Vielfältige Perspektiven auf Licht und Schatten des Christentums / dpa

Christliche Symbole am Berliner Stadtschloss - Alles nur Fassade?

Die Debatte über das christliche Kreuz auf der Kuppel des Berliner Humboldt-Forums geht weiter. Dabei verkennen Gegner wie Befürworter die Chance, die diese Debatte eröffnet.

Autoreninfo

Kathrin Müller ist Professorin für Bildkulturen des Mittelalters am Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität Berlin.

So erreichen Sie Kathrin Müller:

Mit dem Wiederaufbau des Schlosses und der Einrichtung des Humboldt-Forums hat sich der Bund einen Heidenärger eingebrockt, den er so bald nicht loswird. Im erneuten Streit über die Bibelverse Friedrich Wilhelms IV., die die Kuppel der Hofkapelle umschließen, wird nochmals viel beschwichtigt und offensiv kritisiert. Die Rekonstruktion von Westportal und Kapelle nach der Maßgabe des Königs war eine bewusste Entscheidung, doch dessen Auffassung von Herrschertum will man dabei nicht im Blick gehabt haben. Der Wunsch der Initiatoren nach historischer Authentizität gibt sich unschuldig und rein. Nun ist die Not groß, nicht missverstanden zu werden. Mit welchen Mitteln der Interpretationsspielraum begrenzt werden soll, ist jedoch noch nicht entschieden. Die Bundestagsfraktion von CDU und CSU, so wird deren kulturpolitische Sprecherin Christiane Schenderlein zitiert, hält eine Informationstafel zum historischen Kontext für völlig ausreichend.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth hingegen unterstützt das Vorhaben der Stiftung Humboldt-Forum, die Stimme Friedrich Wilhelms IV. zumindest nachts durch eine Lichtinstallation zum Verstummen zu bringen, bevor sie bei Tag wieder golden leuchtet. Das Bizarre ist, dass man damit nicht allein gegen einen historischen, unerträglichen Machtgestus anzugehen versucht. Letztlich wird das Licht im Dunkeln vor allem Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Schlossrekonstruktion wecken. Mit den Versuchen, die Sache von außen anzugehen und die Kritik auf die Schlossfassade zu projizieren, ist dem Problem allerdings nicht beizukommen. Es müsste vielmehr ins Innere des Humboldt-Forums verlagert werden.

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Edit Szegedi | Di., 8. November 2022 - 11:28

Das Kreuz soll ja unbequem sein. Es war nie Teil eines Wellness-Projektes.

Dorothee Sehrt-Irrek | Di., 8. November 2022 - 12:47

Antwort auf von Edit Szegedi

Das Kreuz ist für mich nicht unbequem, es ist tragisch.
Da "löschte" eine Weltkultur eine andere "aus" und "es wurde Licht"?
Das bedeutet doch tragisch, ein hoher Wert streitet mit einem anderen?
Das mag viel zu den Schattenseiten des Christentums beigetragen haben, denn dieses "Auslöschen" ging ja zunächst weiter bei den Römern etc.
Die Botschaft Jesu ist m.E. reine Liebe.
Ich überlege gerade "mit" Herrn Drewermann, ob diese Aufforderung, die andere Wange hinzuhalten auch etwas damit zutun haben könnte, dass man meist in einer ein Tatwerkzeug hält.
Für das Humboldtforum finde ich die Überlegungen der Autorin aber sehr hilfreich.
Da wollen wir doch nicht wieder anknüpfen, zumal der Berliner Dom Kaiser Wilhelm genug Platz bietet.
Das ist ein zeitgenössischer Wiederaufbau.
Ich stimme der Autorin also zu, nicht weil auch nur irgendeine Religion frei von Schattenseiten wäre, sondern weil wir auch neue Wege gehen wollen?
Die Entfernung des Kreuzes in Münster finde ich jedoch grenzwertig.

Gerhard Lenz | Di., 8. November 2022 - 11:47

Religiöser Art kann nur bedeuten, dass Religion ENDLICH da ihren Platz bekommt, wo sie hingehört: in den privaten Bereich des Einzelnen. Ob jemand dem Christentum oder dem Islam anhängt, ist mir ehrlich gesagt Wurscht, solange ich damit nicht belästigt werde.

