Ricarda Lang / picture alliance / epd-bild | Thomas Lohnes

27. Evangelischer Kirchentag - In babylonischer Gefangenschaft des Zeitgeistes

Wieder einmal ist evangelischer Kirchentag. Zeit für Kirchentags-Bashing. Das ist verständlich und wurde an dieser Stelle schon häufig zelebriert. Die Veranstaltung lädt förmlich dazu ein. Schade. Denn die hinter dem Laientreffen stehenden Ideen bleiben epochal.

Alexander Grau

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Sich über Kirchentage aufzuregen, ist ein billiges Geschäft. Zu offensichtlich haben sich die Veranstaltungen in den letzten Jahrzehnten zu Karikaturen linksprotestantischer Betroffenheitskultur gewandelt. Zu deutlich wird die Kirchentagsbewegung von einem linksalternativen Politikmilieu geprägt, seiner grausamen Ästhetik und aggressiv-kitschigen Sprache.

Auch in diesem Jahr genügte ein einfacher Blick in das Kirchentagsprogramm, um auf Veranstaltungen und Programmankündigungen zu stoßen, die selbst schlimmste Befürchtungen übertreffen. Themen wie Queerness, Gender, Klimaschutz, Diversität, Anti-Rassismus und Transsexualität beherrschen die Foren. Gesellschaftspolitik dominiert die Veranstaltungen. Selbst die Bibelarbeit verkommt zur Politposse.

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Ingofrank | So., 4. Mai 2025 - 09:38

Diskurse in Deutschland“
Wen wundert das ? Wenn man Ausschnitte von den angebotenen Diskussionsrunden im ÖRR serviert bekommt, und sich das alles anhört wie ein „Freiluftparteitag der Grünen“ ?
Selbst die Kirche begonnen mit der Unterwanderung der Grünen durch KGE und jetzt die Chefin des Kirchentages mit Frau Siegesmund. Im vergangenen „Leben“ Vorsitzende der Grünen in Thüringen Ministerin im Kabinett Rammelow, Lobyistin im Abfallverband, groß geworden als Mitarbeiterin von KGE im Landesverband Thüringen.
Ehrlich, was erwartet ein alter weißer Thüringer Mann inhaltlich vom Kirchentag ? Außer Lobhudelei grüner Ideologie und dem Kampf gegen rääääächts. Fehlen nur noch besagte „Omas“ deren Mitglieder auf Steuerzahlerkosten nach Hannover zum demonstrieren gekarrt werden. Alles klar ?
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik

Jens Böhme | So., 4. Mai 2025 - 10:04

Die schleichende Selbstzerstörung des gesellschaftspolitischen Westens hat auch was mit dem selbstgeräumten Feld von Freiheit und Demokratie, sowie der Abkehr von Glaube, Werte und Leistung zu tun. In dieses von orientierungsloser Gesellschaft verlassenem Feld können anderer Glaube, andere Werte und andere Verständnisse von Leistung ungehindert einwandern. Wenn sich die Gesellschaft freut, dass die Grundlagen des modernen Lebens gesprengt werden (Kraftwerke), um anschließend nach Hautfarbe, Alter oder Geschlecht differenzierter Veranstaltungen die (kranke) Gemeinschaft zu feiern, hat das Siechtumes bald ein Ende. Nicht von ungefähr sind westliche Weltretter auf dem Trip, alles wird besser, wenn man sich an Armut, Hunger und Mangelwirtschaft runternivelliert/anpasst.

Gerhard Hellriegel | So., 4. Mai 2025 - 10:27

Ohne Emotionen wären wir handlungsunfähig.
Religion bedient uns umfassend, im besten Fall Seelsorge, im schlechtesten Terror.
Der Gottlose dagegen hebt "Plausibilität" auf das Schild. Ängste und Wünsche müssen zurücktreten. Auch dahinter steht eine Emotion: nennen wir es (etwas pathetisch) "Wahrheitsliebe". Also gibt es den Gegensatz "rational" und "emotional" so nicht. Auch der Rationale folgt Emotionen.
Beide entkommen dem Konflikt zwischen Bedürfnissen und Plausibilität nicht.
Aber die Harmonievorstellungen gehen weit auseinander.

