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Antiquierte Regeln - Zukunft des Ehegattensplittings ungewiss

Das Ehegattensplitting ist antiquiert – sagt die Opposition. Am liebsten würde sie es ganz abschaffen. Zumindest will sie es grundlegend reformieren. Hat das Steuermodell tatsächlich ausgedient?

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Funk, Albert

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Es könnte ein zentrales Wahlkampfthema werden. Eines, das viele betrifft. Gut elf Millionen Ehepaare lassen sich beim Finanzamt zusammen veranlagen – nutzen also die Möglichkeit des Ehegattensplittings. Macht insgesamt 22,5 Millionen Männer und Frauen. Wenn das Bundesverfassungsgericht bald das Splitting auch für eingetragene Lebenspartnerschaften zulässt, wächst die Zahl noch. Der Splittingeffekt summiert sich jährlich auf etwa 20 Milliarden Euro. Relevant ist er vor allem für Mittel- und Besserverdiener.

Die Oppositionsparteien wollen nun an das Ehegattensplitting ran. Die Begründung lautet ähnlich: Nicht Paare sollen gefördert werden, sondern Familien mit Kindern.

Man will einen Teil der Summe, die durch den Umbau des Splittings frei würde, in die Kinderförderung stecken. SPD-Chef Sigmar Gabriel und Kanzlerkandidat Peer Steinbrück haben eine Reform fest angekündigt. Auch Grüne und Linke lehnen das Ehegattensplitting in seiner jetzigen Form ab. Die drei Parteien stört vor allem, dass der Splittingvorteil bei Gutverdienern höher ausfällt.

Wer profitiert beim Ehegatten-Splitting?
In der Tat ist die Summe, die ein Alleinverdienerpaar mit einem Haushaltseinkommen von 110 000 Euro zurückerhält, doppelt so hoch wie die eines Paares, bei dem einer der Partner 45 000 Euro verdient und der andere nichts. Die auf Wunsch der SPD von der großen Koalition eingeführte „Reichensteuer“ – der höhere Spitzensteuersatz von 45 Prozent ab gut 250 000 Euro Einkommen – hat zudem dazu geführt, dass wirklich Reiche einen noch höheren Anspruch haben. Er beträgt, wegen der Steuerprogression, gut 15 000 Euro bei Einkommen von 500 000 Euro und höher.

Setzt das Ehegatten-Splittung falsche Anreize?
Neben dem Argument, es sei antiquiert, weil es die überholte Alleinverdienerehe belohne, bringen die Parteien links der Mitte auch diese Begründung, die auch viele Ökonomen teilen: Das Ehegattensplitting führe dazu, dass ein Partner – in der Regel die Frau – auf einen Job verzichte. Kai Konrad, Direktor am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen in München, hält das Splitting für eine unglückliche Konstruktion. „Es setzt einen falschen Anreiz, denn es trägt dazu bei, einen der Partner in die Nicht- oder Teilzeitbeschäftigung zu treiben“, sagt er. Das spiele etwa eine Rolle nach der Elternzeitphase. „Der Splittingvorteil kann den Ausschlag dafür geben, dass ein Partner nicht wieder in eine berufliche Karriere einsteigt.“

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin ficht seit Jahren gegen das bestehende Splittingmodell. Es sei ein „großes Hemmnis der Erwerbsbeteiligung von verheirateten Frauen am Arbeitsmarkt“, urteilen die DIW-Ökonomen. Konrad gibt zu bedenken, dass aufgrund der Alterung der Gesellschaft und wachsender Renten- und Pensionslasten in den nächsten 20, 30 Jahren eine möglichst hohe Nutzung des Arbeitskräftepotenzials dringlich sei. Der Schluss: Das Splitting muss weichen.

Allerdings steht dem entgegen, dass der Splittingvorteil zumindest bei Mittelverdienern viel zu gering ist, als dass er einen Partner wirklich dauerhaft vom Arbeiten abhalten könnte. Er liegt bei einem Alleinverdienerhaushalt mit 50 000 Euro Einkommen bei gut 4500 Euro. Allenfalls in Verbindung mit einem Minijob kann das Splitting vorteilhafter sein als eine sozialversicherungspflichtige Stelle – und das auch nur, wenn man nicht an die Rente denkt. Verheiratete, ob weiblich oder männlich, die eine Chance auf dem Arbeitsmarkt für sich sehen, werden diese nutzen. Das Problem ist letztlich nicht das Splitting, sondern der Arbeitsmarkt. Die Wirkung einer Reform dürfte zudem begrenzt sein: Die Bertelsmann-Stiftung hat unlängst errechnen lassen, dass eine völlige Abschaffung des Ehegattensplittings zu 77 000 Vollzeitstellen führen kann – bei knapp 30 Millionen Vollzeitbeschäftigten also ein Effekt von 0,26 Prozent.

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Wie steht Schwarz-Gelb zum Splitting?
CDU, CSU und FDP verteidigen es. Sie berufen sich auf das Grundgesetz und das Verfassungsgericht. Das hat das Splitting immer bestätigt. Kanzlerin Angela Merkel sagt, sie wolle die steuerliche Privilegierung der Ehe beim Splitting-Tarif erhalten, „weil unser Grundgesetz die Ehe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Familie sieht und beide unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt“. Neben der Verfassung können sich die Verteidiger des traditionellen Splittings, zu denen auch der Bund der Steuerzahler gehört, auch auf das simple Faktum berufen, dass ein verheiratetes Paar steuerlich nicht schlechter gestellt werden darf als ein geschiedenes. Das Einkommensteuergesetz sieht einen maximalen Abzugsbetrag von 13 805 Euro im Jahr für Unterhaltspflichten bei dauerhafter Trennung oder Scheidung vor. Das gilt dann auch für den Unterhalt innerhalb der intakten Ehe. Kai Konrad gibt daher zu bedenken, dass bei einer Abschaffung oder einem radikalen Umbau des Ehegattensplittings vermutlich auch das Scheidungsrecht geändert werden müsste. Zudem sollen Paare mit ungefähr gleichen Einkommen nicht anders behandelt werden als Paare mit unterschiedlichen Einkommen oder Alleinverdienerehen. „Ehegattensplitting diskriminiert niemanden, sondern stellt steuerliche Neutralität her“, betont der Bund der Steuerzahler.

