Türkische und deutsche Nationalflagge / picture alliance | CHROMORANGE / Martin Schroeder

Türkische Diaspora in Deutschland - Im Prozess der Neuorientierung und Selbstfindung

Die türkische Community befindet sich im Wandel. Auch viele Deutsch-Türken sind von den traditionellen Migrantenparteien SPD und Grüne enttäuscht. Während sich die Parteipräferenzen ändern, schwächt sich auch die Orientierung zur Türkei ab.

Autoreninfo

Yaşar Aydın ist Wissenschaftler am Centrum für angewandte Türkeistudien (CATS) der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

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Der Aufstieg der rechtspopulistischen AfD hat die türkische Diaspora in Deutschland wachgerüttelt. „Ben de varım“ (zu Deutsch: „Ich bin auch dabei“): Mit dieser Devise startete die Türkische Gemeinde Deutschland (TGD) eine bundesweite Kampagne und rief zur Teilnahme an der Bundestagswahl auf. Es entbrannte eine lebhafte Debatte innerhalb der türkischen Community – sei es in Vereinen, bei Hochzeiten, vor den Moscheen nach den Freitagsgebeten oder auf Wochenmärkten. Türkeistämmige diskutierten miteinander und ermunterten einander, am Wahltag zum Wahllokal zu gehen. 

„Wir leben schon sehr lange in Deutschland, haben das Land mitaufgebaut, zahlen Steuern, unsere Kinder haben hier Karriere gemacht – es kann nicht sein, dass man uns unsere hart erkämpften Rechte und Errungenschaften wieder wegnimmt“, sagte eine Lehrerin während der Flugblattkampagne der TGD im Hinblick auf einen möglichen Wahlerfolg der AfD. Ihr Appell war klar: „Wir müssen zur Wahl gehen und demokratische Parteien wählen.“

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Dorothee Sehrt-Irrek | Fr., 14. März 2025 - 07:51

Artikel.
Es wird darauf ankommen, unseren Deutschen Türken beizustehen in ihrer selbsttätigen Integration in Deutschland.
War dieser Satz vom ehemaligen Bundespräsidenten Wulf nicht so gemeint, in etwa, der Islam gehört jetzt auch zu Deutschland?
Das würde ich unterschreiben und genau deshalb, bzw. in ihrer eher für mich grundsätzlichen Kritik am Islam würde ich die AfD niemals unterstützen.
Da ich türkische Verwandte habe, konnte ich die Besorgnis in Bezug auf diese Bundestagswahlen spüren.
Hat nicht auch die FDP unter besonders Möllemann ein freundliches Miteinander von Deutschen und Deutschen Türken betrieben, überspitzt ohne "Multi-Kulti"?
Ich halte eine Fragmentarisierung von was auch immer in einem Staat für nur schwer händelbar.
Politische Selbstbestimmung und unser GG sollten eine gemeinsame Kultur ff. möglich machen.
Israel fordert doch auch deutsche Juden zur "Heimkehr" nach Israel auf?
Schön, dass ihnen auch diese Heimat angeboten wird, sie sind aber hoffentlich Deutsche...

Dorothee Sehrt-Irrek | Fr., 14. März 2025 - 08:11

mit den Loyalitäten und vielleicht wurde der Zionismus deshalb auch kritisch beäugt in Europa?
Die Schaffung des Staates Israel verhindert aber eine "migrantische" Ortlosigkeit des Judentums in aller Welt und garantiert die Heimat der explizit Israelis?
Lebe ich in einem Land, ob mit oder ohne zweite Staatsbürgerschaft, so bin ich diesem Land m.E. verpflichtet und sei es aus Gastrecht heraus.
Ob auch meine Regeln dort gelten können, hängt ab von der Bereitschaft des Gastlandes dazu, seinen nationalen und internationalen Verträgen.
Es gibt doch bestimmt Verträge zwischen den einzelnen "Migrantengruppen" und der Bundesregierung?
Ich verlasse mich halt darin auf die SPD und unser GG.
Ich glaube nicht, dass Migranten in Deutschland leben können als lebten sie in ihrem Heimatland.
Es kann Unterschiede geben zwischen einem Hier und Dort.
Sogenannte Angestammte wollen und können in Konfliktfällen auch nicht einfach in andere Länder auswandern oder fliehen?
Eine konfliktträchtige Gemengelage?

