Kurz und Bündig - David Mitchell: Der dreizehnte Monat

Jason Taylor stottert und schreibt Gedichte, ist aber eigentlich ein ganz normaler 13-Jähriger aus der nordenglischen Provinz. Den ersten Kuss hat er noch vor sich, und wenn seine Schwester nicht zu Hause ist, leiht er sich ihre «Roxy-Music»-Platte, denn es ist 1982. Das und noch viel mehr erzählt er uns, denn der Trick von David Mitchells neuem Roman «Der dreizehnte Monat» ist, dass uns Jason dieses eine Jahr seines Lebens selber schildert, aus authentisch dreizehnjähriger Sicht.

Jason Taylor stottert und schreibt Gedichte, ist aber eigentlich ein ganz normaler 13-Jähriger aus der nordenglischen Provinz. Den ersten Kuss hat er noch vor sich, und wenn seine Schwester nicht zu Hause ist, leiht er sich ihre «Roxy-Music»-Platte, denn es ist 1982. Das und noch viel mehr erzählt er uns, denn der Trick von David Mitchells neuem Roman «Der dreizehnte Monat» ist, dass uns Jason dieses eine Jahr seines Lebens selber schildert, aus authentisch dreizehnjähriger Sicht. 500 Seiten englische Mittelschichtsadoleszenz in Worcestershire, Generation Rover sozusagen, alles in Originalkulisse mit Thatcher, Falklandkrieg, Kate Bush und «Blankety Blank», der neuen Quiz-Show mit Terry Wogan, aber vor allem mit Tom Yew, dem coolen Typen mit dem Motorrad, und den Verpickelten, die in der Schule verprügelt werden, der Geheimclique der Spooks und der Kirmes, auf der Ross Wilcox seine Brieftasche mit dem Schwarzgeld seines Vaters verliert. Am Ende des Jahres hat Jason Holly Deblin geküsst («Küssen ist gar nicht schwer»), die erste Zigarette hinter sich gebracht (unten am See, musste sich übergeben), seine Eltern haben sich getrennt, und der Vater verliert seinen Job. Jason zieht mit seiner Mutter weg aus Black Swan Green, wo es, ein alter Witz, gar keine Schwäne gibt. Seine Schlussfolgerung nach diesem ereignisreichen Jahr: «Die Welt hört nie auf, alles, was sie zusammenfügt, wieder auseinanderzureißen. Aber wer sagt denn, dass diese Welt einen Sinn ergeben muss.» Der Roman ist unterhaltsam genug, auch komisch und natürlich nostalgisch, routiniert erzählt, aber vollkommen belanglos. Dass Jason im alten Pfarrhaus von der mysteriösen Madame Eva van Outryve de Crommelynck Poesie-Unterricht erhält, ist noch einmal ein vielversprechender Gag: Sie ist die Tochter des belgischen Komponisten Vyvyan Ayrs, der eigentlich in Mitchells Roman «Wolkenatlas» gehört (siehe LITERATUREN 3/2007). Kurz hofft man, dass es nun in grandioser «Wolkenatlas»-Manier weitergeht, doch Madame Crommelynck verschwindet sehr schnell wieder, und Jason ist zurückgeworfen auf die existenzielle Frage, was er zur Weihnachtsdisco in der Schule anziehen soll.

 

David Mitchell
Der dreizehnte Monat
Aus dem Englischen von Volker Oldenburg.
Rowohlt, Reinbek 2007. 493 S., 19,90 €

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