Bernhard Schlink
Bernhard Schlink tritt für einen liberaleren Umgang mit der Sterbehilfe ein / Foto Maurice Weiss

Bernhard Schlink im Interview zu Sterbehilfe - „ Bei Suizid quält uns immer die Warum-Frage “

Die Anerkennung des Grundrechts auf Selbsttötung fordert der Jurist und Autor Bernhard Schlink schon lange. Nun hat das Bundesverfassungsgericht ihm Recht gegeben, und der Bundestag muss die Sterbehilfe neu regeln. Schlink kritisiert, wie restriktiv die Vorschläge der Abgeordneten sind. Denn wer sich in Freiheit zum Tod entscheidet, darf sich töten, und er darf sich dabei auch helfen lassen. Auch wenn uns sein Tod noch so traurig zurücklässt.

Autoreninfo

Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Bernhard Schlink ist emeritierter Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Berliner Humboldt-Universität. International bekannt wurde er mit seinem Bestseller „Der Vorleser“. Zuletzt erschien von ihm der Roman „Die Enkelin“.

Herr Schlink, in einer Ihrer neuen Erzählungen wird die Trauer eines Mannes über den Tod seines Bruders beschrieben, der sich selbst das Leben genommen hat. Was ist anders an der Trauer nach einem Suizid als an der Trauer nach einem natürlichen Tod?

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Jens Böhme | So., 12. Juni 2022 - 09:44

Es sterben viele Menschen an vorbereiteten Suizid, weil dies verschwiegen wird. Entsprechende Tabletten kann man in hohen Dosierungen zu sich nehmen, die Apotheken sind voll mit Schlafmitteln. Beim gesetzlichen Suizid geht es lediglich um eine anwesende Person in der Sterbephase. Zudem um die Gefühlswelt der Hinterbliebenen, denen anscheinend mehr Beachtung zuteil wird, als dem kaum noch am Leben teilhabenden Menschen aus Alters- oder Siechgründen. Wir machen uns was vor bei diesem Thema und können nicht aus dem vorgegebenen Lebensbild raustreten und fühlen uns als Hinterbliebene vom Verstorbenen enttäuscht oder hätten zu wenig getan.

Karl-Heinz Weiß | So., 12. Juni 2022 - 13:20

Antwort auf von Jens Böhme

Aus eigener Erfahrung bin ich anderer Meinung. Der unerwartete Suizid (im Beitrag geht es um etwas ganz anderes) ist für die Angehörigen immer mit traumatischen Erfahrungen verbunden. Seit Menschengedenken gibt es eine Gedankenwelt, die den anderen verschlossen bleibt. Deshalb habe ich auch kein Recht, eine Mutter zu verurteilen, die ihrem Mann mit einem Suizid folgt und ihre drei minderjährigen Kinder allein zurücklässt.

Jens Böhme | So., 12. Juni 2022 - 19:33

Antwort auf von Karl-Heinz Weiß

... ob sie Suizid machen dürfen. In meinem Kommentar bin ich auf den Artikelinhalt eingegangen und habe beschrieben, was der Hintergrund derjenigen ist, die nicht allein aus dem Leben sich verabschieden wollen. Ich habe in meinem Kommentar weder die anonymen noch die offensichtlichen Suizidalen verurteilt sondern deutlich gemacht, wieso man sich in Deutschland zu dem Thema so sperrig anstellt.

Christa Wallau | So., 12. Juni 2022 - 10:36

gehört - wie die Abtreibung - zu den Fragen, mit denen sich jeder Mensch eingehend beschäftigen sollte. Daher müßten sie auch im Zentrum eines jeden ethischen bzw. religiösen Unterrichtes in den Schulen stehen.
Leben u. Tod sind die wichtigsten Wegmarken jedes Individuums, und der Umgang mit ihnen prägt jede KULTUR. Daher kann dieser nicht hoch genug eingeschätzt werden im Hinblick auf die Auswirkungen.
In punkto Freiheitsrechte stimme ich Herrn Schlink zu: Als freie Bürger haben wir gg. dem Staat das Recht, über unseren LEIB u. unser LEBEN selbst zu bestimmen. Deshalb ist es ja z. B. ungeheuerlich, eine Impfpflicht einzuführen, wenn damit - erwiesenermaßen - fremdes Leben nicht geschützt werden kann.
Es steht andererseits jedem Christen od. ähnlich denkendem Menschen frei, sich gegen Abtreibung u. frei gewählten Suizid auszusprechen, weil Leben u. Tod für ihn eben nicht frei verfügbar sind, sondern in Gottes Hand liegen.
Der Gesetzgeber sollte allen Anschauungen gerecht werden.

