Auf dieser Route fährt auch die einzige Buslinie, und auch der Autoverkehr ist manchmal recht erheblich. Aber ohnehin bewegen sich immer mehr Urlauber hier auf einem guten Wegenetz mit Fahrrädern oder zu Fuß, und jenseits dieser „Magistrale“ findet man binnen kurzer Zeit das, was die Insel so attraktiv macht. Wie den Kniepsand, oder die Scharen von Vögeln, die sich bei Ebbe im Watt niederlassen, wo der Tisch für sie reichlich gedeckt ist.
Das Urlaubsleben bekommt hier schnell einen ganz eigenen Rhythmus, der von den Gezeiten bestimmt wird. Man stürzt sich bei Flut in die Wellen, und ein paar Stunden später pflückt man sich sich bei Ebbe im Watt eine Handvoll Queller, der auch „Meeresspargel“ genannt wird, für ein köstliches Abendbrot. Auf dem Weg begegnet man dann am Steindeich ein paar brütenden Austernfischern, und was die Entenmamas in den Wattprielen mit ihrem Nachwuchs veranstalten, sieht fast wie ein Schwimmkurs aus. Es gibt auch zahlreiche Führungen, darunter bei Ebbe einen dreistündigen Marsch durch das Watt zur Nachbarinsel Föhr. Angeboten werden auch regelmäßige Schiffstouren, etwa zu Seehundbänken oder der benachbarten Hallig Hooge, die dann auch wieder eine Welt für sich ist.
Die Kehrseite des Tourismus-Booms
Egal was man unternimmt: Am Abend wird man Hunger haben. Es gibt auf der Insel zahlreiche gastronomische Angebote, vom einfachen Imbiss bis zur leicht gehobenen Küche. An Gästen mangelt es der Gastronomie nicht, in der Saison empfiehlt es sich, rechtzeitig zu reservieren. Woran es mangelt, ist vor allem Personal, denn der merkliche Boom der Ferien- und Zweitwohnungen hat für die Insel auch eine Kehrseite.
Es gibt immer weniger regulären Wohnraum, aber irgendwo müssen die zahlreichen Saisonkräfte der boomenden Tourismusbranche ja wohnen, und Pendeln ist – anders als auf Sylt – aufgrund der fehlenden Straßen- und Bahnverbindung zum Festland unmöglich. Auch Neubau in relevanten Größenordnungen ist auf der Insel, die größtenteils aus Schutzgebieten besteht, nicht realisierbar. Der Personalmangel ist an jeder Ecke zu spüren, z.B. durch stark eingeschränkte Öffnungszeiten von Cafés und Restaurants.
Entspannt schlemmen – aber nicht in der Gastronomie
Recht ambitioniert sind allerdings die Preise. Doch Krabbenbrötchen für 12 Euro sind ebenso wenig meine Welt wie eine Scholle „Finkenwerder Art“ für über 30 Euro. Und so etwas wie „original nordfriesische“ oder wenigstens regionale Küche findet man hier – wenn überhaupt – nur in Andeutungen. Aber wenn man ein Feriendomizil mit Küche, Balkon, Terrasse oder Gartenzugang, nebst dem wechselnden Blick auf Wasser oder Watt gewählt hat, kann man das auch getrost ignorieren.
Denn es gibt auf Amrum noch einen Berufsfischer, der mehrmals in der Woche seine Verkaufsbude am Seezeichenhafen öffnet. Neben frischen Krabben (zum selbst pulen) hat er auch stets Fische dabei. Welche, ist nicht genau vorauszusehen, aber ich habe dort unter anderem Schollen, Flunder, Makrelen, Steinbutt, Seezunge und – der Klimawandel lässt grüßen – Sardinen und kleine Tintenfische bekommen.
Bestens versorgt beim Sonnenuntergang
Es gibt ferner einen Hofverkauf beim größten Inselbauern. Dort gibt es u.a. Rindfleisch, Wurst, Eier aus eigener Produktion. Dann wäre da noch der wöchentliche Bauernmarkt an der Mühle in Nebel, wo vor allem Produzenten aus Föhr und vom Festland u.a. ein reichhaltiges Gemüse-, Obst- und Käsesortiment anbieten. Einen guten Inselbäcker gibt es ebenfalls. Und nicht zuletzt einen großartig sortierten Edeka-Markt mit vielen regionalen Produkten – darunter auch frisches Salzwiesenlamm – sowie einer für diesen Standort fast schon sensationell guten Weinabteilung. Was will man mehr?
Einen gelungeneren Tagesausklang als die Zubereitung dieser Köstlichkeiten und ihren Verzehr auf der Terrasse kann ich mir im Urlaub nicht vorstellen. Mit Blick auf das sanft rauschende Wasser oder die Vögel im Watt und dem Glas Wein beim Warten auf das spektakuläre Farbenspiel beim nahenden Sonnenuntergang. Und am nächsten Tag geht das irgendwie so weiter. Und deswegen zieht es mich auch immer wieder hier hin.
Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.