
- Töten als Verfahrensangelegenheit
Am 20. Januar 1942 kamen in einer Villa am Berliner Wannsee Repräsentanten von staatlichen Institutionen und Nazi-Organisationen zusammen, um über die Ermordung der europäischen Juden zu beratschlagen. Ein Gedenkprojekt des Historikers Julien Reitzenstein findet eine zeitgemäße Form des Erinnerns.
Heute vor achtzig Jahren fand in einer der schönsten Villen Berlins am Ufer des großen Wannsees jene Konferenz statt, die sich in unser Gedächtnis als der Schlüsselmoment eingegraben hat, an dem das systematische Völkermorden der Nazis begann. Gedenktage sind Erinnerungsorte, wie die Historiker heute sagen; und Erinnerungsorte ziehen das historische Geschehen im kollektiven Gedächtnis der Nachgeborenen gleichsam symbolisch zusammen. Denn als die Repräsentanten der verschiedenen staatlichen Institutionen und Nazi-Organisationen, die mit der sogenannten „Endlösung der Judenfrage“ befasst waren, am 20. Januar 1942 zu einem Arbeitsfrühstück zusammentraten, hatte das wilde Morden in den eroberten Ostgebieten längst schon begonnen; und die Historiker haben sich früh schon die Frage gestellt, warum es diese Konferenz überhaupt gab.
Der berüchtigte Adolf Eichmann, der sich hernach vor Gericht als reiner Befehlsempfänger darbieten wollte, hat damals das Protokoll geschrieben. Es ist zum Schlüsseldokument für die Schreckensgeschichte der Schoa geworden, und seit dem Auftauchen einer der Durchschlagskopien im Wilhelmstraßenprozess diskutieren die Historiker über die eigentliche Funktion dieser Zusammenkunft von Beamten, Bürokraten und Funktionären, allesamt Schreibtischtäter von der banalen Sorte.