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Castorfs „Götterdämmerung“ - Fränkies Buhbad und das Festspielklo

Es geht heute um den Ring, um den sich wirklich alles kreist: Um die Offenheit und Freiheit des Denkens, um die Zerschlagung der Form für dem Zweck, eine neue zu gründen. Oder, wie der "Ring" es lehrt: Nach dem Ende steht der Anfang

Autoreninfo

Axel Brüggemann ist Musikjournalist und lebt in Bremen. Zuletzt erschien der von ihm herausgegebene Band „Wie Krach zur Musik wird“ (Beltz&Gelberg-Verlag)

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Lesen Sie auch die weiteren Einträge aus Brüggemanns Bayreuther Tagebuch:

Teil 1: „Eine existenzielle Herausforderung“

Teil 2: Die Knackärsche haben gute Arbeit geleistet

Teil 3: Frank Castorf: Rheingold oder Wild at Ring

Teil 4: Wie Angela Merkel mit Wotan flirtet

Teil 5: Wagner ohne Hitler, das ist echte Kunst

Teil 6: Vom Vögeln, Ballern, Krokodil-Schnappen und Buh-Rufen

Teil 7: Leserpost, die Totalkultur und der Antisemitismus

Teil 8: Die Götterdämmerung, Fränkies Buhbad und das Festspielklo

Heute ist es gar nicht so einfach, anzufangen, weil es das Ende ist. Wenn ich mit Fränkie und seinem Applaus anfangen würde, ginge ich ihm sofort auf dem Leim - und dazu mag ich ihn einfach zu gern, um seiner Inszenierung der Aufregungskurve stumpf und bedingungslos wie ein Feuilleton-Frettchen zu folgen. Und damit, worum es heute ging (oder worum es heute nicht ging), macht bei diesem Ring - zumal am letzten Tag - auch keinen Spaß, weil jede Beschreibung, die am Anfang stehen würde, ja nicht zum Kern vordringen würde, um den sich wirklich alles kreist: Um die Offenheit und Freiheit des Denkens, um die Zerschlagung der Form für dem Zweck, eine neue zu gründen. Oder, wie der "Ring" es lehrt: Nach dem Ende steht der Anfang. Wie, verdammt, soll da ein letzter, endgültiger Tagebucheintrag aussehen?

Und weil es heute echt schwer ist, diesen letzten Eintrag anzufangen, beginne ich jetzt einfach mal mit dem Klo. Also die Toiletten auf dem Grünen Hügel, das ist mir heute zum ersten Mal aufgefallen, die riechen anders als die bei "Sani Fair" auf der Autobahn. Dort steigt einem sofort der Klostein in die Nase - aber in Bayreuth riecht irgendwie alles nach Spargel. Vielleicht liegt das ja am giftigen Wagnerianer-Urin.

So, und diesen Anfang, den habe ich mir vom Fränkie abgeschaut: Wenn etwas so groß ist, dass man nicht weiß, wie man dem Ganzen beikommen soll, dann ist es vielleicht gut, einfach mal irgendwo anzufangen. Beim Vodoo, beim Öl oder eben bei der Wagner-Pipi. 

Vielleicht erlauben Sie mir, zunächst einmal auf die 16 Stunden zurückzuzoomen, die ich im Festspielhaus verbracht habe. Dass die Geschichte mit dem Öl nur ein Ablenkungsmanöver von Fränkie war, ist ja schon im "Rheingold" klar gewesen. Die hat Fränkie nur gebraucht, um das Große und Ganze behaupten zu können.  Und das ist ihm ja zutiefst zuwider, weil er das Fragment lieber hat, die eine Idee und die nächste - um dann an die Bruchstellen zu gehen und sie mit Theaterhandwerk zu verschweißen, oder diese proletarische Arbeit gleich ganz dem Publikum zu überlassen.

Zur Erinnerung: wir kommen vom "Golden Motel" an der Route 66 im "Rheinglold" über die Ölminen des stalinistischen Asabaidschans in der "Walküre" über den kommunistischen Mount Rushmore bis zum Alexanderplatz im "Siegfried".