Meine Position vertritt keine Mehrheiten, trotzdem kann ich an das GG als Basis von Gesellschaft&Kultur nicht glauben - oder will es nicht.

GG und Menschenrechte als Basis trifft glaube ich eher den Zeitgeist, das GG wird dabei vor allem als die dort verankerten Grundrechte gesehen, die heute als Rechte des Individuums angesehen werden, die der Staat (oder wer?) zu garantieren hat. Es liegt der Gedanke universeller Werte zugrunde, die die Gesellschaft auch offen für alle Menschen macht.

Ich würde mir beim GG eine Konzentration auf die Checks&Balances wünschen, die gerade keine Inhalte und Kultur festlegen - nur gemeinsame Verhandlungsregeln. Gerade auch in dem Bewusstsein, dass Menschen und Kulturen sehr gegensätzlich sein können, es viele Unbekannten gibt. Unser "Zeitgeist" drängt uns zu sehr auf die Alternative "Alle zusammen oder gegen Menschenfeinde". Das scheint mir zu eng, es drängt uns in übermütige Abenteuer oder macht uns konzeptuell hilflos gegenüber realen Gegensätzen.

Dorothee Sehrt-Irrek | Sa., 15. März 2025 - 12:42

Antwort auf von Markus Michaelis

Europa, ich weiss nicht wie stark Wanderungsbewegungen zwischen dem Zweistromland und Europa waren.
Die jüdischen Gemeinden befanden sich auch zumeist in der Diaspora.
Wann wurde Israel zersört?
Es kann also noch lange dauern, bis andere Religionen und Staatsangehörige z.B. in Deutschland heimisch werden oder doch schneller? Unsere Zeit ist schnelllebig und Kinder wachsen global auf durch das Internet.
Die Bundesrepublik ist vielleicht nicht auf den ersten Blick so anziehend, weil wir so ein kaltes Klima haben, zudem ein hohes Verantwortungsgefühl und eine hohe Arbeitsmoral?
Die Deutschen dienen nicht, sie bauen auf.
Das liegt nicht jeder/m.
Angenehm aber, dass sich Gruppen recht frei entfalten können.
Das ist schon mal ein guter Schritt.
Gelernt werden muss evtl., dass dies auch für die je anderen gilt.
Das darf kein Problem sein, dass Deutschland Israel schützt.
Das ist nicht nur so aus Verantwortung, sondern ergibt sich auch aus der Verwiesenheit der Religionen.
Bleibende Affinität

Menschenrechte und Grundrechte sind großartig, sie sollten auch für alle Menschen gelten. Nur legen sie auch genau deshalb aus meiner Sicht keine Gesellschaft fest, sie können keine Basis einer Gesellschaft sein. Was wäre dann mit allen anderen Gesellschaften? Ich würde damit alle anderen als gleich erklären (haben wir gefragt, wollen alle anderen das?) oder als menschenfeindlich. Das ist aus meiner Sicht kein guter Ansatz.