Die Franzosen machen es vor - zumindest offiziell: Staat und Kirche sind getrennt, Letztere hat im staatlichen Bereich nichts zu suchen und muss selbst sehen, wie sie klar kommt. Und natürlich gibt es keinen automatischen Kirchensteuerabzug.

Und nein: Noch ist Frankreich nicht den Kommunisten zum Opfer gefallen. Und jene, die die Demokratie bedrohen (Le Pen & Co.) mißbrauchen in Ihrer Propaganda oft genug Religion, Christentum und Kreuz schamlos.

Man erinnere sich nur bei uns an die rechtsextreme Pegida, die bei ihren Aufmärschen ein überdimensionales Kreuz trug - um zu unterstreichen, man verteidige (auch) christliche Werte.
Besonders das Gebot der Nächstenliebe für den sozial besonders Schwachen, den Flüchtling..

Walter Bühler | Di., 8. November 2022 - 13:49

Antwort auf von Gerhard Lenz

... geht es in der Tat überall auf der Welt. Auch Atheisten und Neuheiden müssen gegenüber Andersdenkenden Toleranz und Respekt aufbringen. In den wilden Hoch-Zeiten des Atheismus unter Lenin und Stalin hat es jedenfalls sehr deutliche Defizite an Toleranz gegeben. Aber auch etwas zivilere Formen stehen vor der gleichen Aufgabe.

Ja, gewiss Herr Lenz, in Frankreich ist eine Toleranz zu bewundern. Was meinen Sie? Wird sie sich in die Richtung zu entwickeln, welche Houellebecq in "Die Unterwerfung" beschreibt, oder nicht?

Ronald Lehmann | Di., 8. November 2022 - 12:32

Bereits in der Gründung der römisch-katholischen Kirche wurden die Inhalte des Geistes Jesus Christus von Kaiser Konstantin dramatisch geändert, manipuliert & durch die Schaffung der Bibel nur in eine Richtung gehend zum Wohle des Staates als EINE WAHRHEIT/ DOGMA zementiert/ fundamentiert

Wer sich mit ihm beschäftigt, kommt automatisch zur Erkenntnis, das dieser auch einer der schlimmsten Diktatoren auf Erden war. Er legte fest - wer, wie, was, wann, welcher, warum, weshalb &&&!!!!!!

Und im Jahre 2007 beansprucht das Oberhaupt die "einzig wahre Kirche ..." zu sein!

Und seit 1803 bezahlt der Staat die Kirche, wodurch Sie zur Hure des Staates arrangierte & manifestierte. Erkennbar, dass ich als Ungeimpfter zu Corona-Zeiten das Gotteshaus nicht besuchen durfte (ein Glück, das Gott ...)

Und nie wie bei den Medien ein Aufschrei.
Alles was der Staat von sich gibt - Alles Bestens & immer Wahr & Richtig!
Und alles ohne ein "Wenn & Aber" einer Kirchenobrigkeit
Zu KEINER ZEIT- DER ANTICHRIST

Tomas Poth | Di., 8. November 2022 - 12:43

Ja, da ist viel Spielraum, daß jeder seinen Senf dazu geben kann. Schließlich wurde noch nicht alles gesagt, oder doch ? , und in hundert und tausend Jahren rühren wir den Quark noch mal anders herum.
Was sagt denn der Papst, hat der sich auch schon dazu geäußert?
Martin Luther können wir nicht mehr befragen, vielleicht kann jemand die Rolle übernehmen?
Die Studierenden sind Studenten, Frau Professorende, oder studieren ihre Studenten ohne Unterlass 24h am Tag bis ans Lebensende?
Transkulturell und divers, ist wohl die Methode um das Eigene an Top zusetzen, zu überhöhen, quasi a bisserl faschistoid oder.

Jochen Rollwagen | Di., 8. November 2022 - 12:46

Geht es Deutschland an die Substanz.

Die Frage ist, ob es in diesem Land überhaupt noch eine solche gibt.

Nach der kursorischen Lektüre dieses Geschreibsels (kurz überfliegen - Talking points und Trigger warnings checken - Blick auf die verbeamtete, voll-versorgte staats-dienende Autor*In, deren Beamt*Innen-Status sie übrigens dem Preußenkönig zu verdanken hat) würde ich sagen:

Eher nicht.