In der "Götterdämmerung" zieht Held Siegfried nun gemeinsam mit Brünnhilde in seinem silbernen Wohnanhänger weiter vor den von Christo verhüllten Reichstag. Aleksandar Denic baut ein letztes, kongeniales Bühnenbild: Gunther (der Kerl, der Brünnhilde freien will) ist Besitzer eines abgehalfterten Dönerladens neben einem "Obst & Gemüse"-Shop direkt an der Berliner Mauer. Nur eine Viertel Bühnendrehung weiter steht das "Plaste und Elaste"-Werk in Schopau mit seiner Neon-Illumination - quasi einmal über die Mauer der Zeit gesprungen. Und, klar, am Ende, wenn der Reichstag enthüllt wird, sehen wir, dass sich hinter der Fassade nicht das Haus des "Deutschen Volkes", sondern der New York Stock Exchange samt einsamen Picasso-Bild befindet. Es rollen Isettas uns Mercedes-Oldtimer auf der Bühne - alles ist total global, und wieder einmal wird die Zeit zum Raum.

Natürlich begibt man sich schnell auf Irrpfade, wenn man hier irgendwo Walhall, Nibelheim oder Gunthers Burg sucht, wenn man nach dem alten Gaul Grane Ausschau hält und meint, es in einem silbernen Wohnmobil-Anhänger gefunden zu haben. Castorf - und das macht ihn aus - ist nicht das Google-Übersetzungsprogramm für Wagner, er nutzt den Komponisten und dessen eigene (von Wagnerianern nie akzeptierte) Ungeschlossenheit des Werkes als Assoziationsraum.

All das, was ich hier nur in Ansätzen beschreiben kann, sind lediglich die opulenten und handwerklich erstklassig gemachten Bilder, und jeder Zuschauer wird scheitern, sie einem Buchstaben aus Wagners Libretto, einem Leitmotiv oder einer Uralt-Bühnenanweisung zuzuordnen. Hey, habt Ihr mal den "Ring" gelesen: der ist doch auch nur aufgeblähtes Welttheater.

Castorfs eigentlicher "Ring" erzählt sich in den Hinterzimmern und in Castorfs privatem Hinterstübchen - und erfreulicher Weise in seinen privaten Blick auf Wagners Personen.

Nehmen wir zum Beispiel Hagen. Ihm hat Aleksandar Denic eine kleine Kapelle gebaut, in dem er dem Kult der Santería frönt, der afroamerikanischen Hauptreligion Kubas, dessen Jüngern es bis vor Kurzem noch verboten war, der kommunistischen Partei beizutreten. Neben Bluthemd und Grabeskerzen pinnt ein Plakat von "Kommissar X" an der Wand, dem Ost-Jerry-Cottan, der das Ende des Kalten Krieges nicht überlebte. All das erschließt sich natürlich nicht (außer, man ist Ossi, so wie Fränkie und ich - er kommt aus Ost-Berlin, ich aus Ost-Bremen).

Viel wichtiger ist die Idee: Hagen ist ein Sektierer, der mit den dunklen Halbgöttern im Bunde steht. Er scheint Vodoo zu können, manipuliert Siegfrieds und Brünnhildes Kinder-Puppe und ersticht den Helden am Ende nicht per Lanze, sondern knüppelt ihn brutal mit dem Baseballschläger nieder. "Erschlagen", so wie es bei Wagner heißt. Dieser Hagen ist ein Jago aus "Otello" - einer, der aus seiner Sozialisierung heraus meint, das Richtige zu tun und die Götter des Bösen auf seiner Seite weiß. Am Ende schwimmt er in einem Schlauchboot auf den See.

Allein an diesem Charakter, zeigt sich, wie Frank Castorf den Pinkelstein der Wagner-Personage zu einer Welt-Philosophie erhebt.           

Es ist 0:03 Uhr, und ich sitze bei einem "Mönchshof"-Pils und Pommes-Schranke auf der Terrasse meines Hotels. Hier spielt sich gerade folgende Szene ab: Herr Puchtler, der Koch und Besitzer, versucht meine Spannungen zum Nachbartisch zu überbrücken. Dort ist die Meinung gespalten, ich bin euphorisch: "Sehen Sie", sagt der Herr Puchtler, der nicht in der Aufführung war, aber alles gelesen hat, was geschrieben wurde: "Das mit der Kalaschnikow finde ich gut, weil wo kriegt man heute noch ein Schwert her?" - Schweigen auf meiner Terrasse. Hier oben ist es nur 16 Grad.

Fränkie, such Dir mal ein neues Hotel. Hier bei mir kannst Du noch Menschen erleben, und keine spargelpinkelnden Hardcore-Hügel-Kerle. Zwei von ihnen standen übrigens in der Pause neben mir. Sagt der Eine zum andern: "Bitte, rede nicht mir mir, bevor der letzte Ton verklungen ist, das mag ich wirklich nicht." - "Okay", sagt der Andere. "Dann ist ja gut, sagt der Erste." Beide tragen das "Arschloch" am Revers, den kleinen silbernen Ring für viele gesehene Bayreuth-"Ringe".