Menschenrechte (und in diesem Sinne das GG) gelten universell, damit haben wir einen ganz weiten Rahmen abgesteckt. 99% von Politik und Gesellschaft dreht sich aber um ganz andere Fragen, die erstmal nichts mit Menschenrechten zu tun haben. Es scheint mir oft eher unsere Unfähigkeit mit realen Gegensätzen umzugehen, dass diese regelmäßig soweit eskalieren, dass auch Menschenrechte verletzt werden. Das heißt aber nicht im Umkehrschluss, dass man nur die Menschenrechte einhalten müsse und schon würden alle Gegensätze verschwinden.

der Föderalismus ist aber ein guter Weg, immer wieder sich bildende Gruppenmeinungen prozessiv zu bündeln, der Föderalismus und die parlamentarische Demokratie.
Die allgemeinen Maximen sind m.E. eine Grundvoraussetzung dafür, dass sich in der Debatte solche Gesichtspunkte herausbilden, die als Gesetze das Handeln der in der Bundesrepublik Versammelten (Volk) leiten können.
Es ist nicht so einfach das GG grundsätzlich zu ändern, dazu bedarf es überzeugender Zielsetzungen, hinter der 2/3 der Abgeordneten stehen müssen.
Wie man jetzt wieder sieht, kräftezehrend.
Der Anspruch gilt für unsere Gesellschaft. Andere Gesellschaften bilden meist nicht ganz andere, aber doch andere Wege aus.
In der Bundesrepublik gilt unsere Verfassung und unser Weg, der aber bei Akzeptanz der Maximen des GG, die unserem politischen Handeln zugrundeliegen sollen, ergebnisoffen ist.
Ist das nicht toll?
Bin ich die Einzige, die nicht nur mit anderen zusammenwachsen möchte, sondern sich darin selbst auch ändern will

Wolfgang Borchardt | Fr., 14. März 2025 - 08:32

unterstellt, die sie weder vorhat, noch durchsetzen könnte. Wir haben nicht 1933. 2. Wird bewusst vernebelt, dass die AfD einen Nährboden und eine Ursache für ihr Entstehen hat und nicht mehr ist als ein Symptom belegbar schlechter Regierungspolitik. Sollte es gelingen, eine vernünftige, weitgehend Ideologie freie Realpolitik zu machen, gibt es keinen Grund mehr, die AfD zu wählen. Den gäbe es auch nicht, wenn die FDP die liberal-demokratische Oppositionsparte wäre, als die sie komplett ausgefallen ist

Chris Groll | Fr., 14. März 2025 - 09:19

Ihre Aussage, "neue Migrationswelle aus der Türkei", kann das nicht auch eine weitere Unterwanderung sein?.
“Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. ..... und die Gläubigen unsere Soldaten.”?
Außerdem, die Mohammedaner in Deutschland, dazu zählen auch die meisten Türken, haben doch längst mehr Rechte als die übrigen Deutschen.
Dieses Land ist doch bereits zu großen Teilen übernommen worden.
Brauchen diese türkischstämmigen Menschen dann überhaupt eine Neuorientierung?

Christoph Kuhlmann | Fr., 14. März 2025 - 09:49

Bis jetzt ist das Image der türkischen Community stark vom Zentralrat der Muslime und der dort dominierenden türkischen Religionsbehörde Ditib mit ca. 130 000 Mitgliedern geprägt. Das ist ungefähr so, als on die katholische oder evangelische Kirche vorgäbe die deutschen in der Türkei zu repräsentieren. Man kann als Muslim nicht einfach aus der Kirche austreten. Insofern wird die religiöse Bindung vieler Menschen aus der Region stark überschätzt, zumal die Bundesregierung das auch noch fördert.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 14. März 2025 - 11:34

Wer als Ausländer sich hier legal aufhält, bereit ist sich zu integrieren, andere Religionen achtet und seine eigene friedlich neben den anderen auslebt, hat nichts zu befürchten. Und das tun die meisten Türken sicher auch. Natürlich gibt es bei den Türken genauso fanatische und unbelehrbare Islamisten, wie wir sie aus den anderen muslimischen Staaten kennen. Die AFD hat grundsätzlich nichts gegen Türken oder andere Ausländer, das ist ein Ammenmärchen und wird inzwischen inflationär behauptet, eben aber auch von den Türken selbst nicht mehr geglaubt, trotz der Nazi-Behauptungen. Denn auch Türken sind selbst davon betroffen zu sehen, wie ihre Wohngegenden von Islamisten und Messerstraftätern versucht werden übernommen zu werden. Nicht wenige Türken sind in mancher Hinsicht deutscher wie deutsch, so meine dienstlichen Erfahrungen. Die meisten wollen friedlich und sicher leben, wie wir alle und sie wollen nicht mehr oder weniger respektvoll behandelt werden, wie alle anderen auch.

