
- Wie der Adel lebt auch Europa vom Mythos der eigenen Auserwähltheit
In der bürgerlichen Lebenswelt werden die seligen Inseln und Habitate des Adels längst von den Fluten des globalen Kapitalismus unterspült. Taugt diese Entwicklung als Gleichnis für ein kleinmütiges Europa, das seinen Bedeutungsschwund ebenfalls nicht aufhalten kann?
Soziologisch betrachtet ist der Adel eine Gesellschaftsgruppe, die weniger von ihren ererbten Privilegien als vielmehr von den Projektionen ihres Umfeldes lebt. Für das von einem tiefsitzenden Minderwertigkeitskomplex geplagte Bürgertum ist es schließlich noch immer das höchste der Gefühle, auf Du und Du mit geborenen Freiherren, Gräfinnen oder gar Erzherzögen zu sein. Dieses Milieu, bei dem sich alles um patrilineale Abstammung und familiäre Herkunft dreht, ist nichts anderes als Ausdruck eines sehr hartnäckigen gesellschaftlichen Strukturprinzips, des symbolischen Herrschaftsanspruchs einer Minderheit über die Mehrheit. Gleichgültig, ob dieser Anspruch legitim ist oder nicht.
So viel steht fest, Adel ist ein gänzlich unverdientes Geburtsrecht, man wird in ihn hineingeboren oder eben nicht. Was dagegen, elender Plebejer? Im Übrigen sind Ideen wie Gleichheit oder Partizipation doch bloß bastardisierte Ausgeburten der Geistesgeschichte – niedrige Wunschvorstellungen all derer, die es selbst bedauern, nicht zu dem Kreis der Auserwählten zu gehören. Anders gesagt, zum großen Ärgernis aller bürgerlichen Aspiranten ist der Adel die vollendete Perversion der Meritokratie; eine offene, geradezu anarchische Verhöhnung des Leistungsprinzips, welches in allen anderen Lebensbereichen der kapitalistischen Gesellschaft vorherrschend ist oder es zumindest sein sollte. „Seelenadel“ ist da bloß ein geringer Trost, „Anciennität“ zumindest symbolisch unschlagbar.
Cicero Plus weiterlesen
-
Ohne Abo lesenMit tiun erhalten Sie uneingeschränkten Zugriff auf alle Cicero Plus Inhalte. Dabei zahlen Sie nur so lange Sie lesen – ganz ohne Abo.
-
Monatsabo0,00 €Das Abo kann jederzeit mit einer Frist von 7 Tagen zum Ende des Bezugzeitraums gekündigt werden. Der erste Monat ist gratis, danach 9,80€/Monat. Service und FAQsAlle Artikel und das E-Paper lesen
- 4 Wochen gratis
- danach 9,80 €
- E-Paper, App
- alle Plus-Inhalte
- mtl. kündbar
Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.
kann man das beschriebene Phänomen ja auf einen noch kürzeren Nenner bringen- die frühere eruropäische Arroganz ist zu einem geradezu peinlichen "Sündenstolz" samt ignoranzbasierter Fernstenliebe verkommen. Wie großartig muß man sich im Grunde vorkommen, wenn man alles Elend der Welt-vergangen, gegenwärtig und zukünftig- seinen eigenen Fehlern und Verbrechen zuschreibt, ohne Kausalbeiträge anderer Kulturkreise und deren Verantwortlichkeit auch nur in Betracht zu ziehen? Was sagt diese Haltung in Wirklichkeit auch über die wirkliche Einstellung unserer Freunde des Globalen Südens gegenüber Nicht-Europäern? Eine besonders fatale Nebenwirkung dieser Verirrung ist aber, daß sich nicht nur all die Führer dysfunktionaler Staaten allzu gerne von diesem Generaldispens für eigene Verantwortung verführen lassen sondern auch nicht wenige der Armutsflüchtlinge aus diesen Ländern hier schon mit einer Anspruchshaltung ankommen, die jede Hoffnung auf Integrierbarkiet zunichte macht.
auf den Adel kommen und es soll europäische Länder geben, die zumindest noch konstitutionelle Monarchien sind.
