
- Das Theater-Kraftwerk
Querdenker, Metoo, Kulturkämpfe und Deutungsschlachten: Vier Jahre lang hat sich die berühmte Berliner Volksbühne von Krise zu Krise geschleppt. Kann der neue Intendant René Pollesch das angeschlagene Theater retten?
Vor kurzem erzählte ein erfolgreicher Galerist und Nachbar der Volksbühne, wie toll es für ihn gewesen sei, als nach den eineinhalb Jahren Pause der Spielbetrieb wieder losging. Berlin Art Week hin, Art Basel her: Wie ein ganz kleines Licht sei man sich plötzlich vorgekommen, neben diesem Kraftwerk, das wieder ans Netz ging. Er sagte das ohne Neid, hatte sein Ticket für die nächste Premiere bereits in der Tasche und war einfach voller Anerkennung, ja Liebe.
Berlin im Herbst 2021. Die Theater sind offen. Die Volksbühne hat mit René Pollesch einen neuen Intendanten, aber einen, der schon lange mit dem Haus verbunden ist und der die „Positionierung des Hauses als politisches Theater“ wiederbeleben möchte. Betonung auf wieder. Nach dem, was an der Volksbühne in den vergangenen vier Jahren passiert ist, klingt das wie die unwahrscheinliche Heilung eines komplizierten Bruches. Für alle, die nicht ständig dabei waren: Seit 1992 war die ostdeutsche Theaterlegende Frank Castorf Intendant. Im Jahr 2015 hatten der damalige SPD-Kultursenator Berlins, Tim Renner, und Bürgermeister Michael Müller den Vertrag Castorfs nicht über 2017 hinaus verlängern wollen. Der belgische Museumsmanager Chris Dercon sollte das Ruder übernehmen, den Gegensatz zwischen Theater- und Kunstwelt niederreißen, aus einer städtischen Bühne mit Repertoirebetrieb ein international ausgerichtetes Mehrspartenhaus mit Dependance im Flughafen Tempelhof machen.