Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
()
Wer quatscht, fliegt raus!

Führen, koordinieren, Strippen ziehen – Beide, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Herausforderer Frank-Walter Steinmeier, haben einen Zirkel enger Vertrauter, mit denen sie sich regelmäßig austauschen und so ihre Macht organisieren. Ein Blick hinter die Kulissen.

Die illustre Runde tagt diskret. So diskret, dass einer, der regelmäßig daran teilnimmt, auf Anfrage nicht einmal ihre Existenz bestätigen will. Dabei läutet Angela Merkel mit der sogenannten Morgenlage von Dienstag bis Freitag um 8:30 Uhr im Kanzleramt ihr politisches Tagwerk ein. Mit ihren engsten Beratern erörtert sie dann in Sitzungssaal LE 7.101 eine halbe Stunde lang sowohl aktuelle als auch strategische Fragen sowie taktische Finessen. Mittwochs beginnt man wegen der Kabinettssitzung, die ab 9:30 Uhr tagt, sogar schon eine Dreiviertelstunde früher. Die Morgenlage ist eine Institution. Sie steht im Zentrum der vielen Kontakte, Gremien und spontanen Zusammenkünfte, mit denen die Christdemokratin Merkel regiert, und sie ist eine Legende. Schließlich pflegte schon Helmut Kohl mit einem solchen Kreis von Vertrauten sein Machtsystem zu organisieren. Anders Frank-Walter Steinmeier. Beim Außenminister, Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidaten gibt es eine solche Morgenlage nicht. Der Sozialdemokrat liebt es im Außenamt eher informell und flexibel. Mit seinen engsten politischen Beratern kommt er ad hoc zusammen. Es werden jeweils diejenigen zusammengerufen, die etwas beisteuern können. In Steinmeiers Büro im zweiten Stock des Ministeriums am Werderschen Markt steht zudem in der Regel die Tür offen. Seine Vertrauten schwärmen deshalb von der „amerikanischen Diskussionskultur“, wenn der Minister nickt, dürfen sie eintreten. Bei Merkels Morgenlage hingegen gibt es eine feste Sitzordnung. Rechts von ihr an dem runden Tisch sitzt zumeist Beate Baumann, die das Büro der Kanzlerin leitet und seit fast zwanzig Jahren Merkels engste persönliche und politische Vertraute ist. Links nimmt Thomas de Maizière Platz. Der Chef des Kanzleramtes koordiniert seit dreieinhalb Jahren ziemlich geräuschlos den Regierungsalltag. Mit dabei sind in der Morgenlage unter anderem auch Merkels Medienberaterin Eva Christiansen, der Regierungssprecher Ulrich Wilhelm und der Staatsminister Hermann Gröhe sowie Michael ­Wettengel, Chef der Zentralabteilung, und Matthias Graf von Kielmansegg, Leiter des politischen Planungsstabes. Aus der Partei gesellt sich häufig CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hinzu, freitags ist in der Regel Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen dabei, stehen wichtige Fragen an, kommt auch Fraktionschef Volker Kauder. Wenn es losgeht, stehen Kaffee und Tee auf dem Tisch. Das erste Wort in der Morgenlage hat immer der Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Er trägt kurz und knapp die wichtigsten Schlagzeilen und Kommentare der Medien vor. Anschließend wird offen und kontrovers diskutiert, werden Sprachregelungen festgelegt und Arbeitsaufträge verteilt. Wer in dem schmucklosen Raum mit Blick über die Spree dabei sein darf, kann ohne Zweifel von sich behaupten, in das Zentrum der Macht vorgedrungen zu sein. Offen, selbstkritisch und vor allem angstfrei, so betonen Teilnehmer, solle hier diskutiert werden. Der Preis sind absolute Loyalität und Verschwiegenheit. Nicht ohne Stolz heißt es im Kanzleramt, Merkels Morgenlage sei einer der wenigen Machtzirkel in der sonst so geschwätzigen Hauptstadt, aus dem noch nie auch nur