Ein adliges Geburtsrecht war aber vielleicht doch zuviel des Guten, denn die Verleihung eines Adelstitels hatte mit Leistung und Machtsicherung zu tun.
Da aber auch mit Stete, erklärt es sich vielleicht doch.
Mit der Komplexität moderner Gesellschaften und allgemeiner Bildung, überhaupt ökonomischer Produktivität, tritt der Adelsstatus jedoch in den Hintergrund.
Der abrupte "Abschied" der Deutschen von der Monarchie, bei gleichzeitiger Krisensituation war dagegen evtl. hochproblematisch, da Krisen zwar zeitgemäße Antworten, aber auch Stete erfordern, zumindest Identitäten.
Auch weil die Moderne in ihrem "faschistischen Krisen-Kleide" extrem brutal daherkam, woran sich der Kommunismus aus aber eher Widerstand doch aber anschloss, wollte ich in Ruhe Abschied nehmen von der bisherigen Geschichte Deutschlands und akzeptiere auch keinen Gottesstaat.
Mir liegt nur an (meiner) Liebe.
wieso Europa zu der Idee kommen sollte, "auserwählt zu sein".
Europa könnte höchstens ein gutes Selbstbewußtsein/Selbstwertgefühl entwickelt haben, das sich abhob von Ängsten und Gottbefohlenheit anderer Kulturen.
Es ist ein Unterschied, ob ich mich wem auch immer ausgeliefert sehe und meine anbeten zu müssen, bzw. dazu gezwungen werde durch z.B. Kolonialmächte oder ob ich mich als Natur/Kraft und regelnd empfinde.
Wie ich schon öfter schrieb, Unterwürfigkeit beleidigt meine Intelligenz.
Bewunderung, Achtung und Anerkennung ist etwas anderes, daraus resultierende Gefolgschaft ist keine Knechtschaft.
Also, Europa ist keinesfalls auserwählt, Europa kann aber aktiv eine Rolle spielen weltweit, vor allem aber in Europa selbst und weltweit darin, dass andere Kulturen sich auch wertgeschätzt fühlen können.
Ich verstehe gar nicht, wie man mir das etwa als "Arroganz" auslegen könnte.
"Ich bin okay, die anderen sind es auch"
Es ist eine Parallele in der Argumentation zu erkennen darin, dass beiden, dem Adel in der Vergangenheit und den europäisch geborenen in der Neuzeit von der proletarischen Linken zum Vorwurf gemacht wird, ihre Privilegien qua Gnade der Geburt in die Familie oder auf dem Territorium erhalten zu haben, sie gewissermaßen unverdient erlangt zu haben.
Demzufolge wird Freizügigkeit für den Globalen Süden gefordert, und Europa dürfe nicht zur Festung werden, damit alle Menschen an den Früchten des Abendlandes „grenzenlos“ teilhaben können.
Wurde die Hegemonie des Adels durch eine Leistungsgesellschaft ersetzt, und wurde Migranten bisher zugestanden, dieser Gesellschaft durch eigene Arbeit beitreten zu können, wird nun gefordert, dass nun jeder leistungslos partizipieren darf – bling, bling für alle.
Und wie der Adel noch in Nischen weiterbesteht, wird die alte europäische Hochkultur vllt vereinzelt noch in Enklaven überleben, während sich der Rest Europas in ein globales Armenhaus wandelt.
man sollte schon King Charles III erwähnen, denn er ist unser Zeitgenosse. Ansonsten ist der Artikel nicht sonderlich tiefgründig. Den Gedanken von der Exklusivität Europas kann man Europäern nicht übelnehmen, denn man kennt nichts anderes. Im Sinne der besonderen Verantwortung für die Menschheit tun sich ja die intellektuellen Eliten Europas insbesondere die Grünen hervor. Im Umkehrschluss heißt das für die Anderen das sie als minderbemittelt angesehen werden, was bei ihnen keine Freude auslöst.
Europa verliert an Bedeutung, wir werden auch im aktuellen Ukraine Konflikt täglich daran erinnert.