In der Union gibt es zwar derzeit keine Pläne für Änderungen – wohl aber Sympathie für das Modell des Familiensplittings, wie es in Frankreich praktiziert wird. Dabei würden Kinder in die Steuerberechnung einbezogen, etwa mit dem Faktor 0,5. Das Einkommen einer vierköpfigen Familie würde dabei durch drei geteilt und entsprechend steuerlich behandelt. Allerdings müssten dann, um eine Überförderung zu vermeiden, bisherige Leistungen gekürzt oder gestrichen werden, vor allem der Kinderfreibetrag. Kritiker bemängeln am Familiensplitting, dass es letztlich nur auf eine Umfinanzierung hinauslaufe, die den Staat am Ende teurer käme als das bisherige Splittingmodell.

Die FDP hält sich aus der Debatte weitgehend heraus und plädiert nur dafür, das etwas unübersichtliche System der Steuerklassen zu verändern.

Was wollen die Oppositionsparteien?
Die SPD hat sich eine minimalinvasive Reform ausgedacht. Sie wollen die bisherige Gemeinschaftsveranlagung beenden, ohne deren Effekt zumindest für Mittelverdiener zu beseitigen. Das nennt sich Individualbesteuerung mit Unterhaltsabzug (oder auch Realsplitting): Jeder Partner wird einzeln besteuert, doch ist es möglich, dass der (besser) verdienende eine pauschale Summe auf den nicht oder weniger verdienenden überträgt. Die muss dieser dann wiederum mit seinem eventuell vorhandenen Einkommen separat versteuern. Letztlich wird damit im Vergleich zum Status quo eine intakte Ehe so behandelt, als wäre sie getrennt, aber der Effekt ist dem des bisherigen Splittings ähnlich. Paare mit einem Gesamteinkommen bis zu 128 000 Euro würden dadurch nicht stärker belastet als heute, verspricht die SPD. Der „Deckel“ wäre aber niedriger als bisher - es käme somit auch nicht dazu, dass der von der SPD geplante höhere Spitzensteuersatz zu einem höheren Splittingeffekt bei Reichen führt. Steinbrück kündigte allerdings an, dass bestehende Ehen nicht davon betroffen sein sollen, sondern nur neue. Unter Juristen ist freilich umstritten, ob die steuerliche Behandlung der Ehe vom Datum der Standesamtsurkunde abhängig gemacht werden kann. Die Vorsicht der SPD erklärt sich wohl damit, dass das Splitting auch bei den Rentnern und Pensionären angewendet wird – die im Gegensatz zu den Jüngeren häufiger die traditionelle Ehe praktiziert haben, in der vor allem der Mann fürs Einkommen sorgte. Eine Änderung des Ehegattensplittings könnte bei den Alten für Unruhe sorgen. Steinbrück wird sich vielleicht auch an eine eigene Aussage aus dem Jahr 2006 erinnern: Wer das Ehegattensplitting abschaffen wolle, "muss wissen, dass er genau die trifft, die sonst Gegenstand seiner Sonntagsreden sind".

Die Grünen haben sich noch nicht endgültig festgelegt, bisherige Überlegungen gehen aber weiter als die der SPD. Die gehen auch in Richtung Individualbesteuerung mit Übertrag, doch wollen sie nur eine Übergangslösung für langjährige Ehen. Die Fraktionsvizes Kerstin Andreae und Ekin Deligöz gaben sich zwar in der Reaktion auf das SPD-Modell zurückhaltend: Die Grünen wollten das Ehegattensplitting „im Rahmen der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten abschmelzen und die frei werdenden Mittel für den Einstieg in die Kindergrundsicherung und den Ausbau der Kinderbetreuung einsetzen“. Doch hat die Partei schon früher angekündigt, die Übertragssumme auf 10 000 Euro zu begrenzen. Das ist weniger als der jetzt im Einkommensteuerrecht vorgesehene maximale Unterhaltsbetrag – was dann zu einer Höherbelastung bei höheren und mittleren Einkommen im oberen Bereich führen dürfte.

Die Linkspartei will die reine Individualbesteuerung – das Splitting lehnt sie als „Steuerprivileg“ für kinderlose Paare ab. Allerdings würde sie die Abschaffung durch Steuersenkungen abfedern. Dabei ginge es um nicht geringe Summen. Die Individualbesteuerung ohne Übertrag würde laut DIW zu einer Mehrbelastung von im Schnitt 1428 Euro bei allen Ehepaaren führen. Bei Einkommen zwischen 25 000 und 50 000 Euro wären es zwischen 1800 und 2200 Euro, bei Alleinverdienerpaaren kann hier der Nachteil bis zu 3300 Euro reichen. Selbst Doppelverdiener im mittleren Einkommensbereich müssten bei der reinen Individualbesteuerung mit einer Mehrbelastung von 700 bis 1100 im Jahr rechnen, gäbe es keine parallelen Steuersenkungen.

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