Schreibschrift
Schreibschrift an einer Grundschul-Tafel / picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod

Abschied von der Schreibschrift? - Dilettantismus ist nicht kinderfreundlich

Das bayerische Kultusministerium liebäugelt mit dem Abschied von der Schreibschrift in Grundschulen. Ein entsprechendes Modellprojekt trifft nun tausende Schüler. Doch Dilettantismus ist nicht kinderfreundlich.

Autoreninfo

Miriam Stiehler leitet eine private Vorschule sowie eine Praxis für Förderdiagnostik und Erziehungsberatung. Sie studierte Sonderpädagogik und promovierte in heilpädagogischer Psychologie. Workshops mit ihr sowie Fachtexte und Lernmaterial finden Sie auf www.WissenSchaffer.de. Zuletzt erschienen von ihrem Alter Ego Milka Sternheim: „Bonjour, Lockdown“, ein Band stimmungsaufhellender Anekdoten über die kleinen Abenteuer des Alltags in Südfrankreich.

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Neue Besen kehren gut – aber die alten wissen, wo der Dreck sitzt. Den zweiten Teil dieser alten Lehrerweisheit lässt das bayerische Kultusministerium im neuen Schuljahr außer Acht, indem es mit der Abkehr von der Schreibschrift liebäugelt. Zu beeindruckt ist man davon, dass eine Doktorandin der Universität Eichstätt digitale Hilfsmittel verwendet hat, um den Bewegungsablauf von Kindern beim Schreiben sichtbar zu machen. 

Ja, es war eine kluge Idee von Eva Odersky, die Kinder auf Papier schreiben zu lassen, unter dem ein Tablet lag, um so ihre „unsichtbaren“ Bewegungsabläufe sichtbar zu machen. Sie konnte so zeigen, dass langsame Schreiber sich nicht entscheiden können, ob sie die Buchstaben in Druck- oder Schreibschrift abbilden sollen. Diese Kinder verlieren eine Menge Zeit, während sie zunächst eine Druckschrift-Bewegung in der Luft machen, ehe sie dann den Buchstaben in Schreibschrift aufs Blatt notieren. Soweit, so interessant.

Ein fragwürdige Schlussfolgerung

Doch die Schlussfolgerung, dass nun tausende bayerische Schüler für den vierjährigen Modellversuch „FlowBY“ keine Schreibschrift mehr lernen sollen, ist mehr als fragwürdig. Weder ist der Umfang des Projekts notwendig zum hinreichenden Erkenntnisgewinn, noch setzt es an der plausibelsten Stelle der Problematik an. Odersky stellte fest, dass Kinder, die Schreibschrift schreiben, im Durchschnitt 22 Sekunden für fünf Wörter brauchen und Kinder, die eine selbst erfundene Mischung aus Druck- und Schreibschrift schreiben, 18 Sekunden. 

Wegen dieser vier Sekunden Unterschied – die sich bei einem längeren Text natürlich summieren – fordert sie nun, man solle es den Kindern überlassen, sich ihre eigene Schrift zu bauen. „Das geht gut über eine regelmäßige Schreibkonferenz in der Klasse: Alle schreiben das gleiche Wort und man schaut gemeinsam, wer welche Buchstaben wie geschrieben hat. So kann jedes Kind sich entscheiden, etwas zu übernehmen oder bei seiner Art zu bleiben.“

Das klingt nach Pippi Langstrumpfs selbst erfundenem Einmaleins und entspricht der ideologischen Mode, die mangelnde Erfahrung und Urteilsfähigkeit von Kindern auszublenden. Was ein Kind sich ausgedacht habe – egal wie unsachgemäß es ist –, sei durch den Ursprung im eigenen Ego immer wertvoller als Strukturen, die erfahrenere Menschen vorgeben. Hauptsache, der Besen ist neu.