Karl-Heinz Weiß | So., 4. Mai 2025 - 10:50

Von 500 Jahre Bauernkrieg-Jubiläum ist nichts zu lesen, obwohl die zugrunde liegende Auseinandersetzung für das protestantische Selbstverständnis grundlegend sein sollte. Queer statt quer zum Zeitgeist, das ist weniger anstrengend.

Ja, Herr Weiß. Wer von den Teilnehmern wird wohl noch wissen wer Thomas Münzer war? Wer kann wohl was mit dem Namen Jan Hus anfangen? Obwohl dieser schon 100 Jahre vor Luther reformatorische Gedanken hatte und den höchsten Preis dafür zahlte. Mein erster und einziger Kirchentag war in den 70zigern der Nürnberger. Schon damals fing man an randständige Themen zu pflegen. Seither gings bergab.

Walter Bühler | So., 4. Mai 2025 - 11:02

Vielen Dank!.
--
Zwei Ergänzungen:

1. Amtsträger der Kirche sind immer in der Versuchung, ihre "Seelsorge" an Gläubigen über das Liebesgebot hinaus als eine Art Vormundschaft auszuüben. Jeder Nicht-Amtsträger wird tendenziell als hilfsbedürftiges, "unmündiges Kind" behandelt.

Das bewirkt die penetrante Infantilisierung, den ewigen "Kindergottesdienst". Viele Theologen sind heute der theoretischen Komplexität des Christentums nicht mehr gewachsen und versuchen dauernd, sie irgendwie zu "versimpeln".

2. Um Konflikte in der politischen Realität gering zu halten, suchen Amtsträger oft eine Form der Anpassung an die "herrschenden Verhältnisse." Wenn sie eine "positive" politische Kraft identifizieren, neigen sie dazu, diese mit ihrer Theologie zu vermischen. Im Extremfall wird die Ideologie sogar Teil ihrer Theologie, und die Predigt beruht eher auf einem taz-Artikel und nicht mehr auf einem Bibeltext.

Ideologisierung und Infantilisierung treiben aber Nachdenkliche aus den Gottesdiensten.

Jürgen Goldack | So., 4. Mai 2025 - 11:46

S. g. Dr. Grau, Sie schreiben mir aus dem Herzen. Selten wurden so wahre Worte in einer deutschen Zeitschrift publiziert und dem Bürger in nachvollziehbarer Form nahe gebracht. Danke dafür.
Ja, es ist schlimm, wie sich die Kirche, sei sie katholisch, protestantisch, neuapostolisch und wie sie noch alle heißen, schon seit Jahren von ihrer eigentlichen Berufung, seelsorgend, demütig, im Dienste Gottes und der Menschen zu agieren, abgewichen ist. Gerade die höheren "Chargen", z. B. die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Dr. Stetter-Karp wie auch einige Bischöfe kümmern sich mehr um die Politik im Sinne der regierenden Parteien wie u. a. die AfD zu verdammen und versuchen somit politischen Einfluss auszuüben statt sich um das Seelenheil ihrer anbefohlenen Christengemeinde zu kümmern und Gottes Wort zu verkünden. Es fällt auf, dass viele deutsche "Kirchenfürsten" eher Tagespolitik und gendergerechtes Verhalten predigen statt die Ökumene zu fördern!

Ernst-Günther Konrad | So., 4. Mai 2025 - 13:05

alles bestens und treffend analysiert und niedergeschrieben. Die GRÜNEN und ihre irren Themen haben sich der ev. Kirche komplett bemächtigt und bestimmen dort die Themen. Und Kirche macht mit, ihre Funktionäre unterwerfen sich und verlieren immer mehr ihre Gläubigen aus dem Blickfeld. Und warum gehen da noch Gläubige hin? Warum wird nicht offen gegen den Wahnsinn protestiert und für eine moderne, aber vor allem den Glaubensthemen zugewandte Kirche protestiert? Warum machen dennoch so viele mit? Sind das alles nur grüne Evangelisten oder geht der Kirchentag nur noch mit grünem Parteibuch? Die ev. Kirche als NGO der grünen Partei. Und ob Politik oder Kirche, sie alle wollen nicht realisieren, dass sie den suchenden Menschen immer mehr von der Fahne gehen. Aber das ist eben typisch ideologisierte Ausrichtung. Die Welt retten und den einzelnen im eigenen Land jeden Zuspruch verweigern. Und eines muss natürlich erwähnt werden, die Katholiken sind kein Deut besser.

