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Antrophomorphe Welt - Zur Katze streng sein, das geht einfach nicht

Kolumne: Stadt, Land, Flucht. Die Vermenschlichung des Haustiers nimmt bisweilen bizarre Züge an. Auf dem Bauernhof wollen wir es anders machen – und tappen doch in die gleiche Falle

Autoreninfo

Marie Amrhein ist freie Journalistin und lebt mit Töchtern und Mann in der Lüneburger Heide.

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Der Kater weinte, als er mich sah. Er hatte seinen Kopf aus der Katzentür gesteckt, die in das große schwere Holztor der Tenne eingesägt ist. Dann kam er auf mich zugehumpelt. Sein Miauen war laut, fordernd.

Peter ist eher der weiche Katercharakter. Seine Schwester Pauline benimmt sich, wie es sich für eine Bauernhofkatze gehört. Drahtig ist sie, genießt Streicheleien kurz, dann reicht es ihr wieder. Peter ist anders. Stundenlang sitzt das schwarz-weiße Tigertier auf dem Schoß des Bauern und vergräbt seinen Katzenkopf in der dreckigen Pranke. Neugierige Babygrabschereien an Ohr und Schwanz lässt er ruhig über sich ergehen. Nun aber heulte Peter. Und hielt den Verkehr auf. Ein kurzes Abtasten, das zu keinem Ergebnis führte, war die erste Maßnahme, man würde sich ihm später widmen. Die Kinder schrien, die Pferde hatten Durst, es gab zu tun und ehe ich es mich versah, humpelte Peter von dannen in Richtung Wald.

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Erst ein paar Stunden später kehrte Ruhe ein. Nun hätten wir Zeit für ihn gehabt, aber zur Fütterung kam er nicht. Nicht am Abend, nicht am nächsten Morgen. In meinem Kopf sah ich ihn zusammengekauert unter den dunklen Tannen im Moos. Enttäuscht von den Menschen, von mir. Meine Rufe am Abend verhallten in der Dunkelheit.

Der Hund als Alleinerbe


Entweder er stirbt oder er kommt wieder – da muss er nun alleine durch, sagten wir uns in dem Versuch, das Schicksal der Hofkatze nicht an uns heran zu lassen. Das ist der Versuch, den wir hier wagen: kein Verhätscheln der Tiere, keine Vermenschlichung, sondern eine respektvolle, artgerechte Haltung. Und wenn es nicht mehr geht, dann wird ein Tier eher eingeschläfert, als dass man ihm monatelange Behandlungen angedeihen lässt.

Frotzelnd rezipieren wir Geschichten aus der Welt der Tierverrückten: vom Aquajogging auf Unterwasserlaufbändern, von Menschen, die ihren Hund als Alleinerben einsetzen oder von den der Welt ganz entrückten Tierschützern der Organisation PETA, die gerade einen Fotografen verklagen, weil der das Selfie eines Affen ohne dessen Einverständnis veröffentlicht hat. Schwierig genug, die Realitäten der anthropomorphen Kinderbücher mit lieben Löwen, sprechenden Elefanten und listigen Füchsen nach der Lektüre wieder ins rechte Licht zu rücken.

Der Industrieverband Heimtierbedarf zählt etwa 28 Millionen Heimtiere in Deutschland. Zwölf Millionen davon sind Katzen, sieben Millionen Hunde. Die Universität Göttingen hat im vergangenen Jahr den wirtschaftlichen Nutzen der Tierhaltung errechnet. Demnach geben die Deutschen 2,1 Milliarden Euro für die Gesundheit ihrer Lieblingswesen aus, 40 Millionen Euro für Tierbestattungen, 75 Millionen Euro für Hundeschulen, für Friseure immerhin noch 65 Millionen Euro.

Wir betteten den Kater auf dem Sessel


In der Heide naht der Winter, der Herbst bringt den Raureif auf die Felder. Nach der ersten Frostnacht hagelten die Eicheln so auf die Stalldächer, dass es klang wie Maschinengewehrsalven. Peter aber blieb verschwunden. Unsere Parole, eine Hofkatze müsse da durch, wich der Trauer und dem schlechten Gewissen.

Und dann stand er wieder vor der Tür, nach drei langen frostigen Nächten, noch immer humpeld und maunzend. Und wir ließen ihn herein, unseren wilden Hofkater, damit er sich am Ofen wärmen könne. Wir betteten ihn auf dem feinen Gründerzeitsessel – trotz all der Haare, die sich so hartnäckig im Polster festsetzen.

Und am nächsten Morgen ging es dann zum Tierarzt: Schmerzmittel satt für unseren Peter mit seinen geprellten Knochen.

Aber wenn er gesund ist, dann muss er wieder vor die Tür. Bestimmt.

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