Ergonomie, Ästhetik und Orthographie

Einer der „alten Besen“, die wissen, wo der Dreck sitzt, ist Renate Tost, ihres Zeichens Graphikerin und Expertin für Handschrift. Sie hat in den 1960er Jahren die „Schulausgangsschrift“ (SAS) entwickelt – nach Meinung vieler Fachleute die ergonomischste und ästhetischste Schreibschrift, die es in Deutschland gibt. Tost arbeitete dazu in engem Austausch mit Versuchsklassen und Lehrkräften. Ab 1968 wurde die SAS in der ehemaligen DDR für alle Schüler verpflichtend; die ihr verwandte Lateinische Ausgangsschrift (LAS) wurde zur gleichen Zeit in NRW zum Standard. Heute sind beide Schriften in zehn Bundesländern präsent.

Das Besondere an Tosts Arbeit war, dass sie Ergonomie, Ästhetik und Orthographie zugleich berücksichtigte. Sie schulte Lehrkräfte sogar darin, ihr Diktattempo nicht der Länge von Wörtern, sondern der Dauer des Bewegungsablaufs pro Buchstabe anzupassen. Tost gehört zu den ganz wenigen Fachleuten in Deutschland, die sich wirklich gründlich mit dem Thema Handschrift auskennen. Deshalb ist für sie weder die Beobachtung neu, dass Kinder nach der Umstellung auf Schreibschrift zunächst langsamer sind, noch der Glaube, man könne Handschrift-Probleme lösen, indem man die Kinder eine neue Schriftart erfinden lässt. Das wurde schon einmal versucht, nämlich durch die Einführung der sogenannten „Grundschrift“. 

Was Tost dazu sagte, passt auch auf das aktuelle Projekt „FlowBY“: 

Es ist „ein untauglicher Versuch, die Probleme zu lösen, die sich in den zurückliegenden Jahrzehnten auf dem Gebiet des herkömmlichen Schreibunterrichts angestaut haben. […] Eine durchgestaltete Vorlage für Schüler wird […] als Hindernis für die persönliche Entfaltung abgelehnt. Doch nicht nur hier äußert sich falsch verstandene Kreativität. Hinzu kommt, daß korrekte Verbindungen zwischen den Buchstaben nicht mehr als VOR-Bild angeboten werden, sondern der Beliebigkeit überlassen bleiben. Die Erfahrungen von Generationen, die sich im flüssigen Schreiben und im Buchstabenverbinden auskannten, werden unterschlagen: Der Schüler soll statt dessen nach eigenem Gutdünken Verbindungen selbst erfinden.“ (Tost 2012)

Wenn nicht Typographie- und Didaktik-Experten, sondern Kinder die Buchstaben und ihre Verbindungen „erfinden“, fehlt es dem Ergebnis an Flüssigkeit im Bewegungsablauf. Das höhere Tempo bei einer teilverbundenen Mischform, wie Odersky es beobachtet hat, vergleicht Tost mit schnellem Hüpfen statt zügigem, fließendem Laufen. Sie sagt: „

Verbindungen müssen von Anfang an sorgfältig eingeübt, automatisiert und im Bewegungsgedächtnis gespeichert werden. Nur so können diese automatisch abgerufen werden, wenn es darum geht, die Aufmerksamkeit auf Orthographie und Textproduktion zu lenken.“ (ebd.)

Aus lernpsychologischer Sicht ist diese seit Jahren schwindende Automatisierung des Schreibflusses ein wesentlicher Faktor für die immer häufigere Diagnose „Legasthenie“: Wer kognitiv damit ausgelastet ist, sich auf die Motorik zu konzentrieren, hat nicht den Kopf frei, um Rechtschreibregeln zu beachten.