Übrigens meine Kollegin von der Haaretz hat heute tatsächlich geschwiegen. Sie hat einen neuen Freund gefunden, den Kollegen aus Reihe 27.

Wie bescheuert muss man eigentlich sein, wenn man teure Karten für den "Ring des Nibelungen" kauft, weiß, dass Frank Castorf inszeniert, und sich dann, am letzten Abend, mit Trillerpfeifen versorgt und nur darauf wartet, nach dem letzten Ton den heißen Atem des Hasses in schrilles Missfallensbekunden zu verwandeln. Weil man den Richard vor Fränkies Geistes-Muckies schützen will. Weil man das, was "deutsch und rein" ist,  verteidigen muss? Jungs, der Wagner wurde in Paris auch schon mal von solchen Pfeifen ausgepfiffen. Leider war der Richard nicht so eine coole Sau wie der Fränkie, sondern hat das sehr persönlich genommen - aber dazu später mehr. Wir sind ja noch am Anfang. Ich wundere mich allerdings nicht mehr, dass es auf der Festspieltoilette so bitter riecht.

Zurück zum "Ring". Im Zentrum der "Götterdämmerung" stehen wieder die Rheinnixen. Im "Rheingold" waren sie noch kleine Huren, die sich am abgewrackten Swimmingpool geräkelt haben. Das sind sie auch immer noch (heilige Huren!), inzwischen aber selbstbewusst, und auch zum Morden bereit (im Kofferraum transportieren sie die Leiche des Döner-Kellners). Ihnen gibt Brünnhilde am Ende, ganz unspektakulär den "Ring" - und sie werfen ihn ins brennende Ölfass. Apokalypse now? Vorhang!

Lieber Bernhard Jasper, vielen Dank noch einmal für Ihr Posting vom spielfreien Tag. Sie bemängeln, dass es heute keinen Mut mehr zur Form gibt, zum Großen und Ganzen, dass wir uns - postmodern wie wir sind - in Eklektizismus und die Feier des Fragmentes flüchten. Da würde ich widersprechen.

Ich finde, dass dieser "Ring" sich mit der "Götterdämmerung" tatsächlich schließt. Ich habe eben schon geschrieben, welch willkürliche Welt-Stationen, von der Route 66 bis zur Dönerbude, wir gesehen haben. Aber darum kann es in unserer Welt nicht mehr gehen. Für mich sind diese Bilder Fänkies Abgesang auf den Glauben an Systeme, quasi der Weltuntergang durch systemisches Denken. Aber der Fränkie glaubt eben auch an das "Welterlösungsmotiv", an die Welt nach der Zersprengung des großen Bogens, der Ideologien, der vermeintliche Weltwahrheiten. 

Die neue Welt, die am Ende dieses "Ringes" in unseren Köpfen als "Anfang" steht, ist eine Welt, in der das Große und Ganze aus dem Subtext kommt. Und da sind wir dann eben doch sehr bei Wagner. Nein, ich glaube nicht, dass der "Ring" im Urtext geschlossen ist. Wagner wusste sehr wohl, dass er eine Welt der Zerrissenheit beschreibt, eine Welt am Abgrund, eine Welt, der selbst die Götter (und sie stehen für das Holistische) untergehen. Das System ist am Ende - Wagner hofft auf die Musik, also die Kunst, als Erlösung. Und genau das eint ihn mit Fränkie, Mohlmann und mir: der große Bogen ist die Freiheit des Denkens, die Möglichkeit, den Subtext zum Haupttext zu erheben, die Form zum Konstrukt zu machen, den Gedanken zu befreien. Sie, lieber Herr Jasper, haben Ihre Anmerkungen hier als Architekt geschrieben. Und ich finde, dass der Bühnenbildner Aleksandar Denic durchaus architektonische Antworten findet: Es gibt statisch perfekt berechnete Geheimräume, Abstellkammern und Mülleimer. Die Fassade wahren wir eh, aber sie sagt nur wenig über das aus, was sich hinter ihr abspielt. Architektur, Regie und Schreiben sind Künste, in denen Steine aufeinander gestellt werden - und wenn man das so macht wie Fränkie, ergeben sie, obwohl keiner von ihnen statisch gesichert ist, ein Bollwerk der Freiheit.

 

So, und nun kommt das Problem. Das Geheimnis von Fank Castorfs "Ring" ist für mich, dass er uns für seine - zugegeben gewagte - Konstruktion fordert. Dass sie nur dann stabil ist, wenn wir sie mittragen (auch das ist sehr wagnerianerisch!). Ganz anders sieht es für mich mit Kirill Petrenko, dem Dirigenten, aus.

