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Wahlkampf - Was die deutschen Parteien von Obama lernen können

Barack Obama hat die soziale Spaltung der Gesellschaft und die Bildung ins Zentrum seines Wahlkampfs gestellt. Die deutschen Parteien sollten vom US-Präsidenten lernen und diese Themen verstärkt aufgreifen

Autoreninfo

Sebastian Gallander leitet den bildungspolitischen Thinktank der Vodafone Stiftung Deutschland.

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„Wir müssen neue Leitern der Möglichkeiten in die Mittelschicht bauen für alle die bereit sind, sie nach oben zu klettern.“ Präsident Obama griff damit in seiner Rede zur Lage der Nation das Thema auf, das entscheidend zu seinem Wahlsieg beigetragen hat. Wenn man genau hinschaut, erkennt man darin eine wichtige Lehre für die deutsche Politik im bevorstehenden Bundestagswahlkampf.  

Barack Obama ist der erste Präsident der Demokraten seit Franklin Roosevelt, der zwei Wahlen mit mehr als 50 Prozent der Stimmen gewonnen hat. Dieses historische Ergebnis lag nicht nur an seiner persönlichen Beliebtheit, denn diese war ja in den letzten vier Jahren deutlich zurückgegangen. Vielmehr ist es Obama gelungen, eine breite Koalition aus unterschiedlichen Wählergruppen für sich zu gewinnen – auch weil er ein Problem aufgegriffen hat, das viele Menschen bewegt: die zunehmende soziale Spaltung der Gesellschaft.     

Sebastian GallanderDeutschland ist nicht Amerika, aber auch bei uns wächst die Kluft zwischen Arm und Reich. Der neue Armutsbericht der Bundesregierung, der unlängst bereits vor seiner Veröffentlichung heftig diskutiert wurde, hat dies deutlich gezeigt: Das Nettovermögen der privaten Haushalte hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zwar mehr als verdoppelt – auf zehn Billionen Euro – über über die Hälfte davon gehört den reichsten zehn Prozent, während die Haushalte in der unteren Hälfte nur gut ein Prozent des gesamten Vermögens besitzen.

Zudem hat der aktuelle Bildungsbericht erneut darauf hingewiesen, dass der Erfolg eines Menschen in Schule und Ausbildung sehr stark durch das Elternhaus vorbestimmt ist. Das heißt, wer in Deutschland in eine bestimmte soziale Schicht hineingeboren wird, hat es sehr schwer, im Laufe seines Lebens in die nächst höhere Schicht aufzusteigen. Somit verfestigen sich also die sozialen Unterschiede. Und die Menschen spüren das. Laut einer Umfrage des Instituts Infratest-Dimap im Auftrag der ARD, die vor kurzem veröffentlicht wurde, beurteilt die Mehrheit der Befragten ihre Chancen auf einen sozialen Aufstieg als schlecht. Deshalb sollten die Parteien sich jetzt endlich um dieses Thema kümmern. In den USA geht es dabei um höhere Steuern für die Reichen. Es geht aber auch um noch viel mehr.    

„Bildung ist der sicherste Weg in die Mittelschicht“ lautete eine der Kernbotschaften der Obama-Kampagne. Hierfür kündigte der Präsident unter anderem vier zentrale Maßnahmen an: Die Verbesserung der frühkindlichen Bildung, die Neueinstellung von 100.000 Lehrern für Mathematik und Naturwissenschaften, finanzielle Hilfen für Studierende sowie eine Initiative zur beruflichen Fortbildung von Arbeitslosen und gering qualifizierten Beschäftigen. Natürlich ist hierbei die Ausgangslage in den USA viel dramatischer als in Deutschland. Aber auch bei uns sind dies einige der Bereiche, in denen der Schlüssel zur Verbesserung der sozialen Aufstiegschancen liegt.  

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In Deutschland fehlen über 100.000 Kita-Plätze, die jedoch gerade für Kinder aus sozial benachteiligten Elternhäusern besonders wichtig wären, damit sie nicht bereits so ein großes Leistungsdefizit haben, wenn sie in die Schule kommen. Im Schulsystem wiederum brauchen wir höhere Investitionen für mehr und bessere Lehrer, denn gerade Ende 2012 haben die großen internationalen Vergleichsstudien IGLU und TIMSS wieder einmal gezeigt, dass in der Bundesrepublik Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen, deutlich hinter ihren bessergestellten Mitschülern zurückbleiben.

Darüber hinaus sollte es mehr Hochschul-Stipendien für Jugendliche geben, da eine große aktuelle Untersuchung des Zentrums für Europäische Sozialforschung der Universität Mannheim darauf hingewiesen hat, dass die Jugendlichen aus benachteiligten Elternhäusern, die das Abitur abschließen, dann häufig doch vor dem Studium zurückschrecken. Und schließlich muss die Weiterbildung von weniger qualifizierten Arbeitnehmern stärker gefördert werden, da es laut Statistischem Bundesamt fast sieben Millionen Menschen ohne jeden beruflichen Abschluss gibt. Dies sind nur einige Ansätze, mit denen die Politik die sozialen Aufstiegschancen in Deutschland verbessern könnte. Es handelt sich dabei jedoch nicht um soziale Wohltaten, sondern um ökonomische Investitionen. 

„Wenn es eine ultra-breite Kluft zwischen den ultra-wohlhabenden und allen anderen gibt“, so Präsident Obama bereits in einer früheren Rede, „zieht das unsere gesamte Wirtschaft nach unten“. Andersherum ausgedrückt: Nur wenn möglichst viele Menschen möglichst gut ausgebildet sind und ein möglichst hohes Einkommen erzielen, können sie viel konsumieren und dadurch Arbeitsplätze schaffen und letztendlich auch für ein höheres Steueraufkommen sorgen. In Deutschland kommt mindestens noch ein weiterer Punkt hinzu: Aufgrund des demografischen Wandels braucht die Wirtschaft, nach Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit, in den nächsten zwölf Jahren über sechs Millionen neue Fachkräfte. Diese können nicht alle aus dem Ausland angeworben werden. Vielmehr müssen wir das bestehende Potenzial der Menschen in Deutschland stärker ausschöpfen.

Die Verbesserung der Bildungs- und Aufstiegschancen in Deutschland ist also das entscheidende Thema der Zukunft. Die Parteien, die sich am Stärksten dafür einsetzen, werden am Ende auch die größten Erfolgsaussichten bei der Bundestagswahl haben. Sie sollten das beherzigen, was Präsident Obama im amerikanischen Kongress so klar gesagt hat: „Lasst uns sicherstellen, dass keines unserer Kinder den Wettlauf des Lebens bereits mit einem Rückstand beginnen muss!“

Sebastian Gallander leitet das Projekt „Soziale Mobilität“ der Vodafone Stiftung und der stiftung neue verantwortung.

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