
- Erbarmen mit Musterjuden
Wer ist Jude? Wer eine jüdische Mutter hat, sagt die Halacha, das jüdische Gesetzbuch. Der Schriftsteller Maxim Biller hat deshalb dem Essayisten Max Czollek seine jüdische Identität abgesprochen. Seither tobt eine Debatte um die Deutungshoheit, was jüdisch ist, und um die Frage, ob die orthodoxe Auslegung des Judentums noch zeitgemäß ist.
To be or not to be a Jew? Die aktuelle aufgebrachte deutsche Debatte über die Jüdischkeit oder die Nichtjüdischkeit des Poeten Max Czollek gehört weniger ins Feuilleton als vielmehr in die Psychiatrie. Profan ausgedrückt: Es ist ein Sport für Meschuggene. Orthodoxe Juden und Israelhasser mögen dafür Interesse zeigen. Sicherlich auch Rassisten. Aber was um Himmels willen haben gewöhnliche Leser damit zu tun, die Interesse zeigen für die jüngere deutsche und damit auch die jüdische Geschichte?
Diese schicksalhafte Gemeinschaft lässt sich beim besten oder schlechtesten Willen nicht mehr auseinanderreißen, sie ist sprachlich, geschichtlich und verbrecherisch zu eng verwoben. Max Czollek fühlt sich als Jude. Na und? Gedanken und Gefühle sind frei. Max ist ein Enkel Walter Czolleks (1907–1972), der als Jude geboren wurde, sich zum Kommunismus bekannte und schließlich 1954, in einer Zeit, als es im kommunistischen Machtbereich und damit auch in der DDR teilweise lebensgefährlich war, als Jude zu gelten, weil man dann des „Zionismus“ verdächtigt wurde, die jüdische Gemeinschaft zumindest juristisch verlassen hatte.