Ich finde die Feuilleton-Debatte, ob sich ein Dirigent an den lauten Kalaschnikow-Schüssen stört, ob Petrenko gemeinsam mit oder gegen Castorf gearbeitet hat, belanglos. Viel spannender ist es, festzustellen, dass es zwei Arten von Ekklektizismus und Postmoderne gibt. Die eine, jene von Castorf, habe ich eben schon beschrieben. Die von Petrenko ist anders. Und sie erinnert mich - sorry - sehr an Simon Rattle: Der junge Dirigent hat sich die Partitur zweifellos sehr genau angeschaut. Und neben den Leitmotiven für Wagner-Proseminare hat er viel Verblüffendes gefunden. Einiges davon hat er sich allerdings vielleicht zu sehr zu eigen gemacht. Wenn Petrenko im Schwur der Blutsbrüderschaft zwischen Gunther und Siegfried extreme dynamische Wechsel fordert, innerhalb eine Phrase vom Fortissimo ins Pianissimo wechseln lässt, kling das sehr bewusst, sehr klug  - aber dummerweise ohne Bezug zur Dramatik. Es ist purer Effekt um des Effektes willens. Wagner zitiert hier offensichtlich den Treueschwur aus "Don Carlo", persifliert ihn, macht auf Verdi - das durch eine private Eingebung zu kaschieren, ist nicht nur fragwürdig, sondern stört auch den dramatischen Moment. Und so ist es eigentlich in Petrenkos gesamten Dirigat: die Überwältigung von Entdeckungen im Detail zerstört am Ende den Fluss. Genau den aber bewahrt Castorf: Er legt einen großen Gedankenbogen an, ein Epos, das sich von Abend zu Abend durch neue Details fügt. Petrenko reicht das Pathos nach fünf Sekunden, und er versucht, es mit Klugheit zu zertrümmern. Castorf glaubt noch an die Unmittelbarkeit seiner Bilder.

Klar, da ist jemand, der etwas behaupten will, einer, der sich auf den Spuren großer Dirigenten wie Rattle und Harnoncourt bewegt und verblüffen will. Aber ihm fehlt die Weisheit, die Reife, um seine Entdeckungen auch innerhalb der Form zu verpacken oder eine eigene Freiheit im Detail zu finden, deren emotionale Sinnhaftigkeit sich dem Zuhörer offenbart. Ich halte auch die Vergleiche mit Thielemann für absurd, die - wie gerade im "Deutschlandfunk" gehört - so gehen: Thielemann versteht Wagner aus dem 19. Jahrhundert, Petrenko aus unserer Zeit.

Ich glaube, dass diese Kategorie nicht funktioniert, dass Musik, zumal die von Wagner, sich dieser Herangehensweise entzieht. Auch Wagner ist ein Behaupter, oder wie Adorno es sagte, ein "Als-Ob-Komponist". Seine Leitmotive sind ebenso behauptet wie Castorfs Ölspur - sie gaukeln eine Geschlossenheit und eine Form nur vor. Wagners Pathos entsteht durch den Glauben an den Rausch (auch hierfür hat Fränkie Video-Bilder gefunden). Ein Rausch, den Petrenko unter allen Umständen vermeiden will.

Ich glaube nach wie vor an Herrn Petrenko - aber ich würde seinen "Ring" gern noch mal in 10 Jahren hören.

Die Götterdämmerung ist ein vokaler Hammer. Die meisten Sänger haben schon einiges in den Stimmbändern, wenn sie nach einem Erholungstag wieder antreten. Und leider hat man das in dieser "Götterdämmerung" auch gehört.

Attila Jun als Irokesen-Hagen hat einfach einen schlechten Tag erwischt, ihm fehlt das sonore Fundament, das Fass, aus dem heraus er seine Mannen-Rufe brüllen kann, die Bass-Souveränität, die dieser Strippenzieher braucht.

Martin Wilkes taucht noch einmal als Unterhosen-Alberich auf, muss aber erkennen, dass Wagner ihn eigentlich längt abgeschrieben hat, Allison Oakes gibt eine formidable Gutrune, und ganz besonders eindringlich gelingt das Duett zwischen Brünnhilde und der Waltraute von Claudia Mahnke, das Castorf ganz ohne Schnickschnack als Schlüsselszene ohne Effekte inszeniert.