Markus Michaelis | Fr., 14. März 2025 - 13:24

Ja, wahrscheinlich wird die "türkische Community" differenzierter, auch mit mehr Vernetzungen mit der "deutschen Gesellschaft". Nur was heißt das? Wer ist denn die deutsche Gesellschaft? Überlegungen wie diese hier kann man auch mit Afghanen, Syrern, verschiedenen Afrikanern etc. anstellen, die das Leben in Deutschland in Zukunft prägen werden. Welche Gesellschaft das mal sein soll, wo es hingeht, kann doch niemand seriös abschätzen.

Was ich persönlich für wenig zielführend halte, ist eine Einstellung, dass eine deutsche Mehrheitsgesellschaft zB Türken besser verstehen müsse und sehen, was sie brauchen, um hier anzukommen. Das trifft doch nicht mehr die heutigen Verhältnisse. Wenn man Gruppe A entgegenkommt, ist B entsetzt, die Kraft reicht rein demografisch ohnehin nicht. Alle türkischen, afghanischen, syrischen, afrikanischen Gruppen verstehen, ist zu komplex. Universelle Werte für alle sind weltfremd und menschenfremd.

Ich sehe es für alle als einen Aufbruch in unbekanntes Neues.

Markus Michaelis | Fr., 14. März 2025 - 13:36

Vielleicht noch folgende Anmerkung in diesem Sinne:

Zitat: "Dies bietet den deutschen Parteien jenseits von SPD und Grünen eine gute Gelegenheit, die Vertreter der türkischen Community stärker in den politischen Diskurs einzubinden und gezielt an sich zu binden."

Ja, da ist schon was dran, aber im größeren Bild halte ich so einen Satz für weltfremd. Er suggeriert, dass es eine gesetzte (bio?)deutsche Gesellschaft gebe, die jetzt andere Gruppen integriert. Das scheint mir aber viel offener und alles entwickelt sich zusammen irgendwohin. Unsere Gesellschaft ist ja nicht nur zu Türken hin offen, auch nach Europa, globalen Verknüpfungen, Afghanistan und vielen, vielen Ländern und Strömungen mehr. Die dazugehörigen Größenordnungen scheinen mir so, dass "etablierte Parteien binden irgendwen an sich" das falsche Bild ist. Das sind zum Teil noch eher absehbar letzte "Altrefugien", aber der große Trend scheint mehr ein gemeinsamer Aufbruch in Neues für Alle.

"Ein gemeinsamer Aufbruch in Neues für Alle"

Die größten Probleme könnten damit nicht unbedingt die hier sozusagen "Angestammten" haben, die doch bereit sind, Andere aufzunehmen, sondern Gruppen mit zu starkem Selbstbezug und großem Beharrungsvermögen.
Ich verstehe das nicht ganz, weil Migration doch etwas mit Bewegung zutun hat.
Eine Grundvoraussetzung für so ein Gelingen gibt doch das GG, z.B. mit der Feststellung, dass Mann und Frau gleichberechtigt sind und jetzt auch Queere.
Ich akzeptiere davon keine Abweichung, sonst möge man bitte in entsprechende Länder einwandern.
Ich will aus Deutschland nicht weg, wegen dieser Kulturmaximen und werde sie schützen.
Höflichkeit ist in meinen Augen keine Selbstaufgabe.
Dann verbliebe es bei Gastfreundschaft.
Kann ich mich irren, Frauen sind in Europa Wirklichkeit konstituierende Wesen und das selbstbestimmt, wenngleich m.E. nicht selbstgenerierend?
Letzteres so wenig wie Andere...