
- Das Denunziantentum bedroht die Wissenschaft
Der Würzburger Politologe Thomas Kestler sieht in den Vorwürfen gegen den Lehrstuhl für Neueste Geschichte an seiner Universität einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit. Die studentischen Aktivisten denunzierten Wissenschaftler mit „Bullshit“-Begriffen.
Der Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit an der Uni Würzburg nimmt immer bizarrere Wendungen. Offenbar wusste die Universitätsleitung schon lange von den diffusen Vorwürfen gegenüber dem Lehrstuhl für Neueste Geschichte, hielt den Lehrstuhlinhaber auf Nachfragen jedoch monatelang hin, während sie mit den linken studentischen Aktivisten Pläne für eine Neuordnung des Lehrangebots schmiedete.
Es verschlägt einem die Sprache angesichts dieser Vorgänge, vor allem mit Blick auf die konkreten Vorwürfe. Der einzige harte Fakt ist ein unter Pseudonym veröffentlichter Artikel in der Zeitschrift Sezession. Über den Inhalt des Textes kann man streiten, aber das haben gute Texte so an sich. Worüber man nicht streiten kann, ist die Tatsache, dass dieser Text unzweifelhaft von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und einen legitimen Diskussionsbeitrag darstellt.
Gezielte Skandalisierung durch diffuses Geraune
Die Art, wie dieser Text nun, elf Jahre nach seiner Publikation, gezielt skandalisiert wird, ist inakzeptabel. Die private Publikationstätigkeit ist von der wissenschaftlichen Arbeit zu trennen. Liberale Rechtsstaaten respektieren unterschiedliche Sphären, nur in totalitären Staaten werden alle Grenzen aufgehoben, das Private wird politisch, und ebenso die Wissenschaft. Jedoch kann die Wissenschaft nur in einem geschützten Raum funktionieren. Hebt man die Grenzen auf, die sie von den Sphären des Privaten und Politischen trennen, dann hört sie auf zu funktionieren. Genau das passiert gerade, und genau deshalb sind die Vorgänge in Würzburg so schwerwiegend.
Jenseits des besagten Textes beschränken sich die Vorwürfe der linken Studierendenvertreter auf diffuses Geraune von einer „neurechten Diskursverschiebung“ und „rechten Netzwerken“. Auf Nachfrage konnten sie diese Vorwürfe nicht konkretisieren, was in der Natur der Sache liegt. Diese Begriffe fallen in die von Harry Frankfurt beschriebene Kategorie des Bullshit – sie sind nicht greifbar und deshalb wissenschaftlich unbrauchbar.
Die erste Regel des wissenschaftlichen Arbeitens besagt: Kläre deine Begriffe. Mit welchen Konzepten auch immer man hantiert, man muss sie auf die Beobachtungsebene herunterbrechen. Woran machen Sie das fest?, lautet die Frage, die ich immer bei Abschlussarbeiten stelle. Diskursverschiebung – was soll das sein, woran machen Sie das fest? Das hätte die erste Frage sein müssen, die von den Mitgliedern der Universitätsleitung, allesamt gestandene Professorinnen und Professoren, an die linken Aktivisten des Studierendenparlaments zu richten gewesen wäre. Dass sie diese Frage offenbar nicht gestellt haben, wirft kein gutes Licht auf sie. Dasselbe gilt für die Journalisten der Mainpost und des BR, die sich bereitwillig zu Multiplikatoren der Denunziationskampagne gemacht haben, statt ihre journalistischen Hausaufgaben zu machen und nachzufragen, wo oder was konkret denn diese „neurechten Netzwerke“ sein sollen.
Denunziation mit Bullshit
Das Wesen der Denunziation liegt darin, dass sich der Angegriffene nicht wehren kann. Entweder kennt man die Denunzianten nicht, weil sie sich im Schatten der Anonymität verstecken, oder sie verstecken sich hinter Bullshit-Begriffen, die nicht widerlegbar sind. Vorwürfe, die nicht greifbar sind, kann man auch nicht entkräften. Jeder Verteidigungsversuch macht es nur schlimmer. Mit jeder Rechtfertigung und jedem Dementi verstärkt man nur den Eindruck, dass da etwas dran sein könnte. Eine perfide Masche.
Wenn man nicht sagen kann, was eine „neurechte Diskursverschiebung“ ist, dann kann man diesen Vorwurf nicht aufklären, auch nicht durch eine Taskforce, wie sie nun an der Universität eingerichtet wurde. Er bleibt im Raum stehen und beschädigt den Angegriffenen, auch wenn auf der faktischen Ebene rein gar nichts gegen ihn vorliegt.
Wer solche Vorwürfe erhebt, will nicht aufklären, sondern diffamieren und zerstören. Man fühlt sich an das Stasi-Instrumentarium der Zersetzung erinnert. Dass so etwas an einer deutschen Universität möglich ist, macht mich sprachlos. Wenn man nun als Wissenschaftler jederzeit damit rechnen muss, von politischen Aktivisten diffamiert zu werden, wenn man ebenso damit rechnen muss, dass sich die Presse zu willigen Vollstreckern solcher Kampagnen macht und von der Universitätsleitung kein Rückhalt erwartet werden kann, dann ist wissenschaftliches Arbeiten nicht mehr möglich.
Wenn das Ministerium und die Universitätsleitung in dieser Angelegenheit nicht schnellstmöglich für eine Rehabilitierung der Betroffenen und eine Klarstellung sorgen, dann wird der Schaden für die Wissenschaft immens sein und weit über die Würzburger Posse hinausreichen.
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Was erstaunt den Autor an diesem Vorgehen, hat doch selbst die für den Verfassungsschutz zuständige Innenministerin die Beweislastumkehr für Beamten eingeführt, wodurch diese ohne Verfahren aus dem Dienst entfernt werden können. An einem „unabhängigen Richter“, der nicht nach Staatsräson (Corona-Masken für Schüler), sondern nach Gewissen urteilte, wurde ein Exempel statuiert. Er verlor sein Amt und damit große Teile seiner Altersversorgung, wird in Armut enden. Das ist nur ein Beispiel, auch der geschasste BSI-Chef passt da ins Bild.
Was ist mit den Anzeigen, Verfahren und Urteilen gegen die Meinungsfreiheit? Jetzt wurde sogar ein Journalist verurteilt. Passt das alles nicht in ein Bild, das verdächtig an alte Zeiten erinnert, in denen linke Autokraten das Sagen hatten?
Da stellt sich doch die Frage: Wo auf der Welt funktionieren linke Regierungen als „Demokratien“ langfristig? Enden diese nicht schnell in der Autokratie, weil sich das Kapital und die Fleißigen zurückziehen?