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Martin Sonneborn - „Wir sind sogar in Liechtenstein einmarschiert“

Martin Sonneborn erklärt im Interview mit Cicero Online den Erfolg seiner Partei „Die Partei“: Man entdecke moderne Kommunikationsformen immer sieben Jahre früher als Peter Altmaier und erlange Motivation durch den sumpfigen Morast, in dem Die Partei wurzelt

Autoreninfo

Felix M. Steiner arbeitet als Blogger und freier Journalist für verschiedene Medien. Seine Arbeitsschwerpunkte sind dabei vor allem Rechtsextremismus, sozialer Protest und Fotografie.

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Herr Sonneborn, vielen Dank für das Interview.
Sie sind der Erste, der sich schon vorher bedankt! Ich finde das ganz reizend.

Die Partei Die Partei ging 2004 aus den Kreisen des endgültigen Satiremagazins Titanic hervor. Wie kam es zur Gründung, was waren die Beweggründe?
Ich bedanke mich für diese Frage, ich hätte das unzweifelhaft selber angesprochen. Wir haben die Partei 2004 gegründet: Erstens um das Schröder-Regime zu stürzen. Das ist uns dann ja auch relativ zügig gelungen. Und zweitens aus einer verzweifelten Situation heraus, denn wir standen vor irgendeiner beliebigen Wahl damals und in der Redaktion stellte sich schnell heraus, dass niemand irgendeine Partei auf dem Wahlzettel hatte, die er selber auch wählen wollte. Und dann haben wir gesagt; gut, die Zeit ist reif! Die Idee einer Parteigründung ist ja keine ganz neue - aber die technischen Errungenschaften namens Internet, PDF und noch ein paar andere Kleinigkeiten ermöglichen uns jetzt mit relativ geringem Aufwand, eine Partei zu gründen, Wahlen zu gewinnen und die Macht in diesem Land zu übernehmen. Das haben wir dann auch getan. Also bis auf den letzten Punkt, daran arbeiten wir noch. Und ich kann auch sagen, dass es die Wahlentscheidung wesentlich vereinfacht, wenn man seine eigenen Namen auf dem Wahlzettel liest.

In Deutschland gibt es immer das Verlangen, Sachen genau zu kategorisieren. Wie würden Sie das Projekt Die Partei bezeichnen?
Ich würde mich erst mal gegen die Bezeichnung Projekt wehren. Sie sagen ja auch nicht, Projekt-CDU oder Projekt-SPD, um die ehemaligen Volksparteien hier heran zu zitieren. Ich würde es mit einem Schlagwort, sogar mit mehreren Schlagworten möglicherweise versuchen. Als aller erstes natürlich: Machtübernahme! Das ist das, was dahinter steht, was die Leute sofort verstehen. Zweitens: billiger Populismus ohne Inhalte. Wir haben ein Wahlplakat gehabt im letzten Wahlkampf in Berlin. Sie erinnern sich an die verheerende Niederlage, die wir da eingesteckt haben: 0,9%. Das ist unser bestes Ergebnis seit Kriegsende. Aber wir liegen immer noch ein Prozent hinter der Trümmerpartei FDP. Wir hatten ein Plakat in diesem Wahlkampf, auf dem stand einfach „Inhalte überwinden!“. Das ist unser Programm.

Zur Wahl in Hamburg 2008 schrieb die Welt, dass Die Partei die „Verachtung der politischen Institutionen“ zum Ausdruck bringen würde. Ist das tatsächlich der Kern und das Erfolgsrezept dieser populistischen Kleinstpartei?
Nein. Ich glaube grundsätzlich nichts, was in unseriösen Kleinstzeitungen wie der Welt formuliert wird. Ich glaube nicht, dass es um Politikverachtung geht. Es geht sicher auch um die Verachtung dieser Institutionen oder von Politikern allgemein, aber das sind kleinere Motivationen. Ich glaube, die Hauptmotivation seit der Parteigründung ist eigentlich eine Kritik am Politikbetrieb, die hier seit Jahren stattfindet und es ist eine intelligente Kritik, denn man muss ja erst mal in der Lage sein, die Kritik der Partei nachzuvollziehen und zu verstehen.