Auch Maria Anna Schulze-Brüning, Fachfrau für Fehlentwicklungen in der Handschrift, kennt das von Odersky beobachtete Zögern der Kinder schon lange. Für sie besteht das Problem darin, dass Kinder überhaupt erst die Druckschrift lernen und dann nach zwei Jahren auf Schreibschrift umstellen sollen:

„Falsche Linienführungen der Druckbuchstaben werden in die Schreibschrift übertragen und erschweren oder deformieren dort die Verbindung der Buchstaben. … Eine koordinierte, gleichmäßige Schrift kann nicht entstehen, wenn jeder Buchstabe einen anderen Startpunkt und einen anderen Zielpunkt hat.“

Das Problem mit den spiegelverkehrten Druckbuchstaben

Gute Schreibschriften wie die SAS und LAS oder die französische Schreibschrift sind so konstruiert, dass sie einen flüssigen Bewegungsablauf ermöglichen (im Gegensatz zur viel kritisierten „Vereinfachten Ausgangsschrift“ VA, die seit Jahren in Bayern für zusätzliche Probleme sorgt). Die Druckschrift wurde, wie ihr Name sagt, für gedruckte Lesematerialien erfunden und nicht zum Schreiben mit der Hand. Sie erfüllt ganz andere Kriterien.

In den französischsprachigen Ländern ist das allgemein anerkanntes Wissen. In Kanada gab es kurze Versuche, Kindern zunächst Druckschrift beizubringen, aber man ist rasch wieder davon abgekommen. Heute ist in frankophonen Gebieten Konsens, dass Kinder schon in der Vorschule alle Buchstaben in Schreibschrift lernen. Die Druckschrift ist fürs Lesen da. Für das Schreiben wird sie nicht eingeführt, weil das die Kinder unnötig kognitiv überlastet und sie verwirrt. Insbesondere hat man hier das Problem erkannt, dass die spiegelverkehrten Druckbuchstaben b, d und p unnötige Rechtschreibprobleme erzeugen, während sie in der Schreibschrift sehr schön voneinander unterscheidbar sind.

In anderen Ländern wird der Lernverlauf umgestellt

In Deutschland liest man nach wie vor die falsche Behauptung, die Verwechslung von b, d und p sei ein „typischer Legasthenikerfehler“ – einer, der besonders häufig auftaucht, seit Kinder keine Schreibschrift mehr routiniert beherrschen. Die fehlende Routine innerhalb eines festen Schreibsystems verschlechtert nebenbei auch die Arbeitshaltung und senkt die Leistungsbereitschaft, denn so verschwindet die „Disziplin, die jeder Aktivität … innewohnt, wenn sie ein gewisses Niveau der Vollkommenheit erreicht hat.“ (Aebli 1976, S. 51)

Die beste Lösung ist daher, die hervorragenden Schreibschriften SAS oder LAS ab dem ersten Schultag zu nutzen. Dies beseitigt das ganze Problem und gibt den Kindern Zeit, genug Routine zu entwickeln. Es gibt keinen Grund, ihre Zeit mit „Schreibkonferenzen“ zu verschwenden, nur um einen falsch verstandenen Individualismus zu fördern. In Hessen wird mit Erfolg ab der ersten Klasse Schreibschrift gelehrt. Engagierte Schulen in anderen Ländern stellen auf eigene Faust den Lernverlauf um.

Verschwendung von Zeit und Geduld

Gemeinsam mit zwei Lehrkräften habe ich den Lehrgang „Stück für Stück“ entwickelt, der einen Schreibschrift- und Rechtschreiblehrgang in LAS enthält und ab dem ersten Schultag auf Schreibschrift zum Schreiben setzt, während die Lese-Fibel in Druckschrift gehalten ist. Sie verzichtet als erste Fibel in Deutschland auf das hochproblematische Silbenkonzept (einen weiteren „neuen Besen“, der mehr Probleme schafft, als er löst) und geht stattdessen sprachwissenschaftlich korrekt vor.