Wer kann heute eigentlich noch Siegfried? Lance Ryan hat auf jeden Fall die Kraft, auch wenn ihm (wie in anderen Einträgen bereits beschrieben) die Differenzierung abgeht, er am Ende in die Kopfstimme flieht, und alles sich schließlich doch ein wenig angestrengt, grenzwertig intoniert und irgendwie unheldisch anhört. Auch hier haben die Wagnerianer gebuht - aber wer ist wesentlich besser?

Einigkeit bei Catherine Fosters Brünnhilde: Sie stemmt die Mammut-Partie, vielleicht fehlt ihr ein Quentchen Geschmeidigkeit und innere Ruhe - aber sie geht als goldglitzernde Heldin erhobenenen Hauptes in den Untergang.

Während das Nornen-Ensemble (Claudia Mahnke, Christiane Kohl und Okka von der Dammerau) noch schwerfällig wirkt, spielen die drei Rheintöchter (Okka von der Dammerau, Mirella Hagen und Julia Rutigliano) prächtig zusammen.  Großartig wie immer, der Festspielchor von Eberhard Friedrich.

Grundsätzlich habe ich in jüngerer Vergangenheit keinen besser besetzten "Ring" als diesen gehört.

Ach, Fränkie - heute warst Du nachdem Du den Francoise-Patrice Chereau und Frank-Herbert gegeben hast, wieder mein alter Fränkie - der Abschied fällt ein bisschen schwer. Ich weiß ja nicht, ob Du Dir die Sache mit dem Schlussapplaus schon lange überlegt hast. Vielleicht war es die Vorfreude darauf, die ich beim Künstlerempfang in deinen Augen gesehen habe. Hat auf jeden Fall super funktioniert: Haben sie wieder gemeckert, die Leute vom Spargel-Wagner-Klo, dass Du die Sänger nicht respektieren würdest, als Du einfach nicht von der Bühne gehen wolltest, als das Orchester und der Dirigent auch noch mal beklatscht werden wollten. Dass Du Dich selber in den Vordergrund stellen würdest, haben die Trillerpfeifen-Leute gesagt, die sich in den Vordergrund stellen wollten. War ja auch ein bisschen happig: Fünf Minuten nur so dazustehen mit Deinem Team auf der Bühne, während alle pfeifen und buhen. Lustig, dass ich von einigen gehört habe, dass Du dem Publikum den Vogel gezeigt hättest - ich habe das anders gesehen: Hast Deinen Finger an den Kopf gelegt, und gesagt: "Ey, Leute, denkt doch mal nach", oder? Sag, dass Du das gesagt hat, Fränkie. Hast Du doch, oder?

Ansonsten hast Du dagestanden, dass der Mohlmann und ich stolz auf Dich waren. Standest da wie ein Pierrot. Hast den Mob auflaufen lassen. Ich hätte Dir gewünscht, dass es klappt. Aber dann bist Du doch weg, wegen der Sänger. Warst vielleicht ein bisschen aufgeregt. Aber, hey, Fränkie, Bayreuth ist eine Werkstatt - nächstes Mal bleibst Du einfach auf der Bühne, bis die anderen aufs Festspielhaus-Klo gehen müssen. Also ich fand das groß, dass Du nach dem Weltuntergang gleich mit der neuen Welt anfangen wolltest. Mit der besseren Welt.

Das war's, liebe Freunde. Es ist spät geworden. 2:14 Uhr, auf dem inzwischen kühlen Hügel von Bischofsgrün. Danke für Ihr Lesen, Ihre Kommentare - ich muss noch pinkeln und packen.

Bayreuth 2013 - das war großes Kino für mich. Wusste nicht, dass der Fippsie Rössler so nett sein kann, dass es Duschen auf Balkonen gibt, dass Wagner so viele Klicks erzeugen kann, dass die Freiheit nicht in der Form, sondern in der Assoziation liegt, dass die Offenheit unser großer Bogen ist, dass Kalbsschnitzel bei den Puchtlers so gut schmeckt, dass der Moment immer auch ein Mosaik des Ganzen ist, dass es doch noch Hoffnung gibt, dass es schön ist, da zu sein, dass die Mohlmänner dieser Welt echt knorke sind, dass es Menschen in den Redaktionen gibt, die nur Sonntags um 12 mal an den See fahren, um dann wieder meine Mails in Posts zu verwandeln, dass Wagner dazu taugt, mit seiner Mutter zu debattieren, dass die Ferne in der fränkischen Prärie auch Nähe sein kann, dass es sich besser lebt mit Ventilator, dass Opernkritik überbewertet wird - und dass alles gut ist.

Danke und auf bald.

Ihr Axel Brüggemann

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