Markus Michaelis | Mo., 5. Mai 2025 - 02:22

Ich würde nicht betonen, wie albern und hässlich der Kirchentag ist. Das mögen sicher einige Leute so empfinden, aber ich glaube auch keine ganz großen Mehrheiten. Für viele ist der Kirchentag wahrscheinlich ganz ok, für die meisten wahrscheinlich nicht so relevant. Andere Gruppen empfinden andere Dinge als albern und hässlich.

Der wichtige Punkt für mich ist der Anspruch, universelle Werte und Sichtweisen für alle Menschen und die ganze Welt zu vertreten. Das ist mir zu anmaßend und ziemlich offensichtlich nicht durch die Realität gedeckt. Man vertritt einige, vielen ist man egal, andere stößt man vor den Kopf. Das ist ok, es ist wahrscheinlich nicht möglich einen Standpunkt zu haben, der nicht auch Menschen vor den Kopf stößt. Aber man sollte eben auch nicht die Selbstsicht haben, für die ganze Menschheit zu sprechen.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 5. Mai 2025 - 08:05

stehen, aber Punkt 3, darüber sollten wir reden, Herr Grau.
Darüber setzte sich m.E. schon Mozart in seinem "Don Giovanni" mit Händels "Belsazzhar" auseinander.
Man beachte die Champagnerarie.
In diesem mozartischen Sinne stimmte ich auch nicht mit Händel überein, wohl aber mit der wundervollen Arie des Cyrus "Zerstörnder Krieg..."
Vielleicht gilt Händels Kritik aber auch nur der Apotheose des Sinnlichen, nicht dem Sinnlichen selbst?
"Caesare in Egitto" zeigt viel Sinnlichkeit.
Don Ottavio weist über Don Giovanni hinaus.
Solange also nicht überspitzt das passiert, was Ridley Scott in Gladiator II zeigt, ein Äffchen als 1. Konsul, solange bin ich bei den Byrds "To every thing turn, turn, turn
There is a season turn, turn, turn
And a time for every purpose
Under heaven" (Prediger AT)
"Under heaven", das wäre aber das Dach eines Kirchentages?
Für, wie Nietzsche vielleicht sagen würde, "Wulst" kann sich nicht Jede/r begeistern,
aber zählt nicht doch das Bedürfnis nach dem Segen Gottes*?
Nu

Lisa Werle | Mo., 5. Mai 2025 - 17:38

"Wie vernagelt muss man sein, um nicht mehr mitzubekommen, wie entwürdigend, wie albern und hässlich das alles ist?" fragt Herr Grau - und fragen sich die, die von außen draufschauen. Warum sieht die Kirche selbst nicht, was sie da treibt - und wann hat dieser Wahn angefangen? Es ist nicht nur eine Verhöhnung des Christentums, des Glaubens an sich - es ist in meinen Augen Gotteslästerung.
Gott ist irgendetwas mit 'nem Sternchen, Gott ist queer - was soll das? Gott ist Gott. Und das reicht. Für Menschen, die glauben. Die Kirchen selbst mit ihrem 'menschlichen Inventar' gehören offenbar dazu nicht mehr.
Der Grund dafür: es soll all der politisch-grün-linke Schluderkram irgendwie hineingebogen werden in die Religion, für die grüne Sekte. Das ist der Hintergrund.
Welcher NGO Jesus beitreten würde? Allein diese Frage ist völlig absurd, denn sie beantwortet sich von selbst. Er würde das tun, was die Bibel berichtet: diese ganze gotteslästerliche Pharisäer-Horde aus dem Tempel jagen.