Dass wir ein Problem mit der Handschrift haben, ist unbestreitbar. Doch es liegt nicht an der Schriftform. Frankophone Länder benötigen nicht Dutzende Lineaturen, sondern nutzen für alle Jahrgänge die Seyès-Lineatur und verwenden ab Tag eins die gleiche ergonomische Schreibschrift. Laut Umfragen sind die Kinder dort entspannter beim Schreiben und haben weniger Angst, hässlich zu schreiben, als in Deutschland. Hierzulande verschwendet man jedoch Zeit und Geld auf unnötig komplizierte, verwirrende Ansätze.

Vermeintliche Kinderfreundlichkeit

Solange Lehrkräfte primär Arbeitsblätter austeilen, in denen Schüler nur Lücken ausfüllen, anstatt Hefteinträge anzufertigen; solange Kindergärten nicht einmal mehr die richtige Stifthaltung lehren, weil sie keine „Zulieferbetriebe der Schulen“ sein wollen; solange vorgegebene Schriftformen als „strukturelle Gewalt“ gelten und nicht als Entwicklungstreppe, auf deren Basis Kinder in der Pubertät dann ihre eigene Handschrift entwickeln; solange Übung und Leistungssteigerung pro Zeit als altmodisch verachtet wird – solange wird sich auch bei der Handschrift nichts ändern.

Das ist mehr als bedauerlich, da schön gestaltete Hefte einen wesentlichen emotionalen Beitrag zur Lernfreude leisten. Handschrift ist auch eine ästhetische Form graphischer Gestaltung. Vergleichen Sie die Freude, die ein Erstklässler in den 60er Jahren nach nur drei Monaten Schule über diesen Hefteintrag empfinden konnte, mit der Emotion, die das aktuelle Beispiel hervorruft: (Bild 1 und Bild 2). Das Beispiel zeigt übrigens die gelungene Druckschrift eines bayerischen Erstklässlers von 1962. Damals schrieben Erstklässler etwa neunmal so viel wie heute. Deshalb konnte man ihnen sogar zumuten, beide Schriften zu lernen. Doch von diesem Ausmaß an Geläufigkeit sind wir inzwischen weit entfernt.

Aus vermeintlicher Kinderfreundlichkeit die fachliche Verantwortung auf Kinder abzuwälzen, zeugt von Sentimentalität und Dilettantismus, nicht von Respekt für unsere Schüler und ihre Zeit. Wir schulden es Kindern, jede Unterrichtsstunde so effizient wie möglich zu gestalten, denn sie haben ein Recht auf Wissen, Routine und Ästhetik. Schule, die das dauerhaft nicht leistet, verkommt zur reinen Kinderverwahranstalt.

Literatur

Aebli, Hans: Psychologische Didaktik. Didaktische Auswertung der Psychologie von Jean Piaget, Stuttgart: Klett, 6. Auflage 1976

Tost, Renate: „Dilettantisches Herumbasteln an der Schrift“, Deutsche Sprachwelt, Ausgabe 49, Herbst 2012, S. 3

Schulze Brüning, Maria-Anna: „Wie können Eltern den Schrifterwerbsprozess ihres Kindes begleiten?

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Sabine Lehmann | Do., 25. September 2025 - 14:07

Immer wenn ich denke, es geht nicht noch schlimmer, tun sich an der politischen Front neue Dimensionen intellektueller Schlaganfälle auf. So auch dieses Mal.
Dass ausgerechnet der Freistaat Bayern an der Schreibschrift, einer Errungenschaft, dem Grundstein frühkindlicher Entwicklung rüttelt, ist allerdings eine Zäsur. Nicht nur eine Zäsur, es ist eine katastrophale Entscheidung, eine der wichtigsten kognitiven Grundsteine für frühkindliche Bildung auf Eis zu legen und diese damit im typisch deutschen Massengrab politischer Fehlentscheidungen zu beerdigen. Wegweisend für Deutschland im Jahr 2025, und eine "zielführende" Fortsetzung der Ära Merkel seit 2015:
Die Ansprüche sinken weiter mit den Gegebenheiten, sie befinden sich im freien Fall. In den Schulen sitzen fast nur noch minderbegabte Analphabeten, die nicht mal in ihrer eigenen Muttersprache kompetent sind, geschweige denn gebildet. Quo vadis Germania? Quo vadis? Herr, lass Hirn regnen auf die geistig Armen, bitte reichlich!