ein Wortfetzen an die Öffentlichkeit gedrungen ist. Wobei es auch innerhalb der Morgenlage noch eine Hackordnung gibt. Von den Teilnehmern genießen nur Baumann und Christiansen sowie de Maizière und Pofalla tatsächlich das uneingeschränkte Vertrauen der Kanzlerin. Röttgen und Kauder aus der Fraktion wiederum sind die einzigen, die nicht weisungsgebunden sind. Die informellen Zusammenkünfte spielen für die Spitzenpolitiker eine herausragend wichtige Rolle. Nicht, weil hier weitreichende Entscheidungen gefällt oder stragische Weichen gestellt würden. Wenn Merkel oder Steinmeier mit ihren engsten Vertrauten zusammensitzen, lautet die Devise eher: führen, koordinieren, Strippen zielen. Dann werden Informationen gefiltert, die Realitätswahrnehmung für die Chefin oder den Chef strukturiert, und es werden spätere Entscheidungen vorbereitet und präjudiziert. Solche Runden haben für die Kanzlerin und den Außenminister noch einen weiteren Vorteil. Sie brechen Hierarchien und damit Bürokratien auf. In Merkels Morgenlage zum Beispiel sitzen Staatssekretäre, Abteilungsleiter und Büroleiter beisammen, die sonst in dem zentralistisch organisierten System wenig miteinander zu tun haben. Zudem wird auf diesem Wege, so weit es geht, die Partei in das Machtsystem eingebunden. Zu Steinmeiers Runden gesellt sich regelmäßig sein Redenschreiber Ulrich Deupmann. Der ehemalige Journalist ist weder in der SPD noch im Ministerium in Strukturen eingebunden und hat trotzdem jederzeit Zugang zum Außenminister. Von solchen Netzwerken leben Spitzenpolitiker und weil jeder Teilnehmer wiederum sein eigenes informelles Netzwerk geknüpft hat, sind diese Runden und Lagen auch ein Seismograf für Stimmungen in der Gesellschaft, ein machtpolitisches Frühwarnsystem. Für Steinmeier gilt dies genauso wie für Merkel. Der Sozialdemokrat hatte schon als erster Diener von Gerhard Schröder im Kanzleramt einen eigenen Kreis von Vertrauten um sich geschart. Seinen wichtigsten hat er ins Außenministerium mitgenommen. Wie schon im Kanzleramt leitet Stephan Steinlein nun auch im Außenministerium das Ministerbüro. Auch Pressesprecher Jens Plötner und Ulrich Deupmann gehören zu seinen engsten Beratern. Seit Steinmeier Kanzlerkandidat ist, sorgt darüber hinaus der erfahrene sozialdemokratische Strippenzieher Heinrich Tiemann als Staatssekretär für die innen- und außenpolitische Koordination sowie für die enge Anbindung der SPD-geführten Ministerien. Markus Engels leitet Steinmeiers Büro im Willy-Brandt-Haus und ist dessen Brückenkopf in der Parteizentrale. Bei Bedarf stehen auch andere Mitarbeiter bereit. Egal, ob Morgenlage oder Ad-hoc-Beratung. Ohne geht es nicht, wenn es um die Macht geht, und in beiden Fällen gilt, wer in diese informellen Netzwerke von Spitzenpolitikern eingebunden ist, der muss seine eigenen Ambitionen zurückstellen, zumindest vorübergehend. Wie bei Merkel gilt auch bei Steinmeier deshalb das Motto: Wer quatscht, fliegt raus! Foto: Picture Alliance

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Dr. Herbert J. Exner | Fr., 11. November 2016 - 21:13

Ich bin entsetzt, dass die Kanzlerin in der staatlich wichtigsten Lagebesprechung als engste Vertraute ihre Sekretärin und eine Modeberaterin heranzieht. In jeder funktionierenden Organisation würden ausgewiesene, langjährige Fachleute, die geistig unabhängig sind, hinzugezogen. Kein Wunder über das politisch chaotische Deutschland, das nicht deutschen Interessen dient, sondern in die Falle einer europäischen Gut menschen-Großmacht läuft. Mit dem Alkoholiker Juncker an der Spitze (wenn es ernst wird muss man lügen)