Markus Michaelis | Di., 8. November 2022 - 13:58

"Das Bizarre ist, dass man damit nicht allein gegen einen historischen, unerträglichen Machtgestus anzugehen versucht."

Frau Müller stellt die Ambivalenzen ganz gut dar und die Chancen, die diese auf Diskussionen und kritische Ein- und Selbstsichten eröffnen. Das sehe ich auch so.

Was ich anders sehe: der preußische Machtanspruch ist lange her. Wer sich heute noch an diesen Machtgestus zur Interpretation des Heute klammert, muss sich fragen, ob er das wirklich gegen alle Menschen, Völker und Kulturen so durchsetzen will. Man müsste vom hohen Ross 3/4 der Welt abkanzeln. Oder denkt man "völkisch", dass man als intellektueller Deutscher nur (echte - nicht zugewanderte?) Deutsche aufarbeitet?

Der preußische Machtgestus war in vielem unerträglich (besonders aus heutiger Sicht), aber die Welt heute ist anders. Den größeren Machtgestus sehe ich im Moment z.B. bei der Humboldt-Universität, die in absoluten Urteilen verkündet, statt sich neugierig in einer vielfältigen Welt zu bewegen.

Walter Bühler | Di., 8. November 2022 - 14:16

Frau Professor Müller hat mir nicht deutlich machen können, was sie eigentlich meint.

"Es spricht nichts gegen eine nächtliche Überblendung, sei es der Bibelverse Friedrich Wilhelms IV. oder auch des Kuppelkreuzes."

Angenommen, man "überblendet" in der (ganzen?) Nacht die Kuppel-Umschrift, die ziemlich weit oben ist, durch andere Schriftzüge, dann müssten diese zunächst einmal von unten lesbar sein. Würden Touristen oder Berliner Nachtschwärmer ihren Blick nach oben richten und dabei um das ganze Schloss wandern, um den Text verstehen zu können?
Stehen Bau- und Stromkosten dazu in irgendeiner rationalen Relation?

Soll das Kreuz unter einer Pudelmütze verschwinden?

Wäre Abreißen nicht besser? Sollte man nicht alle Kirchen abreißen oder in Moscheen und Synagogen umwandeln?

Und überhaupt: Sollen sich die Schweiz, Dänemark, Schweden, Norwegen, Island, England nicht umgehend neue Nationalflaggen verschaffen? Was wird aus den vielen Orden und Ehrenzeichen in Form eines Kreuzes?

Ernst-Günther Konrad | Di., 8. November 2022 - 15:33

Nein, wer einem Glauben anhängt, der mag die Symbole dafür für sich persönlich wie auch immer hinhängen, zeigen oder als Schmuckstück tragen. Aber offen in öffentlichen Gebäuden geht das eben nicht, sagen die Antichristen (GRÜNEN). Nur, steht das Kreuz für das Christentum und ist natürlich auch interpretierfähig. Ich frage mich nur, wo der große Aufschrei, der Protest, die Demonstrationen der Kirchen und ihrer Gläubigen bleibt? Was denken die Bischöfe denn darüber, wenn ihr wichtigstes Symbol und Texte aus der Bibel überdeckt oder gar verschwinden sollen, an anderer Stelle gar abgehängt werden. In Köln ruft der Muezzin und woanders werden Bibeltexte zeitlich beschränkt verdeckt oder Kreuze für das G7 Treffen in Münster schnell mal abgehängt. Aus grüner Sicht verständlich. Die glauben nur an sich selber und ihre Ideologie, die sie sektenartig zelebrieren. Ganz nach dem 1. Gebot: "Du sollst keine anderen Götter neben mir haben." Mal sehen wann die ersten Kirchen schließen müssen.