Heidemarie Heim | Do., 25. September 2025 - 14:09

So hieß das 1965 wenn ich es recht in Erinnerung habe! Vor der Einschulung habe ich als Linkshänderin um wie eine Große schreiben zu können wie im Arabischen meine Aneinanderreihung von Kringeln, "meine eigens erfundene Schrift!" natürlich von rechts nach links aufs Blatt gebracht;-). Ein für mich natürlicher u. flüssiger Bewegungsablauf bis zur Einschulung, der auch nicht korrigiert wurde o. das man mich "gezwungen" hätte die
damals hieß es "RICHTIGE Hand beim Malen u. Schreiben zu nehmen!" Ein Standardsatz meiner Eltern war "Loss doch das Kind gehe!" was in unserem daheim gesprochenen Pfälzer Dialekt "in Ruhe lassen" u. "es schafft das schon" bedeutete. Und wie ich es geschafft habe trotz Griffel u. Schiefertafel von links nach rechts u. ohne mit dem Unterarm o. verrenktem Handgelenk wieder auszuwischen was ich vorher schrieb. Besonders stolz war ich ob der Tatsache, dass ich oft an der großen Lehrer-Tafel mit Kreide ohne zu quietschen;)vorschreiben durfte!
Kindliche Freude pur! MfG

Das Schreiben mit der Hand fordert und fördert vielfältige Hirnareale und ist unverzichtbar für Sprachverständnis, Gedächtnisleistung, Motorik und Intelligenz, liebe Frau Heim.
Aber es ist ein langer Weg von der Hand ins Hirn, sofern eines vorhanden. Aktuelle bildungspolitische Entscheidungen(und nicht nur solche!) lassen aber darauf schließen, dass selbst einfachste Kausalitäten und Zusammenhänge seitens unserer Entscheidungsträger nicht erfasst werden können, weil es in dem Teil zwischen den Ohren, das gemeinhin fürs Denken zuständig ist, nicht mal mehr für die Distanz von der Tapete bis zur Wand reicht. Aber vielleicht durften die Protagonisten während ihrer Schulzeit auch nur lernen, wie man Palästina-Tüchlein knotet, Regenbogenfahnen klöppelt, Hallal-Speisen zubereitet, seinen Namen tanzt und mit welchem Kleber man am längsten am Asphalt klebt. Man weiß es nicht.....

Ausgerechnet in Handarbeit trieb ich mit meinen krumm und schief gehäkelten Topflappen-Erstlingswerken unsere arme Lehrerin zur Verzweiflung. Und beim Stricken 1 Masche links, 1 rechts , eine fallen lassen war die Arme dann die ganze Stunde nur mit der Reparatur meiner Socke beschäftigt;) Doch dafür war ich in Werken gar nicht mal so schlecht. Bei uns die Straße runter hat ein Nachbar seinen privaten PKW-Stellplatz wie folgt beschildert: "Für Alle die in der Schule nur Singen und Klatschen gehabt haben, dies ist (m)ein Parkplatz!"
Was Schule heutzutage bedeutet bekomme ich ab und an mit, wenn ich die Ersatz-Oma für die inzwischen 7jährige Tochter unserer ehemaligen Nachbarn u. deren etwas älteren Söhne gebe. Die GSD scheinbar nicht so verkorkst sind wie das heutige Schulsystem befürchten lässt. Besonders die Kleine macht mir mit ihrer für ihr Alter erstaunlichen Sprachfertigkeit, Neugier auf alles u. munteren Art viel Freude wenn wir zusammen spielen o. Unsinniges bei Tedi shoppen. LG

Keppelen Juliana | Do., 25. September 2025 - 16:13

schließlich gibt`s ja Hörbücher und Navi usw. und wer muss schon rechnen können wenn er mit Sonderschulden und Steuergeldern aus dem Vollen schöpfen kann.

