
- Alles auf Anfang?
Kopflosigkeit und Selbstmitleid nützen der Union jetzt nicht. Sie hat die Pflicht, über sich hinauszudenken, Szenarien ernsthaft durchzuspielen und sich vorzubereiten. CDU und CSU brauchen einen Plan B. Schließlich haben sie auch eine Verantwortung für das Land.
Es mag selbstverständlich klingen, ist es aber offensichtlich nicht: Aus der Erkenntnis, vor der Wahl alles verkehrt gemacht zu haben, folgt nicht eine Verpflichtung, dies nach der Wahl ebenso zu handhaben. Die Wut und der Ärger der Ab-, Nicht- und mit knapper Not Gewählten, die sich gestern medial, online und abends dann auch höchstpersönlich in der geschrumpften CDU-/CSU-Bundestagsfraktion Bahn brachen, mögen menschlich verständlich sein; die Enttäuschung braucht ein Ventil nach Monaten der Faust in der Tasche.
Nur: Gerade eine Partei, die sich gern als letzte Bastion der Aufklärung, des Pragmatismus und der Vernunft versteht, muss in der Lage sein, auch und gerade in der Krise von eigenen Befindlichkeiten zu abstrahieren und den Blick wieder auf das große Ganze zu richten – und sei es in einer ruhigen Stunde beim ersten Morgenkaffee vor der wenig erbaulichen Lektüre des Pressespiegels. Das bedeutet: Auch eine gerupfte CDU, die aussieht wie ein Papagei, der durch den Ventilator des Wählervotums geflogen ist, kann sich nicht einfach als dienstunfähig abmelden. Affektgetriebene Selbstzerfleischung wird in dem Moment unprofessionell, in dem man anderswo als Gegengewicht gebraucht wird.