Ich würde das sonst in der Öffentlichkeit nie so sagen, aber da das hier nur von intelligenten Menschen wahrgenommen wird, kann ich das hier tun. Das bringt uns ja dann auch bei den intelligenten demokratieinteressierten Studenten wieder Sympathien. Ich glaube, dass Die Partei eigentlich eine Partei ist, die von politikinteressierten Menschen gewählt wird, die keine etablierte Partei mehr finden, die sie wählen können. Viele Leute, die ihre Wahlzettel sonst ungültig machen, wählen heute Partei.

Als einzige Alternative?
Jetzt gibt’s natürlich eine Partei, die noch inhaltsleerer ist als wir – das sind die Piraten. Wenn es die nicht gäbe, hätten wir wahrscheinlich wesentlich mehr Prozente. Heute wählen viele Leute die Piraten, die sonst Die Partei wählen würden. Also eigentlich eine Protestpartei. Und als wir 2004 Die Partei gegründet haben – müssen Sie bedenken – gab es die Linke noch nicht deutschlandweit. Es gab damals in Hessen, wo wir saßen, keine Partei, durch deren Wahl wir demokratischen Protest hätten ausdrücken können.

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Welche Rolle spielt Moral für Sie?
Eine relativ hohe. Ich habe ja mein Handwerk bei Titanic gelernt und bin immer noch Mitherausgeber des endgültigen Faktenmagazins und wir sehen uns als letzte moralische Bastion dieser Gesellschaft. Ich glaube, das ist insofern auch die Motivation und der sumpfige Morast, in dem Die Partei wurzelt.

Die Partei hat eine ganz ungewöhnliche Verzahnung von Satire und Realität...
...das sagen Sie.

...die bis dahin ging, dass Sie sogar vor dem Bundesverfassungsgericht eine Klage eingereicht haben. Ist das ein neuer Weg von Satire, von Satire, die eigentlich wirkungslos ist?
Ich würde das nicht als Satire bezeichnen, das würde uns Stimmen kosten. Wir sind eine Partei, die sicherlich auch stark mit satirischen Mitteln arbeitet, das wird man nicht von der Hand weisen können. Ich habe ein Parteibuch geschrieben, in dem alles beschrieben ist. Zwei Drittel dieses sehr lustigen Buches sind eine Abbildung der Medienreaktionen auf so genannte satirische Parteiaktionen. In diesem Parteibuch bedanke ich mich auch bei den mittlerweile über 10.000 Parteimitgliedern, dass sie diesen ganzen Quatsch mitgemacht haben und ich verspreche ihnen, dass niemand mehr über uns lachen wird, sobald wir an der Macht sind. Grundsätzlich ist die Satire natürlich gefordert, alle denkbaren Formen auch zu besetzen. Wir waren ja auch schnell dabei, als es etwa darum ging, Twitter- oder Facebookaccounts zu parodieren. Unser Motto lautet: moderne Kommunikationsformen immer sieben Jahre früher als Peter Altmaier entdecken! Aber natürlich nutzen wir im Hinblick auf die Hindernisse, die uns die etablierten Parteien in den Weg legen, auch juristische Mittel.