Gottes Meinung zur Sterbehilfe ist mir noch nicht begegnet - nur die Meinung jener, die ständig für sich in Anspruch nehmen, diese zu kennen.

Religiöse Menschen können durchaus vom assistierten Suizid Abstand halten, niemand zwingt sie, davon gebrauch zu machen.

Wer mit Religion nichts am Hut hat, darf durch diese auch nicht gemaßregelt werden. Das gilt für Abtreibung genauso wie für assistierten Suizid.

Impfungen haben damit natürlich überhaupt nichts zu tun. Sie schützen zunächst den Geimpften selbst (vor schwerer Erkrankung), im günstigsten Fall verhindern oder vermindern sie die Ansteckungsgefahr.

Das alleine kann schon reichen, eine Impfpflicht einzuführen. Es kann ja wohl niemand ernsthaft fordern, lebensrettende Maßnahmen - aus ideologischen Gründen - abzulehnen bzw. Menschen vorzuenthalten.

Das wäre sicher nicht in Gottes Sinne...

Dorothee Sehrt-Irrek | So., 12. Juni 2022 - 11:17

Hilfe gebeten worden und bin vor allem aus dem Grund für eine "bestallte" Sterbehilfe, weil ich weder Willens noch fähig war, diesem Wunsch zu entsprechen.
Ich gab mir jedoch größte Mühe, jede Angst von diesem Menschen zu nehmen, die ich nehmen konnte, gleich welche Entscheidung er träfe.
Für die Kirchen, eigentlich alle Kirchen, müßte das Sterben doch ein Teil des Lebens sein.
Sie sind unerlässlich darin, der Person Liebe, Selbstachtung und Vertrauen zu ermöglichen und entgegenzubringen.
Medizinisch gesehen führt aber eigentlich auch die Begleitung, je nach dem, zu einem sanften Tod oder zu einer noch möglichen Heilung.
Zunächst muss dringend jedem Missbrauch vorgebeugt werden, dann möchte ich aber auch darum bitten, alles auszuschöpfen an Möglichkeiten, die uns doch nun mal gegeben sind.
Das Recht auf Selbsttötung ist für mich kein positives Recht, sondern ein abgeleitetes. Das sollte erkennbar bleiben.
Ein Recht zu töten sehe ich überhaupt nicht.
Ich bin also gegen die Todesstrafe.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 13. Juni 2022 - 09:31

Ich kann die Meinung des Herrn Schlink nur unterstützen. Es braucht keine behördliche Organisation, sondern allenfalls Überwachung dann, wenn der Verdacht besteht, ein Suizidwilliger sein dazu gedrängt worden oder eben nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. Ich mag die Aufregung auch nicht verstehen, das Menschen für sich selbst entscheiden, würdevoll aus dem Leben zu gehen. Wer eine Patientenverfügung hat legt sich ja auch schon in den meisten Fällen sehr früh fest, dass er bestimmte lebenserhaltende Maßnahmen ablehnt und lieber dem Tod den Vortritt gibt als ewiges Siechtum. Und mal ehrlich. Wer ernsthaft seinen Tod herbeiführen will findet Wege, oft grausam für die in irgendeiner Weise damit konfrontierten Menschen. Seien es Angehörige, die einen Erhängten oder mit Tablettenintoxikation verblichenen Angehörigen finden oder der Lokführer, dem sich jemand vor den Triebwagen wirft. Das sind einschneidenden belastende Erfahrungen. Die braucht kein Mensch. Würde heißt Freiheit.

gabriele bondzio | Mo., 13. Juni 2022 - 17:26

Ein schwieriges Thema. Und auch sehr von den Betroffenen abhängig. Verstehe einerseits Menschen, die so stark von Schmerzen gequält werden und nur noch mit ganz stark dosierten Schmerzmittel über den Tag kommen. Das ihnen das Leben leid ist. Andererseits sehe ich den Wunsch der Angehörigen, die sich an jede immaginäre Hoffnung klammern um ihre Lieben nicht zu verlieren.

Endgültig ist die Frage für mich zu beantworten. Wenn sie mir als Angehöriger gestellt oder ich selbst den Wunsch habe, dem Leben "ade" zu sagen.

Aber ich finde es gut, dass die juristischen Schranken gefallen sind, Hilfe zu bestrafen.
Manch naher Angehörige der bei der Selbstötung (auf Wunsch) geholfen.
Hat sicher keine gute Zeit (auch ohne juristische Schritte) danach gehabt.