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(picture alliance) Bundespräsident Wulff und die Kunstsammlerin Eske Nannen

Eske Nannen - Das Kunsterbe der Familie Nannen

In den letzten 15 Jahren hat Eske Nannen die Kunsthalle Emden von allem Museumsmief befreit. Die Gattin des verstorbenen Publizisten Henri Nannen pflegt dabei nicht nur die klassische Moderne, sondern bringt auch Videokünstler nach Emden

Seit 25 Jahren … lohnt es sich, in diese Stadt zu fahren … Henri Nannen … Eske Nannen … van de Loo und Joan Miró …“ Die Mitarbeiter der Kunsthalle Emden haben sich im Foyer vor ihrer Chefin postiert und schmettern ihren selbst komponierten Jubiläumssong.

Eske Nannen strahlt über das ganze Gesicht. Allein diese überraschende Gesangsperformance um neun Uhr morgens drückt schon viel von dem Teamgeist aus, den die Geschäftsführerin seit vielen Jahren zu wecken vermag. Eske Nannen, Tochter eines Fassfabrikanten, scheint die Tugenden eines mittelständischen Familienunternehmens auf ein Privatmuseum übertragen zu haben.

Diskret und herzlich teilt sie die persönlichen Belange ihrer Mitarbeiter. „Mein Sohn sagt immer, es sei einer meiner großen Vorzüge, dass ich mich echt für Menschen interessiere“, freut sich Nannen. Der Kunsthalle in der ostfriesischen Stadt hätte nichts Besseres passieren können. 

1990 hatten sie geheiratet. Als dritte und um einiges jüngere Frau stand Eske Nannen naturgemäß zunächst im Schatten ihres Mannes Henri, des großen Publizisten und Stern-Herausgebers. Wie er war sie in Emden geboren, und sie teilte sein Faible für expressionistische Malerei. Noch heute bildet Emil Nolde gewissermaßen die friesische Speerspitze von Nannens Privatsammlung, für die er 1986 die Kunsthalle gegründet hatte. „Wir wollten Henris Bildern eigentlich nur ein Haus bauen“, sagt sie, „nicht mehr und nicht weniger. Zu Beginn war alles ganz klein geplant.“ Doch dann kam alles ganz anders. Im Hinblick auf die gewichtige Münchner Sammlung Otto van de Loos, die dem Museum in Form einer Schenkung einverleibt werden sollte, plante das Paar einen Erweiterungsbau, der 6,5 Millionen D-Mark kosten sollte.

„Mein Mann starb im Oktober 1996“, erzählt Nannen. „Das war eine schwere Zeit für mich. Der Bau begann problematisch zu werden, es kam zu beträchtlichen Folgekosten, und fast ein Jahr lang stand durch die Klage einer Nachbarin die Arbeit still. Zum Schluss waren wir bei 17 Milllionen DMark angelangt. Aber im Oktober 2000 konnte Bundeskanzler Gerhard Schröder das Haus doch noch eröffnen.“

 

Wie Eske Nannen das Erbe ihres Mannes fortführt, auf der nächsten Seite 


 

Eske Nannen gilt als geradezu begnadete Fundraiserin. Nicht von ungefähr wurde ihr vor drei Jahren der Deutsche Fundraising-Preis verliehen. Jetzt, zur von Bundespräsident Christian Wulff eröffneten Jubiläumsfeier der Kunsthalle, hat sie die leibliche Versorgung für mehr als 1300 Gäste wiederum durch Sponsorengaben beschafft. Mit ihrer Devise „Überzeugen und Betteln“ konnte Eske Nannen über die Jahre rund 22 Millionen Euro für die Kunsthalle eintreiben. Herausforderungen ist sie immer offensiv begegnet: „Schauen Sie, ich hatte doch eine Riesenchance und habe sie eben ergriffen! Es gab sicher Menschen, die nach Henris Tod gezweifelt haben, ob es mit der Kunsthalle überhaupt weitergeht.“

 

Sowohl was das Ausstellungsprogramm als auch die Erwerbungen betrifft, aus inhaltlichen Fragen hält sie sich trotz ihrer eigenen Kunstbegeisterung immer noch heraus: „Den Kunsthistorikern rede ich nicht rein“, sagt sie knapp.
 

Während man im Museum eher das Erbe Henri Nannens mit den klassisch modernen Genres pflegt, forciert die auch von Videokünstlern wie Pipilotti Rist begeisterte Eske Nannen die Arbeit im kunstpädagogischen Bereich. „Wir waren das erste Museum in Europa, das Audioführungen für Kinder anbot“, sagt sie. Ihr Herzblut steckt nach wie vor in der noch zusammen mit Henri Nannen gegründeten Malschule. Sie ist der Überzeugung, dass Kinder, die frühzeitig mit Kunst in Berührung kommen, gestärkt durchs Leben gehen. Eine weitere ihrer Errungenschaften ist die frühe Einführung eines Museumsshops

 

Das war in Deutschland quasi eine Pioniertat: „Vor der Eröffnung hatte ich mich in amerikanischen und französischen Museen umgesehen. Gerade in Zeiten knapper Kassen und Einsparungen allerorten waren und sind wir immer sehr darauf bedacht, neue Geldquellen für unsere zahlreichen Aktivitäten zu erschließen.“ Hier schlägt natürlich wieder die Kaufmannstochter durch.
 

Wann sie sich denn an den nächsten Erweiterungsbau des Museums wagen würde, wird Eske Nannen in diesen Festtagen oft gefragt. „Vorerst nicht“, behauptet sie. Das Wörtchen „vorerst“ klingt verdächtig. Mit ihren knapp 70 Jahren wirkt sie geradezu einschüchternd zukunftsorientiert. Von dem noch vor 15 Jahren vorherrschenden Stadtmuseumsmief ist hier nichts mehr zu spüren. Das Haus trägt mehr und mehr ihre Signatur. Sie ist eine ebenso leidenschaftliche wie hartnäckige Promoterin der Kunst, aber ihre Fangleinen zur ostfriesischen Heimat hat sie nie verloren. Bei aller Reiselust kehrt sie immer wieder gerne nach Emden zurück: „Man ist in einer Stadt, in der man aufgewachsen ist, letztlich doch gut aufgehoben.“ 

 

Birgit Sonna arbeitet als Korrespondentin für die Art und schreibt für die Vogue sowie die NZZ

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