Genau, deswegen haben Sie gegen die Nichtzulassung zur Bundestagswahl 2009 geklagt…
Ja, das war ja nicht uninteressant vor dem Verfassungsgericht, das war ja eine Klage für die die CDU rund 30.000 Euro bezahlt hätte. Deshalb haben mich schon die Gesichter der Richter gefreut und auch die Reaktionen der anderen Parteien, die das ja wohlwollend kritisch beobachten, was wir tun. Ich habe diese Klage persönlich zur Post gebracht. Das waren 2,4 Kg qualifizierte juristische Klage eines renommierten Berliner Rechtsprofessors. Es hat mich 30 Euro gekostet, die ich aber gerne bezahlt habe. Die Klage ist dann zur Entscheidung angenommen worden, was ein kleiner Erfolg war, weil ja beileibe kein hoher Prozentsatz der Klagen überhaupt angenommen wird. Leider wurde diese schlussendlich abschlägig beschieden. Das ist ein bisschen schade und viele Verfassungsrechtler sehen ja auch, dass das Bundesverfassungsgericht hier die Möglichkeit gehabt hätte, das bestehende Wahlrecht zu kritisieren und zu verändern. Das ist ja zuletzt auch nicht zu Unrecht von Wahlbeobachtern der UN oder Unesco... da müssen Sie mir jetzt helfen...

Ganz klar Unesco…
Die Unesco-Wahlbeobachter in Deutschland haben ja auch den Umgang mit kleineren Parteien kritisiert und Martin Morlok, Präsident des Instituts für deutsches und europäisches Parteienrecht an der Uni Düsseldorf, hat mich gleich hinterher angerufen, als wir nicht zugelassen worden sind. Er hat sich gefreut, dass es auch mal eine Partei trifft, die in der Lage ist, Öffentlichkeit herstellen zu können. Denn was sich da einige konservative Politiker mit einem irren Bundeswahlleiter mit CDU-Parteibuch und frei von juristischem Fachverstand an der Spitze geleistet haben, war ja nicht gerade beispielhaft. Es sind ja sehr viele kleine Parteien damals nicht zur Bundestagswahl zugelassen wurden. Wir gehen jetzt, da das abschlägig beschieden worden ist, vor den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und werden dann die Bundestagswahl 2009 wiederholen lassen. Ich rechne mit einer Wiederholung so in den Jahren 2016, 2017, 2018.

Verändern Sie etwas?
Ich glaube schon. Ich habe gestern und vorgestern auf Phoenix die Bundestagsdebatte verfolgt. Es gab ja eine so genannte Sonneborn-Regelung, die die Linkspartei eingebracht hat, in der die rechtliche Stellung von Parteien gegenüber einem Wahlausschuss, der mit Vertretern der etablierten Parteien besetzt ist, gestärkt werden sollte. Dieser Antrag ist dann zurückgewiesen worden von den Parteien, die grundsätzlich alles zurückweisen, was die Linkspartei einbringt. Auch wenn es sinnvoll ist. Und jetzt ist ja eine Wahlrechtsänderung dann doch von den übrigen Parteien beschlossen worden, die die rechtliche Position kleiner Parteien gegenüber dem Bundeswahlleiter und gegenüber diesem Ausschuss stärkt. Das sind nachweisbare Folgen. Es gibt aber auch lustigere: Wir haben Staatsbesuche in Georgien gemacht und dort sinnlose Verträge unterzeichnet, einen Teil der Mauer wieder aufgebaut und unsere Wahlwerbezeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bei Ebay verkauft, um auf die Schleichwerbung bei ARD und ZDF zu reagieren. Wir sind sogar in Liechtenstein einmarschiert, leider erfolglos.

Herr Sonneborn, was sind die großen Ziele für die Zukunft?
Die großen Ziele... ich habe früher mal gesagt, ich will keine Verantwortung übernehmen, ich will bloß an die Macht kommen und dann würden wir andere, motivierte Leute in die erste Reihe stellen. Aber nachdem ich, als es um die Nachfolge von Christian Wulff ging, zusammen mit Georg Schramm eine Internetabstimmung gewann, habe ich Geschmack gefunden an dieser Vorstellung und würde gern mit der Partei in absehbarer Zeit die Regierung stellen. Und dann auch Bundespräsident werden und große Reden schwingen. Inhaltsleere natürlich. Wie Gauck.

Vielen Dank für das Interview.

 

Das Interview führte Felix M. Steiner

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