
- Zauberberg
Die neue Cicero-Ausgabe ist da! Zum 150. Geburtstag von Thomas Mann blicken wir vom „Zauberberg“ auf unsere Gegenwart: Zwischen Zeitenwende, Transhumanismus und der ewigen Frage nach dem Sinn.
Vor sehr vielen Jahren erstand ich als Jugendlicher in einem ägyptischen Antiquariat eine zerfledderte Ausgabe von Thomas Manns „Zauberberg“ in französischer Übersetzung. Die Lektüre fiel mir also doppelt schwer, aber dass der Autor in seinem aus meiner damaligen Sicht philosophisch etwas überfrachteten Roman einen Epochenwechsel beschrieb, erkannte sogar ein 18-Jähriger. Nicht aber, dass der Stoff – wie bei allen Klassikern – über kurz oder lang eine frappierende Aktualität behalten würde. Das Ende der Geschichte ist eben fast immer nur der Auftakt für eine neue Episode voller Überraschungen. Wobei die größte Überraschung darin bestehen kann, unerwartete Kontinuitäten zu entdecken: Bleibt alles anders!
„Thomas Mann Revue passieren lassen“
Am 6. Juni wäre Thomas Mann 150 Jahre alt geworden. Von ihm, einem der berühmtesten Exilanten der deutschen Literatur, stammt der Satz: „Wo ich bin, ist deutsche Kultur.“ Das klingt heute zwar aus vielerlei Hinsicht etwas befremdlich. Dennoch kann gerade dieses Zitat dazu anregen, Manns Werk vor dem Hintergrund behaupteter oder tatsächlich erlebter Zeitenwenden noch einmal Revue passieren, neu auf sich wirken zu lassen. Mein Kollege Ralf Hanselle hat für unsere Titelgeschichte genau das getan – und kommt dabei zu einem bedenkenswerten Schluss: „So wie wir Heutigen auf der digitalen Grenze zwischen Humanismus und Transhumanismus balancieren, so tänzelten die Figuren oben auf dem ,Zauberberg‘ zwischen Moderne und Nihilismus, zwischen Faszination und Absturz.“
Moderne und Nihilismus: Sind das eher Gegensätze oder womöglich sogar eineiige Zwillinge? Und verkörpern Donald Trump und Wladimir Putin beide Begriffe in wechselnden Rollen, aber jeder für sich nicht auf geradezu exemplarische Weise? Der Historiker Jörg Baberowski nimmt sich im Interview mit Clemens Traub dieses zwischen Faszination und Absturz oszillierenden Phänomens an: „Wenn ich als Historiker zu verstehen versuche, was einen Herrscher wie Putin motiviert und bewegt, dann mache ich mir die Motive Putins nicht zu eigen“, sagt Baberowski. Er versuche lediglich, sie im Horizont seiner Zeit und seines Wissens zu verstehen. Willkommen auf dem ewigen Zauberberg.
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