Ich lebe ja in gewisser Weise nach dem Kirchenjahr, das aber - Überraschung?:) - auch dem Kalenderjahr angepasst ist.
Wie auch immer, Karfreitag bin ich jedes Jahr aufs Neue am scheinbar Ende. Ich verzweifle daran, denn ans "Kreuz geschlagen" wurden doch immer wieder Menschen.
Es ist aber dann doch nur scheinbar das Ende, denn es geht mir, wie Camus es für Sisyphos beschreibt, ich rolle den Stein wieder nach oben und jedesmal bin ich um so vieles an Leben reicher, dass man auch mich glücklich nennen darf.
Sysyphos ist Camus Zarathustra.
Ich schliesse mich dann wohl doch denen an, die an die Wiederauferstehung glauben und das nicht nur im transzendentalen Sinne.
Der unbedingte Siegeszug, Einzug Jesu ins Himmelreich, ist für mich eigentlich nur mit so einem Wunder zu erklären.
Da ich an ein Multiversum glaube und immer wieder bezaubert bin von chinesischen/südkoreanischen und taiwanesischen RomComs, habe ich eben auch meine Erklärung für das eigentlich nicht, sonst nur anders Mögliche..

Die stete Hoffnung, dass bei jedem gesellschaftlichen Problem die relevante Gruppe auf die Straße läuft um endlich Demokratie und Demokraten zum Teufel zu jagen, bleibt zwar die große Hoffnung des Foristen, wird sich aber auch jetzt nicht verwirklichen.

Das haben zuvor weder die rechtsextremen Pegida-Marschierer erreicht (obwohl doch ordentlich gegen Migranten gehetzt wurde), dass schafften nicht Covidioten und Querdenker nebst verbündeten Rechtsextremisten, damit werden die Kritiker von Energie-und Sanktionspolitik keinen Erfolg haben. Und die Gläubigen, gleich welcher Glaubensrichtung schon gar nicht, sie haben daran auch kein Interesse. Denn die hier zündelnden Pseudo-Christen im Umfeld der AfD missachten ständig und zu offensichtlich essentielle christliche Prinzipien - die Nächstenliebe für die Schwächsten der Gesellschaft, die Flüchtlinge.
Mit solchen "Christen" will man garantiert nichts zu tun haben.

Wird auch dieses Mal nichts mit der Beseitigung des Systems.

Werner Peters | Di., 8. November 2022 - 17:35

Wieso überhaupt ein Problem ? Ein solches gibt es nur in den Hirnen der Linksgrünen, allen voran Frau Roth. Das Schloss ist wieder so erbaut, wie es war, wie denn sonst ? Oder soll da jetzt oben der Mercedes-Stern prangern ?

Sabine Lehmann | Mi., 9. November 2022 - 01:55

Für mich nehmen die Befindlichkeitsstörungen bestimmter Bevölkerungsgruppen inzwischen verstörende Züge an. Ich wäre wirklich sehr dafür, alles, aber wirklich alles was mit unserer Kultur, Identität und dem Christentum zu tun hat, zu verhüllen, zu verkleben, mit Tomatensuppe, Kartoffelpüree oder Austernsuppe zu beschmieren, überall das Licht auszuschalten, die letzten Pferde zu satteln, zurück in Lehmhütten zu ziehen und schlussendlich auf eine gute work-life-balance zu achten. Ach so und nicht vergessen, die Nachbarn aus der gegenüberliegenden Lehmhütte nach dem gewünschten Pronomen für die Anrede fragen, könnte sonst doch wieder zu Befindlichkeitsstörungen führen;-)

Gerhard Hellriegel | Mi., 9. November 2022 - 17:52

Bin Atheist. Fordere, dass sofort an jeder Burg, an jedem Schloss, an jeder Kirche eine Tafel angebracht wird, in der darauf hingewiesen wird, dass all dies nur auf dem Rücken, durch Ausbeutung der Bevölkerung entstanden ist.
Auf die Idee, dass es sich dabei um geschichtliche Hinterlassenschaften handelt, und die war nun einmal so, wie sie war, auf diese Idee komme ich einfach ohne Tafel nicht. Und warum eigentlich nur Warntafeln? Sollte nicht auch vor jedem Parlament eine Tafel stehen, die uns belehrt, dass dies ein Ort guter, wahrer Demokratie ist und dass die Bevölkerung es aus freien Stücken finanziert hat?
Vor dem Bundestag vielleicht noch der Hinweis: "Hier sitzen zu viele Abgeordnete*innen."