Christa Wallau | Do., 25. September 2025 - 18:41

bestätigt voll und ganz meine Ansichten, die ich als Lehrerin immer vertreten habe.

Ich erinnere mich gut an die Auseinandersetzung, die ich mit einer Kollegin in der Zeit um 1983/84 führte, als diese die sog. "Vereinfachte Ausgangsschrift" (VAS) an unserer Schule einführen wollte u. dies mit Unterstützung des Schulleiters auch durchsetzte.
Heute gilt die Übernahme der VAS als eines der interessanten Beispiele aus der jüngeren deutschen Bildungsgeschichte für eine unzureichend konzeptionell hinterfragte und unzureichend empirisch überprüfte bildungspolitische Entscheidung, von denen es ja jede Menge weiterer gibt.
Ich habe damals für die Beibehaltung der Lateinischen Ausgangsschrift (LAS) plädiert, weil diese einen flüssigen Schreibverlauf garantiert u. mit entsprechenden Schwung-Vorübungen auch relativ leicht zu erlernen ist.
Was passierte?
Die vollmundig angekündigten Vorteile der VAS traten allesamt nicht ein! Einer davon sollte die Reduzierung von Rechtschreibfehlern sein.

Christa Wallau | Do., 25. September 2025 - 18:41

Das Gegenteil war der Fall: Schüler, welche die VAS lernten, machten mehr Fehler als diejenigen, die in der LAS schreiben gelernt hatten. Außerdem war das Schriftbild bei der VAS wesentlich unleserlicher und unschöner, geradezu krakelig.
Daß ich damals mit meinen Argumenten nicht durchdringen konnte, lag daran, daß grundsätzlich alles NEUE, das im Bereich der Methodik u. Didaktik irgendwelche
Pädagogik-Gurus verkündeten, von Wichtigtuern im Kollegium begierig aufgegriffen wurde, bevor überhaupt sicherstand, daß es tatsächlich eine Verbesserung brachte. Die gründliche Evaluation fehlte immer!
Dieses "Aufspringen auf jeden neuen Zug", der durch's Dorf fuhr, brachte ungeheuer viel Unruhe in die Schulen u. im Endeffekt nur eine Verschlechterung d. Schülerleistungen. Schon damals, als es noch kaum Probleme mit fremdsprachigen Kindern gab, befand sich das deutsche Schulwesen im Zustand des leichtsinnigen Experimentierens u. der Vernachlässigung erprobter Prinzipien d. Lehrens u. Lernens.

Elisa Laubeth | Fr., 26. September 2025 - 08:02

Kinder werden in unserer Gesellschaft mit der permanenten Aufforderung schon im Kleinstkindalter zu entscheiden, Position zu beziehen, eine Meinung zu äußern, komplett überfordert. Kinder brauchen eine ruhige, verlässliche, ja irgendwie geschützte Umgebung und Orientierung um sich entwickeln zu können. Es ist keine „strukturelle Gewalt“ wenn man Kindern in der Schule vorgibt, was und wie zu lernen ist. Weil sie gar nicht wissen können, wie das geht. Lern- und Schreibtechnik zu vermitteln ist die zentrale Aufgabe der Schule. Man nimmt, getrieben von einer merkwürdigen Ideologie, den Kindern die Kindheit indem man ihnen Erwachsenenaufgaben aufbürdet. Regelmäßige Schreibwerkstatt, Entscheidung über die Schrift, was für ein Unsinn. Abgesehen davon, dass eine einheitliche, von allen lesbare Schrift eine bewährte zivilisatorische Errungenschaft ist. Aber vermutlich geht es genau darum:das ist doch sicher irgendwie postkolonialistisch und eben von „struktureller Gewalt“. Die armen Kinder